Vertrauen: Lokalzeitung statt Internet

Bei meiner Suche nach Studien zur Mediennutzung stoße ich gerade auf eine Umfrage zum Thema Vertrauen in Medien. TNS Emnid hat gefragt, welchen Medientypen die Bundesbürger am meisten vertrauen (Presseinformation, pdf). Demnach ist das Vertrauen in Lokalzeitungen (60% der Befragten) am größten, gefolgt vom öffentlich-rechtlichen Radio (53%) und Fernsehen (52%). Zeitschriften (36%), Privatradio (31%), Privatfernsehen (26%) genießen keinen allzu großen Vertrauensvorschuss. Doch ganz am Ende steht das Internet: Nur jeder fünfte von 1.048 Befragten hält es für vertrauenswürdig.

Ein wenig seltsam kommt mir der Punkt „Internet“ jedoch vor, denn als Erklärungsversuch für das geringe Vertrauen wird mit Sicherheitslücken etc. argumentiert.  Für meinen Geschmack wurde da in der Befragung etwas unglücklich formuliert: Ich hätte eigentlich erwartet, dass nicht das Vertrauen in ein multioptionales Medium ganz allgemein abgefragt wird, sondern in redaktionelle Internet-Angebote, um die Vergleichbarkeit mit den anderen Kategorien sicherzustellen.

Durchweg geringer ist das Vertrauen in die Medien übrigens im Osten Deutschlands. Und es hat sich gezeigt, dass alle Medientypen im Osten in den letzten zwei, drei Jahren Vertrauen verspielt haben. Wenig überraschend aus meiner Sicht ist auch die Feststellung, dass junge Zielgruppen (14 bis 29) dem Netz und dem privaten Rundfunk weniger misstrauen als ältere Gruppen. Dies dürfte im wesentlichen mit ihrem Nutzungsverhalten zu erklären sein.

7 Kommentare

  1. Tja, bei solchen Befragungen mischen sich die diversen Aspekte eben: redaktionelle Qualität, technische Handhabung, Erreichbarkeit, imaginierte Glaubwürdigkeit… Das Ergebnis ist jedoch nachvollziehbar, wie ich finde. Im Internet ist „Scharlatanerie“ und News-Fake offensichtlicher Teil des Contents, die Lokalzeitung hingegen ist oftmals die Seriosität par excellence. Mediennutzung ist dann natürlich einfacher: Der Lokalzeitung kann ich beinahe vollständig trauen, Internetinhalten traue ich weitgehend nicht. Und hier liegt systematisch ein großes Problem für Onlinejournalismus begraben: Ist Glaubwürdigkeit im Netz prinzipiell unmöglich?

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  2. Die Schwierigkeit ist aus meiner Sicht, dass der eine User bei der sehr offenen Frage nach dem Internet an YouTube, der andere an Ebay, der nächste Phishing und Onlinebanking denkt und mancher vielleicht an SpOn. Die Meinung, die sich jemand dazu bildet, dürfte oft auch auf onlinejournalistische Angebote abfärben. Dass aber – um diesen Effekt ein wenig zu reduzieren – nicht nach journalistischen (oder unterhaltenden ) Angeboten im Netz gefragt wurde, halte ich für eine systematische Schwäche.

    Und natürlich sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass Vertrauen in ein Medium und die Qualität eines Mediums nicht immer deckungsgleich sein dürften.

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  3. Was eine komische Umfrage. nationale Tageszeitungen sollte man auch mit national wichtigen Internetseiten vergleichen (wie spiegel.de, ftd.de).

    Natürlich muss man TNS zustimmen und einsehen, dass Unwissen über das Internet und dessen Inhalte allgemein eine differenzierte Umfrage noch nicht möglich machen.

    PS: Die meisten Internetseiten haben doch weniger Einfluss als irgendwelche gedruckten News zum Thema Aktienkauf, Butterfahrten, Tupperware etc.

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  4. Absolut. Umgekehrt bestätigt die Studie aus meiner Sicht auch, dass regionale Medienmarken im Internet einiges erreichen können (wenn es ihnen gelingt, ihr Gedrucktes sinnvoll digital zu ergänzen).

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  5. Bei der Umfrage sollte einmal auf den Absender bzw. Auftraggeber schauen: Der Verband der Zeitungsverleger. Beim Thema Internet sehen die doch ihre Felle davonschwimmen. Und beauftragen Emnid mit einer Studie, die Argumentationsfutter für die Zeitung liefert.

    Auch wenn ich persönlich gerne Zeitungen und Zeitschriften lese, war mir die Nummer doch ein bisschen zu einseitig. Denn: Was heißt schon trauen. Medien sind auch ein Wirtschaftsgut. Und da wird mit den Füßen abgestimmt: Bei der Mediennutzung sehen die Verhältnisse nämlich ganz anders aus: Durchschnittlich sieht jede/r Deutsche täglich 235 Minuten fern, hört 186 Minuten Radio, ist 48 Minuten online, aber blättert nur 10 Minuten in Zeitschriften. (Quelle: ARD Media-Analyse).

    Also: Traue keiner Umfrage, die Du nicht selbst gestaltet hast … oder so ähnlich.

    Der Berg, der bloggt.

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  6. Ja, dass diese Studie (wie fast jede im Business-Umfeld) Interessen stützen soll, sehe ich auch.

    Der Bezug zur Nutzungsdauer der Medien ist jedoch auch nicht ganz unproblematisch: Denn nach meinem Verständnis kann ich als Mediennutzer Vertrauen nur gegenüber journalistischen Angeboten entgegen bringen. Die Mediennutzung allgemein befriedigt dagegen die unterschiedlichsten Bedürfnisse – nach Unterhaltung, Ablenkung etc. Da ist eine Kategorie wie Vertrauen vermutlich nicht wirklich hilfreich.

    Aber die Studie bestärkt die Zeitungsverleger in einem anderen, wie ich finde, sehr problematischen Punkt: Der Mantel von Regional-/Lokalzeitungen wird überwiegend aus austauschbarem Agenturmaterial zusammengezimmert, und im Lokalen stammt ein nicht geringer Teil der Artikel von schlecht bezahlten Freien. Man kann also durchaus die Qualität lokaler Zeitungen hinterfragen. Als Verleger kann man mit dieser Studie natürlich nett argumentieren, dass die Leser auch mit Journalismus mit angezogener Handbremse zufrieden sind und alles ganz prima läuft. Ich wette, dieses Argument wird ganz rasch in Diskussionen zur Zukunft der Lokalzeitung auftauchen.

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