Schafft sich die PR selbst ab?

Es ist wohl eine der irritierendesten Thesen zu Public Relations, die ich seit langem gehört habe: „PR“, so David Phillips, „ist auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen.“ Autsch. Wer sagt denn denn sowas? Und wie kommt er drauf? Vorneweg: Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr stimme ich David zu, wenn wir sein Statement als Beschreibung eines Risikos sehen.

Aber von vorn. David Phillips ist PR-Praktiker und lehrt gleichzeitig an der University of Gloucestershire. Ende der 90er Jahre war er in Europa unter den Ersten, der von Online-PR gesprochen und diese im vermutlich ersten Buch dazu skizziert hat. Nachdem sich David vergangene Woche bereits in seinem Blog Sorgen um die Zukunftsfähigkeit der PR-Forschung gemacht hat, legte er in seinem Eröffnungsvortrag zum Euprera Spring Symposion 2011 (ehemals Euroblog-Konferenz) mit dem zitierten Statement nach. Das Publikum: PR-Forscher aus Europa, Studenten v.a. der gastgebenden Lissabonner Universität und ein paar wenige PR-Praktiker.

Doch wie kommt David nun zu seiner in manchen Ohren steil klingenden These – gerade in Zeiten, in denen andere warnen, die PR fresse den Journalismus? David betrachtet nicht das Verhältnis zwischen den Berufsfeldern Journalismus und PR und nicht den (wie ich meine ohnehin problematischen) Vergleich der Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze dieser Gebiete. Viel wichtiger ist ihm das adademische Potenzial der PR und die Position, die PR in Organisationen tatsächlich hat. Dabei geht er davon aus, dass die Entwicklung der PR-Forschung und das Standing der PR in der Praxis in Zusammenhang stehen.

Was heißt das konkret? In der von David Phillips angestoßenen Diskussion geht es um die Entwicklung des akademischen Feldes der PR und um die Frage, wer sich vor allem in Unternehmen um wichtige Fragen kümmert, in denen es um strategische Ausrichtung und damit eine Managementfunktion geht. Für David hängen Antworten auf viele dieser Fragen mit digitalen Prozessen wie sie sich auch durch Social Media zeigen, zusammen. Wir sind in Darmstadt solchen Zusammenhängen ja auch immer wieder nachgegangen. Ich meine damit nicht nur Fragen der PR und des Reputationsmanagements, sondern auch der Unternehmenskultur und -führung (auch: Enterprise 2.0), des Innovations- und Wissensmanagements etc. Das Problem aus PR-Sicht: Zwar erkannte die PR im Vergleich zu anderen Disziplinen den Wandel in Stakeholderbeziehungen, neue Kollaborationsmöglichkeiten etc. ziemlich früh, doch in der Praxis sind Social Media längst hauptsächlich ein Marketingthema. Und dies wiederum zeigt, so David, ein Problem der akademischen PR: Während in den Wirtschaftswissenschaften zum Beispiel binnen kürzester Zeit sich eine Menge Forscher mit den Veränderungen durch neue Kommunikationsmittel zu beschäftigen begannen, hat sich das ohnehin seit 30 Jahren klein gebliebene Häuflein von PR-Forschern bisher eher zögerlich mit den Veränderungen der eigenen Disziplin beschäftigt.

Für mich hallt die These von der Selbstabschaffung der PR (die sicher einige, die PR noch nie mochten, befriedigt) lange nach. Ann Gregory, PR-Professorin in Leeds und Direktorin des dortigen Centre for Public Relations Studies spannte in der Abschlussdiskussion zur Konferenz wieder den Bogen und brachte es so auf den Punkt: PR, so argumentierte sie, habe die Aufgabe, Risiken für Organisationen zu minimieren. Gemeint sind damit zunächst Reputationsrisiken. Gerade in einem Zeitalter der Transparenz und dem Ende des Command/Control-Paradigmas muss PR zuerst zuhören und nach innen in ein Unternehmen arbeiten, damit Risiken verringert werden. Das mögen kurzfristige Reputationsrisiken sein, aber auch Risiken, die die License to operate betreffen oder zum Beispiel auch das Risiko, nicht genügend gute Mitarbeiter zu gewinnen etc. Die Frage ist, ob PR diese Managementrolle, von der James Grunig und Kollegen bereits in den achtziger Jahren (und vor kurzem) gesprochen haben, auch wirklich inne hat bzw. künftig haben wird.

