McCain: Der Netzverschmutzer

Der konservative US-Präsidentschaftskandidat ist mit seiner politischen Kampagne schon ein paar Mal unangenehm aufgefallen: Von der Urheberrechtsverletzung bis zum Schmutzkübel lässt der Mann wenig aus. Paris Hilton als eine der Leidtragenden hat darauf ja sehr souverän reagiert. Nun aber ruft McCain zur systematischen Netzverschmutzung auf: Seine Anhänger sollen sich doch bitte in vom Wahlkampfteam vorgeschlagene Blogs und Nachrichtensites einschmuggeln und vorgefertigte Statements des Republikaners hinterlassen. In welchen Online-Communities und politischen Blogs das geschehen kann, wird auf der Website vorgeschlagen: Heute stehen Red State, Jeff Emanuel und Daily Kos im Mittelpunkt. Und das Ganze solle doch bitte diskret ablaufen. „Eine Aufforderung zum Lügen“, schimpft zu Recht PR-Profi Todd Defren, bei dem ich auf das Thema gestoßen bin.

In der Tat ist die McCain-Initiative eine der unappetitlichsten Kampagnenideen, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Wörtlich heißt es auf der Kampagnenseite:

The content of these sites is not controlled by the McCain campaign and may contain offensive material. Please use your discretion in visiting these sites.“

De facto heißt das, dass Leute politische Statements von McCain in Kommentarfelder kopieren sollen ohne ihre Identität oder zumindest die Herkunft der Statements offen zu legen. In der Fachsprache ist das Astroturfing. Man könnte auch sagen, dass hier versucht wird, Befürworter zu Trollen zu machen. Der Höhepunkt: Die Kampagneros des Republikaners fordern dann dazu auf, ihnen per Webformular die Erfolge der Netzverschmutzung mitzuteilen. Und dafür gibt es dann sogar – na klar – ein Belohnungssystem:

After your comments are verified, you will be awarded points through the McCain Online Action Center.“

Mashable vergleicht das Ganze mit den Belohnungssystemen von Vielfliegerprogrammen:

„That, in essence, is the McCain campaign’s pitch to supporters to join its new online effort, one that combines the features of “AstroTurf” campaigning with the sort of customer-loyalty programs offered by airlines, hotel chains Best-Business-Travel-Lessons , restaurants and the occasional daily newspaper.“

Während Rivale Obama darauf setzt, dass seine Anhänger ihn aus Überzeugung öffentlich unterstützen, wird die politische Unterstützung bei McCain durch das Belohnungssystem zum schlichten Kommerz. Allerdings verweist Mashable auch darauf, dass bereits Robert Guiliani ein Belohnungssystem für seine Online-Supporter eingeführt hatte.

Leider gleitet der Mashable-Artikel in die aus meiner Sicht nicht wirklich weiter führende Frage ab, ob für liberale und konservative Kampagnen andere Toleranzen gelten, wenn es um Social Media geht. Dies ist sicher der aktuellen ideologischen Kluft in den USA geschuldet. Doch mit Blick auf kommende Wahlkämpfe auch hier zu Lande sollte meiner Meinung einmal grundsätzlich geklärt werden, wo die Grenzen der Word of Mouth-Kommunikation zu ziehen sind. „Spread the Word“ ist das eine. Copy und paste mit vorgegebenen Statements ist schon eine Stufe verschärfter. Die Aufforderung zum diskreten Vorgehen (also ohne Kenntlich-Machen der Quelle des Statements) und ein Belohnungssystem sind für meinen Geschmack jenseits der Grenze. Meine Befürchtung: Langfristig dürften solche Kampagnen die Glaubwürdigkeit und die Qualität von Online-Medien systematisch unterhöhlen – und damit würde die Politikkommunikation sich letztlich selbst schaden.

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10 Kommentare

  1. Bin reichlich entsetzt über das, was ich hier lese. Dann ist mir jeder Kommentator „Seh‘ ich auch so…“ lieber, als diese Instrumentalisierung. Vielleicht zeigt es auch, dass McCain die Felle davon schwimmen. Eine gesunde, politische Kultur, die ich in Deutschland leider noch nicht sehe, würde dafür sorgen, das diese Kampagne ein Rohrkrepierer wird. Aber: Blogs allein werden es wohl noch nicht schaffen.

