Gute Entscheidung

Der Chef der kleinen PR-Agentur war nett. Und die Bezahlung sehr fair. Geradezu verlockend, um sich das Studium in freier Mitarbeit zu finanzieren. Dennoch hat eine meiner Studentinnen gestern gekündigt. Warum? Sie konnte es für sich nicht vertreten, für eine Dienstleistung, hinter der sie nicht steht, PR zu machen. Respekt!

Mir gefällt die Entscheidung grundsätzlich – und ohne dass ich die Arbeit der Agentur bewerten kann und will. Denn eine meiner wichtigsten Botschaften in der Lehre ist, dass man hinter dem stehen können muss, wofür man bezahlt wird. Das gilt besonders für die PR, aber auch für den Journalismus oder jeden anderen Beruf. Und da hat jeder seine persönlichen Grenzen. Die sich zu bewusst zu machen und danach zu handeln, ist demnach ein guter Erfolg. Wie schwer das ist, ist mir klar: Schließlich bedeutet eine solche Entscheidung Verzicht auf sicheres und notwendiges Geld. Doch wie viel ist es Wert, dass man in den Spiegel schauen kann?

Die Studentin sucht sich jetzt was Neues, möglichst Nonprofit.

23 Kommentare

  1. Also das finde ich aber relativ normal, das man keine PR für Dinge macht, die man ethisch/moralisch oder sonstwie nicht vertreten kann. Ich war allerdings noch nie wirklich in der Zwickmühle, weiß aber das einige PR Agenturen das extra in ihren Verträgen drin stehen haben, dass Mitarbeiter jederzeit aus Gewissensgründen Jobs ablehnen können. Natürlich ist die Frage dabei, wie das dann in der Realität aussieht.
    Interessanter finde ich noch die Frage, wie ist es, wenn man hinter der Sache/Dienstleistung an sich steht, aber der Auftraggeber Dinge wünscht, die man nicht vertretbar findet: z.B. Fake Blogs, Fake Comments, Spam, irreführende Informationen in der PM oder sowas.

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  2. Ja, das sollte normal sein. Mein Eindruck ist aber, dass viel zu oft die Bequemlichkeit siegt.

    Zu Deiner Frage: Wirklich schwierig. Zunächst natürlich versuchen, den Auftraggeber davon abzubringen. Beratung ist erste Aufgabe eines PR-Menschen. Und wenn das nicht hilft? Denke man muss sich bewusst sein, dass die Chance, dass ein Fehltritt unentdeckt bleibt bzw. in Vergessenheit gerät, immer geringer wird. Man riskiert also als Mitarbeiter, der sich auf solche Dinge einlässt, eine Beschädigung des Auftraggebers, des eigenen Arbeitgebers, aber nun besonders auch der eigenen Reputation.

    Unterm Strich muss man viel sensibler sein als früher – und konsequenter (im Nein-Sagen). In diesem Zusammenhang ja eigentlich eine positive Seite der aktuellen Entwicklung.

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  3. Die Aussage, dass man die Dinge, die man tut, zuallererst vor sich selbst vertreten und gutheißen können muss, finde ich richtig und extrem wichtig. Das sollte – zum Beispiel gegenüber PR-Studenten – immer wieder betont werden. Sie, Herr Pleil, machen das auf jeden Fall schon ausreichend, was ich sehr gut finde. Das Ganze gilt natürlich auch für alle anderen Lebensbereiche. Ein paar Euro mehr bringen die Seele übrigens nur äußerst selten ins Gleichgewicht. ;-)

    Was mich noch interessieren würde, wären konkretere Ausführungen zur von der Studentin abgelehnten Dienstleistung. Sie könnten die Branche nennen oder die geforderten problematischen Tätigkeiten, das würde sicher nicht den Ruf der Agentur zerstören, da sie nicht rekonstruierbar wäre. Oder die Studentin kommentiert hier mal – da würde ich sogar das Kommentieren unter einem Pseudonym akzeptieren…

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  4. Hallo Thomas,

    ich finde die Reaktion der Studentin sehr nachvollziehbar – und kann das nur gutheißen. Was Timos Frage angeht: Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass insbesondere in den Social Media Relations

    1) ein Aufzeigen der möglichen negativen Folgen von Fake-Comments etc. für den Kunden, diesen meistens von der Forderung abbringt

    2) die „Kosten“ für meine eigene Reputation bzw. der Reputation der Agentur mir definitiv zu hoch wären und ich diese Forderungen dann im Zweifel ablehnen müsste.