Ich zweifle hieran zunehmend. Denn nach meinem Eindruck hat sich das Standing der PR innerhalb von Unternehmen in den letzten 25 Jahren nicht deutlich entwickelt. Vielleicht auch, weil hierfür mehr Forschung bzw. ein viel stärkeres Auftreten der Forschung notwendig wäre – beispielsweise mit Blick auf die Betriebswirtschaft. An einem praktischen Beispiel: Im Zweifelsfall geht es nicht nur darum, Stakeholder zu beschwichtigen, wenn diese ein Unternehmen kritisieren, sondern auch Ursachenforschung zu betreiben und ggf. strategische Verhaltensänderungen eines Unternehmens einzuleiten. Von dieser Position sind viele PR-Praktiker nach meinem Eindruck noch ein ganzes Stück entfernt.

Im Prinzip benötigen wir mehr eigenständige und auf hohem Niveau stattfindende Qualifikationen für PR-Manager: Masterstudiengänge und Promotionsmöglichkeiten (bitte dringend auch für den Nonprofit-Bereich), dann werden gleichzeitig auch mehr Forschungsprojekte durchgeführt. Aus der kommunikationswissenschaftlichen Ecke sehe ich da aber wenig Neues. Auch in Darmstadt wird es zum Beispiel in nächster Zeit keinen PR-Master-Studiengang geben – das ist ein einfaches Ergebnis der lokalen Arithmetik. Vermutlich werden wir PR-Leute uns damit abfinden müssen, auf einer handwerklichen Ebene (als PR-Techniker) gefragt zu bleiben, die Managemententscheidungen zu wichtigen Zukunftsthemen einer Organisation werden vermutlich aber nur gelegentlich von PR-Leuten nennenswert beeinflusst.

Schafft sich damit die PR wirklich ab? Mittelfristig sehe ich für gut ausgebildete Absolventen in der PR weiterhin sehr gute Einstiegsmöglichkeiten in interessante Jobs. Und einige von ihnen werden sich sicher auch im Lauf ihrer Karriere sehr gut entwickeln und in Managementrollen hineinwachsen. Auf längere Sicht jedoch stellt sich mir tatsächlich die Frage, ob sich die PR-Disziplin so entwickelt, dass sie einen nachhaltigen Beitrag zu den wichtigen strategischen Fragen in Unternehmen und Organisationen leisten kann. Um es klar zu stellen: Hier geht es nicht um PR vs. Journalismus. Wichtiger ist aus meiner Sicht, dass PR-Vertreter mehr mit Ökonomen, aber auch mit technisch orientierten Kollegen wie Wirtschaftsinformatikern zusammenkommen, und es wäre wünschenswert, wenn die akademische PR-Community etwas wachsen würde. Ich meine, dies wäre schon allein deshalb sinnvoll, weil eine kommunikations- bzw. gesellschaftswissenschaftliche Orientierung andere (z.B. wirtschaftswissenschaftliche) Konzepte gut ergänzen kann – die Entwicklungen hin zu mehr Transparenz etc. erfordern künftig vergleichsweise mehr Kommunikations- als Vermarktungsprofis. Und eine zweite Strategie scheint mir aus PR-Sicht sinnvoll: Neben der Grundlagenforschung erscheint eine enge Vernetzung der Hochschulen mit der Praxis wünschenswert, so dass die gegenseitige Wahrnehmung deutlicher wird. Hierzu berichte ich in Kürze.

