Genervt

Was soll ich sagen? Wozu diskutieren wir überhaupt Themen wie Blogger Relations, wenn Agenturen eindrucksvollst beweisen, dass sie nicht mal das kleine 1×1 der Pressearbeit beherrschen? (wohlgemerkt: das ist etwas anderes als Blogger Relations. Aber wer das nicht mal hinbekommt, wie soll er lernen, sich Bloggern zu nähern?) Heute habe ich bereits die zweite Mail von einem Projekt aus Berlin erhalten. Gleich an zwei meiner Mailadressen. Muss ich wichtig sein. Anrede: „Liebe Blogger“. Dann folgt nach ein paar bedauernden Zeilen, dass ich doch leider heute nicht dem tollen Event beigewohlt habe, eine lange, mäßig geschriebene Presseinfo und angehängt eine angebliche Pressemappe: 20 Seiten pdf-Datei. Kein Wunder, dass ich den versprochenen Online-Pressebereich mit Downloadmöglichkeiten erst gar nicht finde. Die „Website“ besteht lediglich aus einer Seite mit Links zu Projektpartnern und der Möglichkeit, einen Newsletter zu abonnieren. Na gut, wieder was für den Ordner „worst practice“ – damit kann man tagelang Lehrveranstaltungen bestreiten. Und bei der nächsten Mail schreibe ich, von wem das kommt…

10 Kommentare

  1. Ehrlich gesagt hat mich schon bei der ersten Aussendung überrascht, dass das noch niemand namentlich aufgegriffen hat. Wird die Blogosphäre milde, oder ist sowas einfach zu alltäglich?

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  2. Eigentlich müsste die Bloggerszene sowas in der Tat zerfetzen. Aber vielleicht sind die wirklichen großen Skandale einfach schon zu lange her, und im Web 2.0 ist irgendwie alles erlaubt. Die schärfsten Kritiker der Elche sind heute eben selber welche… ;-)

    Aber mal im Ernst: Meiner Ansicht nach zeigt das Beispiel sehr schön, wie schwer vielen Agenturen der Übergang von der Klassik ins Web 2.0 fällt. Sie wollen das Medium nutzen, sie wollen ihren Kunden zeigen, dass sie tolle Hechte sind, ihre Kunden verlangen das vielleicht sogar – aber dann haben sie eben nur diese Standard-Methoden zur Hand. Wer heute noch Standard-PR von Agenturen aussendet, anstatt seine Kunden so zu beraten und zu unterstützen, dass sie selbst gute, authentische Pressekontakte aufbauen – der kocht nicht mal mit Wasser. Der kocht mit heißer Luft.

    Statt „Sehr geehrte Redaktion“ steht dann eben dort „Liebe Blogger“. Dass erstere Ansprache schon von schlechtem Handwerk zeugt – Pressekontakte soll man einzeln qualifizieren! -, macht den Sprung ins andere Medium nicht leichter.

    Meines Erachtens steht einfach die PR-Szene selbst vor einem großen Umbruch. Nach dem Web 2.0-Hype wird irgendwann die Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen kommen. Letztlich setzt sich immer der durch, der sein Handwerk versteht.

    Alle guten PR-Leute und Werber können daher solche Aktionen frohgemut beobachten, ein Liedchen pfeifen und die Zeit für sich arbeiten lassen…

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  3. Gebe Dir vollkommen Recht – nur bei der Schlussfolgerung bin ich mir nicht sicher: Denn meine Befürchtung ist, dass die Luftkocher dem Ruf der gesamten Branche schaden und die Arbeit aller erschweren.

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  4. @Thomas: Stimmt, dadurch werden eher Vorurteile bestätigt. Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis sich Professionalität durchsetzt.

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  5. Diese Befürchtung teile ich nur bedingt, weil meine Erfahrungen anders sind. Damals, als jeder ein Grafikprogramm und eine Textverarbeitung hatte und plötzlich jeder Webdesign und Werbetext anbot – das hat nach einem kurzen Hype vor allem denjenigen genützt, die ihr Handwerk beherrschten. Und für viele Probleme gebracht, die mit wenig Kernkompetenzen eine Zeit lang richtig gut Geld verdient haben. Ich denke – oder hoffe zumindest -, dass sowas einfach dazu führt, dass die Auftraggeber genauer hinschauen, wo sie Qualität finden.

    Das ist wie mit Autowerkstätten oder Gebrauchtwagenhändlern: Wenn es sich herumspricht, dass die Gefahr groß ist, schlechte Qualität zu bekommen, werden die Leute einfach vorsichtiger darin, zu irgendwelchen Klitschen zu gehen. Sie informieren sich besser, sie lesen Testberichte, sie schauen genau hin, wen sie beauftragen. Sie gehen auch nicht mehr einfach zu großen Markenwerkstätten, wenn Tests gezeigt haben, dass es hier nicht mehr unbedingt besser ist. Vielleicht ist es gerade die kleine Werkstatt um die Ecke, wo sie den Meister persönlich kennen, auf die sie sich wirklich verlassen.

