Pressearbeit und Online-Redaktionen – ein blinder Fleck?

Wenn ich mir die Diskussionen (ein Beispiel) um PR der letzten Wochen und Monate vor Augen führe, scheint es da einen blinden Fleck zu geben: Nur selten wurde nach meiner Wahrnehmung die Rolle von Online-Redaktionen und die Frage, wie PR-Leute und Online-Journalisten zusammenarbeiten können, diskutiert. Pressearbeit online – eine vernächlässigte Disziplin?

Ein paar Teilantworten finden sich in einer kleinen Umfrage der Kommunikationsagentur Flutlicht unter Online-Journalisten – und sehr passend: Just gestern Abend war ich eingeladen, mit Andeas Nölting, Chefredakteur von manager-magazin.de, und Hartwin Möhrle, Geschäftsführer der PR-Agentur A&B One, die Rolle des Online-Journalismus und Konsequenzen für die PR zu diskutieren. Ohne auf die Diskussion bzw. die Umfrage vollständig einzugehen, will ich hier ein paar Dinge notieren.

  • Nölting betonte, dass die führenden Online-Medien für die Berichterstattung in den nachfolgenden Medien (z.B. Abendnachrichten im Fernsehen, Tageszeitugen) häufig den Rahmen vorgeben. An vielen Beispielen zeige sich, dass die Einordung, die Bewertung und die hergestellten Zusammenhänge der Onlne-Medien später auch in anderen Medien zu finden sei. Ein solches Framing (das m.W. wissenschaftlich noch kaum untersucht ist) hat natürlich enorme Bedeutung für Kommunikatoren.
  • Allerdings waren wir uns in der Diskussion einig, dass dieser Zusammenhang sowohl von Unternehmenskommunikatoren wie auch von Managern nur ungenügend wahrgenommen wird.
  • Zwar ist es häufig so, dass Pressesprecher mit Print-Journalisten zu tun haben, deren Artikel zunächst online gestellt werden und damit Print und Online gleichermaßen bedient werden, jedoch bin ich der Überzeugung, dass bei der Aufbereitung von Informationen für Online-Medien noch viel Nachholbedarf besteht. Vermutlich ist das Problem sogar noch grundsätzlicher: Mir scheint, dass viele Unternehmenskommunikatoren eigenständigen Online-Redaktionen (also die nicht nur Content von den Print-Kollegen übernehmen), nicht als solche wahrnehmen. Anders ausgedrückt: Vielen ist nicht klar, wie Online-Redaktionen überhaupt organisiert sind.
  • Auch andere Teilnehmer der Diskussion beklagten eine Fixierung vieler Manager und PR-Leute auf Print. Typischer Effekt: Ein Artikel in der FAZ werde als wahnsinnig wichtig bewertet, während eine Exklusivstory auf faz.net (willkürliches Beispiel) deutlich geringer geschätzt wird – was sich übrigens oft auch in der Aufbereitung der täglichen Pressespiegel zeigt.
  • Interessant fand ich die Bemerkung von Nölting, dass Informanten immer häufiger gezielt Online-Redaktionen ansprächen, weil sie sich so eine größere Verbreitung ihres Themas erhofften.
  • Einige Dinge, so meine ich, könnten Unternehmenskommunikatoren ohne großen Aufwand Online-Journalisten bieten: Zum Beispiel Bilderstrecken statt nur eines Fotos, Links zu Hintergrundmaterialien, netztaugliche Grafiken, ein Interview mit dem CEO per Videokonferenz, Updates zu Informationen etc. (ja, da kommen wir in Richtung Social Media Newsroom). Und so weiter.

Offensichtlich sehen viele Online-Journalisten ähnlichen Nachholbedarf.  Dies jedenfalls legt die erwähnte Flutlicht-Befragung (pdf) nahe. An dieser nicht nicht-repräsentativen Untersuchung haben 160 Journalisten teilgenommen. Die Aussagekraft vieler Ergebnisse ist jedoch nach meiner Einschätzung nur mäßig, da ich viele der Fragestellungen nicht für optimal halte. Deshalb verzichte ich darauf, einzelne Ergebnisse hier zu diskutieren.

Auch nicht detailliert eingehen möchte ich auf  ein so genanntes Manifest, das Trendbüro und Ketchum zum Thema Identitätsmanagement heute veröffentlicht haben. Dahinter verbirgt sich eine Art Workshop-Protokoll, in dem ziemlich vieles zusammengetragen wurde, was zum Wandel von Medien und PR in den letzten Jahren ausgiebig diskutiert wurde, wie die PR-Bloggerinnen Heike Bedrich und Doris Eichmeier süffisant feststellen.

Um nochmal auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Klar ist, dass zum Thema Pressearbeit und Online-Redaktionen noch einiges zu hinterfragen wäre („Diplom“ winkt der Zaunpfahl). Dabei meine ich weniger künftige Lösungsansätze, sondern vor allem gegenwärtige Praktiken – und die haben nicht nur mit der Qualität des Newsrooms zu tun. Wie erleben Sie dieses Thema? Bereiten Sie als PR-Experte z.B. Informationen für Online-Journalisten anders auf, timen Sie anders? Bzw. werden Sie als Online-Journalist von der PR anders behandelt?

10 Kommentare

  1. Mir fällt eine kleine Merkwürdigkeit auf, die mir so ganz nebenbei bestätigt, wie wenig Online auch bei solchen Mitteilungen zu dem Manifest eine Rolle spielt.

    Da lautet der Titel „PR der Zukunft muss sich radikal ändern“ und der Link weist auf … ein Quasi-Printformat hin (PDF). Warum nicht auf einen Newsroom, wo zwar auch als PDF-Datei downloadbar, aber eben auch mit Online Formaten (z.B. Verlinkungen, Media Files, Embeds wie Slideshare, Scripd).

    Vielleicht ist es auch ein Typo und der Titel sollte lauten: „PR muss sich (A.d.V.: irgendwann) in der Zukunft radikal ändern“ :-)

    Like

  2. Das Ganze ist mir wirklich schleierhaft: Eigentlich muss doch klar sein, dass so ein Teil mit dieser Kommunikation und in dieser Form nach hinten losgehen muss….

    Like

  3. Oft findet ja auch nur eine reine Zweitverwertung online statt. Dies macht sich insbesondere immer dann bemerkbar, wenn z.B. Verlinkungen im Online-Artikel fehlen. Es ist offensichtlich, dass an diesem Verhaeltnis vieles nicht stimmt und es dringenden Nachholbedarf gibt, dieses Zusammenspiel zu optimieren.

    Like

  4. Ja, vor allem bei regionalen Angeboten fällt dies noch immer immer wieder auf. Neulich erzählte mir eine Studentin, dass sie vertretungsweise allein Online-Redaktion zu spielen habe. Dass solche Redaktionen kaum Zeit für eigene Recherchen haben, ist klar. Da kann es schon nützlich sein, wenn eine Presseinfo gleich ein kleines Linkpaket enthält. Andererseits scheint mir die gleichzeitig Hypothese plausibel, dass wirkliche Online-Redaktionen (die teilweise immerhin 20 bis über 100 Redakteure beschäftigen) von einigen PR-Leuten nicht richtig wahrgenommen werden.

    Like

  5. @Thomas Vielleicht ist es tatsächlich ein Wahrnehmungsproblem für die wirklichen Online-Redaktionen. Allerdings denke ich da an ein wirksames Gegenmittel für mangelhafte Wahrnehmungen und fehlende Beziehungen:

    Die wirklichen Online-Redaktionen sollten Public Relations betreiben :-)

    Like

Kommentare sind geschlossen.