Update, 8.März: Mirko Lange hat diesen Artikel zum Anlass für einen eigenen Artikel genommen. Lesenswert!

41 Kommentare

  1. Das Argument von David Phillips ist mir nicht ganz klar: Nur weil die PR Social Media stärker verschlafen hat als andere Disziplinen, schafft sie sich doch nicht selbst ab, oder?

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  2. Hm, sorry, wenn das nicht richtig rüberkam.

    Es geht ihm darum, dass es PR über Jahre nicht geschafft hat, die aus seiner Sicht notwendige Akzeptanz in Unternehmen zu bekommen. Ähnliches gilt für Berater: Das Standing von Unternehmensberatungen und PR-Agenturen sieht er als weit voneinander entfernt.

    Wenn dann auch noch Social Media Media verschlafen werden – die eigentlich _die Chance für eine bessere Positionierung der PR böten – kann sich dies zum weiteren Bedeutungsverlust führen.

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    1. Absolut.

      Ich beginne mal mit ein paar Spekulationen:
      – Es gibt zu wenig Forschungskapazität, weil PR innerhalb der Kommunikationswissenschaft eher unbeliebt ist
      – Das Bologna-System und die in den meisten Bundesländern üblichen Kapazitätsberechnungen zur Finanzierung von Studiengängen erschweren das Schaffen neuer PR-Masterstudiengänge
      – David hat zu Recht auch betont, dass PR ohne Technikverständnis heute nicht mehr erlernt (und gelehrt) werden kann – in weiten akademischen Kreisen (zumindest unter Kommunikationswissenschaftlern) unterstelle ich eine gewisse Technikferne
      – die oft enge Anbindung an den Journalismus ist strategisch problematisch
      – es gibt Akademiker, deren Rollenverständnis auf deutliche Distanz zur Praxis abzielt.

      Plausibel? Ergänzungen?

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      1. Ergänzend dazu würde ich noch die Behauptung aufstellen, dass durch die veränderten und erschwerten Bedingungen in Organisation und Bürokratie für viele Praktiker der Reiz genommen wurde die Seiten zu wechseln und sich den wissenschaftlichen Aspekten der PR zu widmen.

        Darüber hinaus sehe ich die extremen „Geschwindigkeitsänderungen“ als ein Hemmnis für Wechselwillige. Die Praxis ist – insbesondere in den letzten Jahren – unglaublich dynamisch geworden, während die Forschung, wie du es schon richtig gesagt hast, nur sehr zögerlich und schleppend auf diesen Wandel reagiert hat.
        Mir selbst fehlt es diesbezüglich nicht an grundlegendem Wissen und Verständnis für das Ticken beider Seiten, da sich meine Erfahrungen, wenn auch im begrenzten Maße, durch meine noch überschaubaren beruflichen Merithen sowie unsere gemeinsame Forschungsarbeit in Grenzen halten. Allerdings kann ich mir persönlich gut vorstellen, dass die Forschung im Vergleich zur Praxis schlichtweg zu wenig „Action“ bietet, um die Vor- und Querdenker der aktuellen Berufswelt (eine entsprechende institutionelle Ausbildung vorausgesetzt) in die Wissenschaft zu lotsen. Sprich jene, die gerade von diesen Dynamiken leben und profitieren, da sie viel eher vorausschauend und weniger rückblickend-analysierend agieren.

        Aber das sind nur sehr steile Thesen meinerseits ;)

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      2. Ich würde noch ergänzen: Es liegt allein an fehlenden wirtschafts- und organisationswissenschaftlichen Kenntnissen, dass viele PR-Fachleute nicht allzu sehr in die Entwicklung der UNTERNEHMENS-Strategie eingebunden sind.

        Vielmehr scheint es an der Bereitschaft zu fehlen, zielstrebig an einer Art „Business-PR-Alignment“ mit zu wirken: der engst möglichen Verbindung von Unternehmens- und PR-Strategie.