    Grüße, Bastian

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  5. Grundsätzlich sollte man jeden Tag mit erhobenem Haupt in den Spiegel schauen können. Das muss jeder selbst mit sich ausmachen.
    Pressesprecher beispielsweise werden dafür bezahlt, dass sie im Sinne ihres Arbeitgebers kommunizieren. Ganz hart: sie werden auch fürs Lügen bezahlt, obwohl sie mal gelernt haben -wie jeder, der eine vernünftige Erziehung genossen hat- dass man das nicht macht.
    Ein Mensch, zwei Gesichter. Hier kommt es sicherlich stark darauf an, wie gut man Job und Privatleben trennen kann.

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  6. Ich denke auch, dass ein Hauptproblem die Bequemlichkeit ist. Im Studium spricht man glücklicherweise häufig über Ethik und Moral in Kommunikationsberufen. Ich denke, die meisten Absolventen steigen mit einem hohen Anspruch an sich selbst und ihren gesunden Menschenverstand ins Berufsleben ein.

    Sicher dachten so auch irgendwann mal die „Senior Consultants“. Mich würde mal wirklich interessieren, ab welchem Moment man derartig in dieser Mühle drinsteckt, dass man seine ursprünglichen Prinzipien über den Haufen wirft oder sie zumindest des Arbeitsplatzes wegen verdrängt.

    Das kann ich mir selbst noch nicht beantworten, denn ich stehe selbst erst am Anfang…

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  7. @Jens Dörr: Es handelt sich nicht um Produkte, die offensichtlich auf Ablehnung stoßen, sondern um Dienstleistungen, mit denen viele Menschen allgmein akzeptiert ihr Geld verdienen. Doch überall gibt es Geschäftsmodelle, die vom Einzelnen unterschiedlich bewertet werden.

    Da eben diese Bewertung sehr individuell ist, wollte ich’s nicht konkreter bringen….

    @Uwe Knaus: Das mit dem Trennen von Beruf und Privatleben ist so eine Sache, finde ich. Denn auch im privaten Umfeld wird man doch immer wieder mit seinem Beruf bzw. dem Handeln darin konfrontiert. Aber Sie haben Recht: Viel zu oft wird das Lügen, Auslassen, Zurechtbiegen erwartet. Da hilft aus meiner Sicht nur, sich über die eigene Schmerzgrenze klar zu werden. Der derzeit mancherorts diskutierte Ansatz, so etwas für normal bzw. akzeptabel zu erklären, behagt mir da gar nicht.

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  8. Finde auf jeden Fall, dass die Studentin eine sehr mutige Entscheidung getroffen hat, für die sie Respekt verdient.

    Sucht sie die neue Stelle in der Umgebung von Darmstadt? Oder könnt’s auch weiter weg sein?

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  9. @Thomas & @Bastian: ja nee ich mein ja auch eher so als studentische Aushilfe in der kleinen PR Agentur. Wenn da der Cheffe zu dir sagt mach ma Verteiler mit den 50 meistgelesensten Blogs und dann schick die PM an die, da brauchst du als Aushilfe schon auch ein gutes Selbstbewußtsein und Standing, um dann zu sagen: nee, so ist das ja Quatsch, das geht anders und kostet viel mehr Zeit und Geld. ;)

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  10. @Christian: Umgebung von Darmstadt wäre schon besser, sonst vermisse ich sie zu oft in den Seminaren ;-)

    @Timo: ah, so meintest Du das. Klar, da stimme ich Dir zu.

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  11. Auch noch ein Kommentar aus Sicht eines Agentur-GFs: Ich finde es prima, dass die Dame den Job geschmissen hat, denn PR ist so spannend und vielseitig, dass es nicht zu kognitiven Dissonanzen bei der Arbeiten kommen sollte/darf. Agenturen haben zuweilen Grundsätze, nach denen sie leben und handeln – wenigstens bei uns, der Sympra GmbH (GPRA), gibt’s so etwas. Bei einem Bewerbungsgespräch sollte man danach fragen, während der Tätigkeit in der Agentur sollte man das Einhalten dieser Leitlinien regelmäßig überprüfen, an der Realität messen. Abweichungen rechtfertigen mindestens eine kritische Diskussion mit der Agenturleitung, schlimmstenfalls das Ende des Engagements.

