Euroblog 2008: Social Media in der Lehre

So, nun endlich ein erster Nachklapp zur Euroblog-Konferenz in Brüssel. Beginnen möchte ich mit einer Ergänzung zum Panel über Web 2.0-Tools in der Lehre. In diesem Rahmen habe ich meine didaktischen Experimente in unserem PR-Schwerpunkt an der Hochschule Darmstadt vorgestellt. Wichtig ist dabei, dass Social Media in der PR-Ausbildung als etwas begriffen werden, das das Kommunikationsmanagement in der Berufspraxis verändert und ggf. auch als PR-Instrument eingesetzt werden kann. Social Media sind also Lernstoff: Man muss wissen, was es damit auf sich hat und wie NGOs und Unternehmen sie tatsächlich einsetzen. Anderseits handelt es sich bei Blogs & Co. um didaktische Instrumente, wenn sie entsprechend in die Lehre integriert werden. Dabei können sie den Seminarraum und die reale Welt wunderbar vernetzen. Und schließlich können Social Media-Anwendungen Projekt- und Wissensmanagement unterstützen – in der Berufspraxis wie in der Lehre.

Wer Social Media tatsächlich in die Lehre integriert, kommt schnell zum Ansatz des Konnektivismus. Dort wird davon ausgegangen, dass Wissen in (sozialen) Netzwerken entsteht und dass man auf vielfältige Weise lernt; beispielsweise auch, wenn man einen Wiki-Artikel schreibt, im Blog diskutiert etc. Deshalb ist für mich die Vernetzung ein entscheidender Punkt – wobei Vernetzung sich nicht nur auf eine studentische Gruppe bezieht, sondern auch Vernetzung mit anderen Studenten, Alumni und Praktikern gemeint ist. Dem dienen Projekte wie die PR-Fundsachen und das PR-Wiki auch. Gleichzeitig trainieren die natürlich den Umgang mit diesen Formaten.

Einen Aspekt der Diskussion in Brüssel fand ich besonders witzig: Eine Studentin hat davon gesprochen, dass sie ihre Wünsche und Themen in eine Lehrveranstaltung einbringen möchte. In meinem Vortrag habe ich von Learner Generated Content gesprochen. Im Publikum stieß dies schnell auf Widerstand.  Ein Kollege fragte, ob es nicht kindisch sei, wenn ein Dozent das macht, was die Studenten wollen. Das sehe ich anders: Denn ich bin nicht der allwissende Dozent, und ich meine, das Beste entsteht im Team. Natürlich gibt es Grundlagen, die ich auf jeden Fall vermitteln möchte/muss. Andererseits wissen Studenten nicht nur zu einigen Themen besser Bescheid als ich, sondern sie wissen oft genau, welche Wissenslücken durch meine und andere Lehrveranstaltungen noch bestehen. Dass es sich bei den Themenvorschlägen von Studenten nicht um Beliebigkeiten handelt, sondern um Ergänzungen, die in die jeweilige Lehrveranstaltung passen, habe ich bis jetzt immer erfahren – egal, ob es um Vorschläge für einzelne Workshops ging oder um die freie Themenwahl bei Referaten.

Doch darüber kann man lange weiter diskutieren. Hier erst mal mein Vortrag (genau genommen bestand mein Vortrag nur aus einem Teil der Slides; ich denke aber, dass ein paar der detaillierten Informationen ein paar Leser hier interessieren könnten):

Eindrücke zur Konferenz insgesamt folgen in einem separaten Artikel.

8 Kommentare

  1. Witzig. Vor 25 Jahren schon war ich als Offizier bei der Bw und musste erkennen, dass meine Unteroffiziere und Mannschaften mich auf Dinge brachten, die ich ihnen beibringen sollte – und diese Dinge waren tatsächlich wirklich wichtig ;-)

    Und mir haben sie auch jede Menge wichtige Dinge beigebracht. Beispielsweise, dass ein Chef oder Ausbilder nicht alles wissen und beibringen kann :-)

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  2. Wieso das kindisch sein soll als Dozent Themenvorschläge von Studenten in die Lehrveranstaltung einzubauen, sehe ich nicht ein.

    Zugegeben, meine Studenten wehren sich am Semesteranfang öfters gegen die Idee mehr Verantwortung an der Gestaltung der Lehrveranstaltung zu tragen und selbständig Blog Beiträge zum Thema Soziale Medien zu schreiben, aber diese Einwände verschwinden normalerweise schnell. Besonders dann wenn sie anfangen die Vorteile vom bloggen an eigener Haut festzustellen (yum Beispiel wenn Praktiker oder Firmenverträter auf ihre Blogs reagieren und einen Dialog erstellen).

    Ich jedenfalls habe bislang viel von meinen Studenten gelernt und ermuntere sie weiter aktiv Material zur Lehrveranstaltung beizutragen.

    Ich glaube nicht dass Studenten das Potenzial von Sozialen Medien erfassen können wenn sie sich einfach nur bequem zurrücklehnen und einem Dozenten beim dozieren zuhören.

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  3. Freut mich sehr, von ähnlichen Erfahrungen zu lesen, Corinne.

    Ich denke, es gibt zwei Gründe, weshalb einige Kollegen sehr zurückhaltend sind, wenn es um die Beteiligung von Studenten geht: Der eine betrifft die grundsätzliche Haltung (Rollenbild), der andere betrifft organisatorische Fragen wie die Größe studentischer Gruppen. Hier bin ich in einer sehr guten Situation, meist haben wir Teams von 15 bis 25 Studenten. An manchen Universitäten müssen dagegen bis zu 200 Studenten unterrichtet werden. Da wird es schon schwerer, von der klassischen Vorlesung weg zu kommen. Aber selbst dort könnte ich mir vorstellen, dass Studenten im Lauf des Semester z.B. mit Hilfe von Voting-Tools ihrem Professor signalisieren könnten, welche thematischen Ergänzungen ihnen wichtig wären.

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