        Eine solche Bereitschaft würde es nämlich erforderlich machen, die – durchaus vorhandenen – Controlling- und Reportingframeworks endlich ohne Murren und flächendeckend einzusetzen: Erstens ist erst mit diesen das Anstreben eines Alignments nämlich möglich; zweitens würde erst ein solches Reporting aufzeigen, wo „Kommunikation“ allein nicht reicht und wo echtes Handeln, d.h. echte Veränderung gefragt ist.

        Solange PRler ihren Wertbeitrag ebenso selten darstellen wie die Grenzen ihrer Arbeit, und solange sie ihre Kenntnisse hinsichtlich Stakeholder-Einstellungen einfach weitermelden, statt sie in klare Change-Empfehlungen und -Prozesse umzuwandeln, werden sie bei strategischen Entscheidungen nicht nach ihrer Einschätzung gefragt. Niemand wird sie ihre Ziele „bottom up“ in den Businessplan integrieren lassen. Wozu auch?

        Dass die PR sich damit „selbst abschafft“ glaube ich deshalb nicht. Sie gibt sich lediglich mit der Sprecherrolle zufrieden – statt Management- gibt’s also Sprachrohr-, Schönredner- und Grünwäscher-Aufgaben. Schade eigentlich …

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      3. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt wieder melde, aber ich war „nach Diktat verreist“ ;-)

        Ich schlage vor, mit Blick auf die Wissenschaft noch grundsätzlicher, sprich außerhalb des deutschen akademischen Betriebes anzusetzen, also bei den Grundlagen.

        Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen arbeitet die PR-Wissenschaft denn derzeit? Gibt es überhaupt eine PR-Wissenschaft, oder ist das, was wir PR-Wissenschaft nennen, nicht eher eine PR-Lehre, die primär auf betriebswirtschaftliche Ansätze referenziert und sich dabei vor allem strukturalistischer Ansätze bedienen, wie das Howard Nothaft und Stefan Wehmeier auf der DGPuK-Tagung sehr präzise herausgearbeitet haben? http://www.communicationmanagement.de/fileadmin/cmgt/News-Dateien/DGPuK-2010/Nothhaft-Wehmeier-DGPuK-2010-Leipzig.pdf

        Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Auf dieser Grundlage hat Ansgar Zerfaß eine sehr erfolgreiche Forschungsagenda etabliert, und die PR- bzw. Kommunikationsmanagementforschung qualitativ gegenüber dem Rest der Marketing- und Kommunikationsdisziplinen nicht nur emanzipiert, sondern ihr eine Vorreiterrolle erarbeitet.

        Aber, um es mal ganz pragmatisch zu sagen: Klüger sein als die Betriebswirte und Marketingmanager ist weder schwer, noch garantiert es die Anerkennung, die man für sich beansprucht. Wer in Organisationen – und auch die Universität ist eine solche – Macht aufbauen will, muss praktische Probleme lösen, und zwar praktische Probleme, die über die Kommunikationsprobleme hinausgehen.

        Die PR-Wissenschaft (was auch immer das sein soll), bietet dafür sicher viele gute Ansätze. Ich gehe soweit zu sagen, dass in einer durch das Internet-geprägten, vernetzten Kommunikationsgesellschaft, unternehmerische Strategien und auch strategische Beratung, immer Kommunikationsstrategie bzw. Kommunikationsberatung ist. Und ich gehe sogar noch weiter und sage: Das war auch früher schon so.

        Warum das so ist und wie man erforschen könnte, ob das so ist, dazu nur einen Vorschlag (alles andere sprengte den Rahmen eines Kommentars): Statt wie bisher vor allem zu fragen, was Kommunikation und PR aus Perspektive einer Unternehmung oder einer Organisation zu deren gelingen beitragen können (Strategiegebundenheit der PR), schlage ich vor, zunächst zu klären, was denn Unternehmungen, Organisationen, soziale Systeme aus Sicht der (öffentlichen) Kommunikation sind.