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  12. Ich finde den Beitrag von Julia Friedl hier ganz spannend und möchte dazu anmerken: Wenn du ein winzig kleines Rädchen im gigantischen Uhrwerk eines paneuropäischen Agenturnetzwerks bist, kannst du dir die Frage nach dem Zeitpunkt, an dem sich die Seele eines Seniors „schwarz verfärbt“ leicht selbst beantworten (weil oftmals zu erleben): Wenn dem/der Senior bewusst wird, dass sein/ihr Standort Gefahr läuft, weit hinter der geforderten Umsatzsteigerung von XX% gegenüber dem Vorjahr liegen zu bleiben. Tja dann, scheint es so, als würde der reine Selbsterhaltungstrieb ethische Bedenken manchmal in ein kleines Zimmer, im hinteren Teil des moralischen Hauses versperren…

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  13. @Andreas:
    Und die Türe zu dem kleinen Zimmer bleibt dann vermutlich für immer verschlossen – selbst wenn man irgendwann auch mit ethischen Grundsätzen wieder zur geforderten Umsatzsteigerung kommen könnte (?)
    Sonst müsste man ja sein Verhalten in der Vergangenheit plötzlich hinterfragen? Einmal schwarze Seele, immer schwarze Seele? Oder dann halt der komplette Ausstieg bzw Umstieg in die Professur (so geschehen bei meinem PR-Prof).
    Bin mal gespannt ob die Studentin sich ihren Grundsätzen in Zukunft treu bleiben kann. Hoffe doch!

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  14. @Julia Friedl und @Andreas: Ich kenne einige Leute, die sich in (oft großen) Agenturen nicht mehr mit dem wohl gefühlt haben, was sie dort taten und sich deshalb selbst eine Agentur gegründet haben…

    Und klar, mit einer Professur ist man in solchen Belangen auf der einfacheren Seite, da fühle ich mich auch wohl ;-)

    Die von Veit Mathauer erwähnten Grundsätze sind für den Agenturalltag sicher ein wertvoller Baustein – viele gehen ja soweit, dass sie für sich bestimmte Kunden von vornherein ausschließen (das habe ich in meiner Zeit als PR-Berater auch getan). Dass mit solchen Grundsätzen nicht alle Situationen erschlagen werden können, ist klar; aber allein deren Existenz ist schon einiges wert.

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  15. Vergangene Woche führte Petra Sammer auf dem media coffee blog eine ähnliche Diskussion rund um das Thema Ethik und PR http://www.mediacoffee.de/petrasammer/item/536. Leider kriegen wir fast täglich aufgezeigt wie es um die Moral einiger PR-Verantwortlichen gestellt ist. Da gibt es irgendwelche pseudo-CSR Kampagnen, die lediglich der Absatzsteigerung dienen und bei weitem nicht in dem Maße helfen, wie es in Werbung und Co. „versprochen“ wird, oder der jüngste Fake-Comment-Aufruf des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain https://thomaspleil.wordpress.com/2008/08/11/mccain-der-netzverschmutzer/, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. In beiden Fällen scheint kein PR-Berater seinen Mann gestanden und Aufklärungsarbeit geleistet zu haben. Wenn es schon für gestandene PR-Profis, die sich in der Branche bereits etabliert haben und es leichter haben einen neuen Job zu finden, schwer ist moralisch integer zu handeln kann man vor der Entscheidung meiner Studienkollegin nur den Hut ziehen.

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  16. Sehe ich auch so.

