Referate: Freie Themenwahl und fünf Minuten

Aus dem Studium ist die Situation sicher vielen leidvoll in Erinnerung: Um einen Schein zu bekommen, muss man zu einem vorgegebenen Thema ein Referat halten (meist noch eine Ausarbeitung schreiben) und – das ist meist unangenehmer – viele andere Referate höchst unterschiedlicher Qualität über sich ergehen lassen. Um diesen Effekt abzumildern, habe ich im Wintersemester mit dem Format des Referates etwas experimentiert und die Studies um Referate gebeten, die nicht länger als fünf Minuten sein durften und bei denen sie freie Themenwahl hatten. Ein Erfahrungsbericht.

Eingesetzt hatte ich die Kurzreferate in einem grundlegenden PR-Seminar, in dem wir uns schwerpunktmäßig mit Online-PR, Nonprofit-PR und PR-Ethik beschäftigt haben. Im Grundsatz empfinde ich Referate mit Ausarbeitung aus didaktischer Sicht als sinnvoll, denn:

  • Man muss sich eigenständig ein neues Thema aneignen (dazu gehören auch Recherche, Gewichtung etc.),
  • bereitet es dann für andere auf,
  • präsentiert es (hoffentlich gut strukturiert und anschaulich)
  • und zeigt in der Schriftform, dass man wissenschaftlich arbeiten kann und die Sache im Griff hat.

Fähigkeiten, die natürlich von grundsätzlicher Bedeutung für das Studieren und das spätere Berufsleben sind. Deshalb also habe ich mich vom Referat nicht verabschiedet. Damit das Ganze etwas attraktiver wird und die einzelnen Referate nicht die halbe Lehrveranstaltung einnehmen, habe ich folgende vier Festlegungen getroffen (s. auch hier):

  1. Maximal fünf Minuten Dauer: Weil ich finde, dass ein Student (bzw. späterer PR-Mensch) in dieser Zeit ein Thema rüberbringen können sollte. Vorbild dabei: Der Elevator-Pitch (mit längerem Anstehen *gg*).
  2. Freie Themenwahl – mit der einzigen Bedingung, dass im Referat deutlich werden muss, warum das gewählte Thema für PR-Studenten bzw. PR-Praktiker relevant ist: Weil ich hoffte, dass so eine größere Themenvielfalt ins Seminar kommt und Studenten über Dinge berichten, die sie selbst auswählen und dafür natürlich erst mal Themenfindung betreiben müssen.
  3. Freie Terminplanung mit Hilfe eine Google-Kalenders: Weil ich wollte, dass sich die Studierenden in Selbstorganisation üben – wobei mein Wunsch war, die Referate gleichmäßig zu verteilen.
  4. Und schließlich sollte das vorgestellte Thema möglichst rasch nach dem Vortrag durch einen Beitrag im Weblog PR-Fundsachen umrissen werden: Weil auf diese Art nicht nur das Thema für alle Interessierten festgehalten wird, sondern Quellen, Zusatzinfos etc. gegeben werden können – und das Blog zusätzlichen Content bekommt.

Und wie ist das Ergebnis dieses Formates, das ich Fünf-Minuten-Themen getauft habe? Zunächst die Sicht der Studenten: Ich habe die Kursteilnehmer gebeten, zu verschiedenen Aspekten meiner Lehrveranstaltungen eine kurze Online-Umfrage auszufüllen. 17 von 19 Studies haben sich beteiligt. Zwei Fragen bezogen sich auf die Fünf-Minuten-Themen. Die Mehrheit des Kurses war offenbar zufrieden: Jeweils 7 Studierende haben die Fünf-Minuten-Themen als sehr gute oder gute Bereicherung für die Lehrveranstaltung empfunden. Der Aufwand für dieses Format war für die meisten Studies wie erwartet geringer als für ein normales Referat: Für 7 war der Unterschied deutlich, für 6 war der Aufwand etwas geringer. (Dafür hatten sie im Seminar noch ein paar andere Aufgaben zu erledigen).

Und wie bewerte ich das Experiment? Insgesamt sehr positiv. Die Erwartung, mehr Themenbreite ins Seminar zu bekommen, hat sich erfüllt. Themen waren u.a. Berichte von Konferenzen, Buchvorstellungen, Vorstellungen von Web-Anwendungen oder Technologien, aber auch ein aktuelles Beispiel zur Ethikdiskussion in einer PR-Agentru sowie Tipps zu Selbstmangement oder Kreativitätstechniken.

In den meisten Fällen war auch das Fünf-Minuten-Format angemessen. Dem Großteil der Studierenden gelang es, die Zeitvorgabe einzuhalten. Vier bis fünf mussten unterbrochen oder zmindest zum Abkürzen angemahnt werden. Die Selbstorganisation mit dem Google-Kalender funktionierte halbwegs: Drei Studierende hatten leider technische Probleme (das war ein Google-Problem), ein paar wenige Studies hatten die Aufgabe bis zum letzten Moment vor sich hergeschoben, so dass sich an den letzten beiden Terminen dann doch manches aufgestaut hatte.

Entscheidend aber ist nun die Frage der inhaltlichen Qualität. Für mein Empfinden lag diese im üblichen Streubereich von Referaten: Einige waren sehr gut gelungen, bei anderen hangelten sich die Referenten etwas an vorgefunden Inhalten entlang, und natürlich merkte man zwei, drei Referaten an, dass sie am Nachmittag vorher erst begonnen hatten, sich darauf vorzubereiten. Auch die Blogbeiträge bewegen sich in dieser Spanne: Einige geben einen guten Überblick/Einstieg in ein Thema und kommen mit nützlichen Links daher. Ein paar bleiben darin stecken, Features aufzuzählen oder sonstwie an der Oberfläche zu kratzen. In der Tendenz bin ich mit den Referaten zufriedener als mit den Blogbeiträgen. So hätte ich mir bei der Vorstellung einer Web-Anwendung zum Beispiel schon gewünscht, dass in jedem Fall auf Erfahrungsberichte und Alternativprodukte gelinkt wird. Enttäuscht hat mich, dass vier von 19 Studenten den Blogbeitrag erst gar nicht geschrieben haben.

Wie habe ich nun die Sache benotet? Ich habe jeweils die Themenwahl, das Referat sowie den Blogbeitrag mit Einzelnoten bewertet. Wer also z.B. ein tolles Referat zu einem tollen Thema gehalten aber keinen Blogbeitrag geschrieben hat, konnte maximal eine 2,3 erreichen. Wobei das aber noch nicht die Kursnote ist, da dort die Beteiligung an den Diskussionen und die anderen Aufgaben auch eine Rolle spielen.