    So ist es auch im Agenturbereich: Lange Zeit haben die Marktführer einfach Etats bekommen, weil sie den langen Atem für Pitches hatten und weil man bei ihnen automatisch Fachwissen und Qualität erwartet hat. Das kann ja auch durchaus stimmen. Es gibt ja viele sehr gute, große, namhafte Agenturen, die wirklich erstklassige Leute haben – aber es mag auch Große geben, die mit Luft kochen. Wo der Chef verkauft und der Praktikant malocht.

    Da lernen die Kunden dann eben, dass es sich auszahlt, zweimal hinzuschauen. Festzustellen, dass man auch für den halben Etat unter Umständen sogar mehr und Besseres bekommt.

    Umgekehrt gibt es aber auch viele, die schon als freie Journalisten nicht reüssiert haben und sich dann dachten: „Mach ich halt PR, ist eh besser bezahlt.“ Da kommt man dann in ein mittelständisches Unternehmen, analysiert die Kommunikation und fragt sich, wer um Himmels willen diesen Schrott fabriziert hat. Dann sagt einem der Geschäftsführer: „Oh, die Texte sind von einem Profi. Der ist Journalist.“ Aha, ja und? Wo hat der das gelernt? Wer sagt überhaupt, dass das ein GUTER Journalist war?

    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es gerade die ‚Luftkocher‘ sind, die mir Kunden bringen. Weil ich genau sage, was ich tue und warum – und es auch begründen und nachweisen kann.

    Aber ich finde auf jeden Fall, egal wie groß oder wie klein die Gefahr eines Imageschadens insgesamt ist, dass sich Qualitätskontrolle lohnt. Einige Ansätze gibt es ja schon. Vielleicht ist es sehr schwierig, da sowas wie eine flächendeckende Zertifizierung zu etablieren oder überhaupt Prüf-Parameter zu definieren. Auf jeden Fall lohnt es sich aber, immer wieder darauf hinzuweisen, wie gute PR aussieht. Was die Kriterien sind. Ich habe dazu in letzter Zeit ja einiges in meinem Blog geschrieben. Da haben wir alle auch eine Verpflichtung, Rückgrat zu zeigen und Position zu beziehen – weit über die eigene Arbeit hinaus.

    Aber auch und gerade IN der eigenen täglichen Arbeit. Es ist total wichtig für jeden einzelnen von uns, da ganz klar und sauber zu bleiben. Der Kodex von Lissabon und solche Chartas helfen auf jeden Fall, um das beim Kunden plausibel zu machen. Die dort vertretenen Grundsätze – und noch einige mehr – sollte aber jeder von uns sowieso verinnerlicht haben. Und nach außen vertreten. Selbst um den möglichen Verlust des einen oder anderen Auftrages. Ich kann einfach keinen Kunden mit losen Radmuttern auf die Straße lassen, nur weil ich dadurch mehr Geld in der Kasse habe!

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  6. Mir wird beim Lesen Deines Kommentars bewusst, dass wir offenbar mit unterschiedlichen Perspektiven an die selbe Frage gehen :-)

    Wenn es um Aufträge für PR-Agenturen etc. geht, kann ich Deine Argumentation gut nachvollziehen.

    Ich habe weniger an die Auftraggeber von PR gedacht, sondern v.a. an die Stakeholder. Ich denke, Journalisten haben ein professionelles Verhältnis zu PR. Die wissen schon immer, dass es solche und solche PR gibt und können damit umgehen.

    Auf der anderen Seite kann ich mir gut vorstellen, dass ein Blogger, der vielleicht zu seinem Hobby schreibt und der dreimal so schwach angesprochen wird, verallgemeinert und gar nichts mehr mit PR zu tun haben möchte. Dann wäre auch die Tür für diejenigen, die ihm wirklich etwas zu bieten haben, zu. Oder zumindest wäre deren Arbeit erschwert.

    Um Flurschäden für die PR allgemein, aber auch für einzelne Agenturen, zu vermeiden, neige ich im Moment dazu, von der Ansprache von Bloggern abzuraten. Einzige Ausnahme: Man kennt den Blogger und weiß, dass und wie er ansprechbar ist. Ansonsten erscheint mir Pull-Kommunikation mit Blick auf Blogger sinnvoller als Push.

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  7. Stimmt, unterschiedliche Perspektiven. Fällt mir auch jetzt erst auf. Wahrscheinlich bin ich tief in meinem Herzen doch zu viel PR-Frau und zu wenig Blogger… ;-)

    Es würde mich interessieren, wie die Perspektive von Klaus Eck ist.

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  8. Oder vielleicht ist mir auch bloß der Gedanke, PR an Blogger zu adressieren, einfach zu abwegig… Ich würde genau wie du, Thomas, davon abraten. Die Gefahren sind einfach zu groß.

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