    Wobei ich eines (zumindest ein wenig) relativieren möchte: In Blogs – auch hier – werden Beispiele schlechter PR besonders gern diskutiert. Tagtäglich machen natürlich Tausende einen ordentlichen Job. Aber den größten Lerneffekt/bzw. das größte Diskussionspotenzial haben nun mal die extremen Beispiele (auch im Positiven) :-)

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  17. Mit den Spannungen die sich zwischen dem eigenen Anspruch und den Wünschen der Kunden ergeben muss man ja nicht nur in der PR leben. Aber da man auch als PR-Mensch zum Beispiel durch die Kontaktangaben unter einem Pressetext „öffentlich“ wird, ist es hier besonders wichtig, zu Entscheidungen und Maßnahmen stehen zu können.
    Ich erinnere mich durchaus an Fälle, in denen man als Agentur dem Kunden gesagt hat, dass man natürlich als Dienstleister die Aufgabe der Distribution übernimmt, aber nicht als Ansprechpartner auf einer PM stehen möchte, da man von der Verbreitung abgeraten hat und daher nicht als Kontakt zur Verfügung steht. Schwierig genug.
    Das mit dem Spiegel in den man schauen können muss betrifft (und auch das gilt nicht nur für Agenturen) aber sowohl die Inhalte mit denen man arbeitet als auch den Umgang mit Kollegen. Auch hier ist es wichtig früh genug aufzubegehren und im Zweifelsfall Konsequenzen zu ziehen. Gerade wenn es um die ersten Berufsjahre geht. Denn verrückterweise habe ich schon häufig erlebt, dass Menschen unter Stress oft in die Muster zurückfallen, die sie in den prägenden Ausbildungsjahren erlernt haben. Da werden dann Kollegen zum Choleriker, die wegen eines cholerischen Ex-Chefs den Job gewechselt hatten.
    Und was (um auf die inhaltlichen Dinge zurückzukommen) Social Media Relations angeht, stimme ich Bastian völlig zu. Natürlich gehört ein gerüttelt Mass an Chuzpe dazu einem Kunden zu sagen, dass man kein Astroturfing für ihn betreiben wird und dass seine Vorstellungen der Unterwanderung von Social Media ihn nicht ans Ziel sondern in die Krise bringen können. Aber wenn PR sich als Beratungs- und nicht als rein handwerkliche Dienstleistung verstehen möchte gehört „nein“ sagen dazu. Denn ganz so ungeniert lebt es sich eben doch nicht auf Dauer – selbst wenn der Ruf der Branche ruiniert sein mag.
    Das sehe ich im übrigen als die Chance die das Thema Social Media Relations den Public Relations bietet. Sich wieder darauf zu besinnen, um was es eigentlich geht bei dieser Profession. Beziehungen und Vertrauen. Nicht nur mit Medien als Multiplikator sondern mit Menschen ganz gleich ob es sich bei ihnen um Journalisten, Kunden, Dienstleister, Experten oder Blogger (die im Zweifelsfall alles davon auf einmal sein können) handelt. Menschen mögen nicht belogen werden. Menschen möchten angehört und verstanden werden und nicht mit Produktinformationen und hohlen Statements zugeschüttet werden.
    Das einem Produktmanager zu erklären, der ein Konzept für „indirekte Verkaufs-PR“ haben möchte, ist dann aber leider wieder eine ganz andere Geschichte …

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  18. Danke schön für diesen ausführlichen und hilfreichen Kommentar.

    Das Argument, dass man in der PR die Pflicht zur Beratung hat (und damit auch, den Kunden oder die eigene Agentur vor Fehlern zu bewahren), kann man nicht genug betonen. Ob das im Zweifelsfall wirklich stattfindet, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Agenturintern hat das sicher mit Unternehmenskultur zu tun; in der Kundenbeziehung mit dem Standing einer Agentur. Und dazu gehört auch der finanzielle Aspekt: Von einer Aktion abzuraten bedeutet oft auch (zumindest für den Moment) auf Umsatz zu verzichten. Aber ich gehe davon aus, dass sich dies langfristig dennoch bezahlt macht.

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  19. @Thomas: („Ich kenne einige Leute, die sich in (oft großen) Agenturen nicht mehr mit dem wohl gefühlt haben, was sie dort taten und sich deshalb selbst eine Agentur gegründet haben…“) … oder sich aufgrund der Erfahrungen gegen eine Führungsposition in einer großen Agentur entschieden haben und statt dessen freiberuflich als Beraterin arbeiten. Ich zum Beispiel. ;-)

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