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  2. Das ist definitiv jenseits aller Grenzen! Das schadet allen, den „geenterten“ Blogs und Nachrichtensites, der Glaubwürdigkeit der Republikaner selbst und der politischen Kultur als Ganze. Was für ein Unterschied zur positiven Verwendung von Online-Instrumenten in der Obama-Kampagne!

    Was soll das werden? So eine Art „Guerllia-Polit-PR“? Kein Problem damit wenn Aktivisten konzentierte Aktionen durchführen (grenzwertig), aber das offene Visier muss gewahrt bleiben. So läuft es auf Polit-Spam raus. Und das „Belohnungssystem“ macht aus den Aktivisten damit im Grunde bezahlte Spammer.

    Ich hoffe sehr dass McCain schlechte Presse und Punktverlust bei Umfragen für diese Idee einfährt. Um der politischen Kultur willen – ich würde das nicht einmal meinem „eigenen“ politischen Lager durchgehen lassen.

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  3. Also ich widerspreche ja wirklich nur ungern zugunsten von McCain, wirklich. Aber meine (auch nicht perfekten) Englischkenntnisse sagen mir, dass in obigem Zitat Folgendes steht: „Der Inhalt dieser Seiten wird nicht von der McCain-Kampagne kontrolliert und kann anstößiges Material beinhalten. Bitte besuchen Sie diese Seiten nach eigenem Ermessen.“ Ok, ist nicht perfekt übersetzt, aber so in etwa. In diesem Kontext hat „discretion“ nichts damit zu tun, seine Identität zu verschleiern oder so. Das ist einfach nur der übliche Disclaimer unter externen Links. Vielleicht habe ich McCains Seite auch noch nicht zur Genüge erforscht, aber zumindest auf der verlinkten Seite wird nicht gesagt, wie man kommentieren soll. Von Identität verschleiern oder Texte wortwörtlich kopieren steht dort nichts. Und die „Talking Points“ sind teilweise ellenlange Texte, die sicher nicht als Kommentar-Vorlage geschrieben wurden. Können McCain-Fans natürlich trotzdem kopieren, wenn ihnen danach ist, aber ich würde das eigentlich nicht als Aufforderung dazu sehen.

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  4. Hm, das kann sein, dass ich die erwähnte Stelle falsch verstanden habe, Johannes. Da fühle ich mich auch nicht sicher genug im Englischen, um das mit Sicherheit einschätzen zu können.

    Aber auch wenn dem so wäre, finde ich es schon grenzwertig, meine Anhänger dazu aufzufordern, gezielt bestimmte Blogs bzw. Sites mit Kommentaren zu beglücken und dafür dann ein Belohnungssystem aufzubauen. Das klingt doch sehr nach einer Aufforderung zum Spam.

    Zumindest würde ich mir für eine seriöse Aktion wünschen, dass die Unterstützer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sie transparent auftreten sollen bzw. bei Übernahme von Statements die Quelle benennen sollen.

    Alles in allem: Meine ursprüngliche Quelle Todd Defren versteht die Aktion explizit als Aufforderung zur Lüge – und in den Kommentaren (meist durch andere PR-Leute) wird dem Tenor seines Posts überwiegend zugestimmt – ich scheine also mit meinem Urteil nicht ganz allein zu sein.

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  5. Das ist tatsächlich bedenklich, was die McCain Kampagne hier macht. Am Ende ist es der Versuch den neuen Medien mit alter Methodik zu begegnen: beeinflussen, statt überzeugen. Propaganda statt Authentizität. Dieser doch recht agressive Stil zieht sich für mich durch die gesamte Kampagne um McCain, man denke nur einmal an den Vergleich von Obama und Paris Hilton.
    Letztlich ist es aber dann doch interessant zu beoabachten, inwieweit dies die Wahlentscheidung der AMerikaner beeinflussen wird.

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