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  3. 1. Ich sage immer: Mein Job ist dann erledigt, wenn ich nicht mehr gebraucht werde. Es liegt in der Natur jeder Tätigkeit mit starker Beratungskomponente -sofern sie ernsthaft ausgeübt wird -, dass sie sich à la longue überflüssig macht. Wären die PR schon soweit, dass sie sich selbst abschafften, dann wäre ja alles in bester Ordnung.
    2. Die Ausrede auf die Forschung und die Lehre ist eine billige, die der Praxis immer dann über die Lippen kommt, wenn sie mit ihrem Latein am Ende ist. Ist ja auch irgendwie verständlich, oder? Nun denn, liebe Forscher und Lehrer gebt mal ordentlich Gas, damit wieder was weiter geht!

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    1. So ganz kann ich diese Position nicht nachvollziehen.

      zu 1: Gerade in Zeiten, in denen die Politik augenreibend feststellt, dass sich die Öffentlichkeit wandelt und auch Unternehmen merken, dass Ansprüche von Stakeholdern klarer und mit weitaus mehr Nachdruck diskutiert werden, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass wir einen abnehmenden Bedarf an Kommunikation haben. Vielmehr gehe ich davon aus, dass ein „Weiter so“ in mancherlei Hinsicht nicht mehr klappen wird.

      zu 2: Den Ball nehme ich gern auf. Aber Gas geben kann ein Forscher längst nicht mehr im Elfenbeintürmchen, sondern Innovationen entstehen in Netzwerken. Dazu braucht es eine enge Kooperation zwischen Praxis und Forschung – und beide Seiten müssen hier in die Gänge kommen. Die Forschungsperspektive habe ich dargestellt, zur Praxis müsste ein wichtiger Punkt ergänzt werden: Projekte kosten Geld. Während es in der Informatik oder in der BWL vollkommen üblich ist, auch einmal einen Doktoranden zu finanzieren, um eine relevante Frage erforschen zu lassen, so kämpfe ich bisher darum, vier- oder niedrige fünfstellige Beträge einzuwerben. Da ist das Geschäft bisher noch sehr mühsam und die Brötchen sind entsprechend klein. Ganz zu schweigen von Stiftungsprofessuren…

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  4. Ebene (als PR-Techniker) gefragt zu bleiben, die Managemententscheidungen zu wichtigen Zukunftsthemen einer Organisation werden vermutlich aber nur gelegentlich von PR-Leuten nennenswert beeinflusst -> das sehe ich in der Praxis ähnlich. So lange PR-Manager Teil der Implementierung sind und nicht Teil der Unternehmensstrategie, kann sich nicht viel ändern und wird auf der Ebene der Kommunikationsstrategie stecken bleiben. Ein Masterstudium PR oder gar Promotionsmöglichkeit müßte daher weit über das Thema PR hinausgehen. Wie viele PR-Manager sitzen denn tatsächlich bei strategischen Entscheidungen auf Vorstandsebene mit am Tisch und NICHT anschließend zum persönlichen Update-Gespräch mit ‚ihrem‘-Vorstand?

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  5. Für mich schimmert hier ein wenig die Diskussion „Wem gehören Social Media“ durch. Zwar nur ganz leicht aber ich fühle mich schon daran erinnert. Aber lassen wir dieses Thema vorerst mal draußen. An der Uni hörte ich damals (1993-1999) von PR als Managementfunktion. Gute Unternehmen wären jene, in denen der PR-Beauftragte in der Hierarchieebene (grafisch dargestellt praktischerweise als oben spitz zulaufender Kegel) möglichst weit oben also an den Schaltstellen des Unternehmens positioniert ist. Je weiter oben desto mehr Managementfunktion sozusagen. Gibt es diese spitz zulaufenden Kegel heute noch? Ja, aber zunehmende anders und mit Betonung auf „noch“. Jetzt lese ich hier, dass zwischen dem, was ein Unternehmensberater und dem was ein PR-Berater für ein Unternehmen tun kann bzw. landläufig tun, Welten liegen. Ich sehe das auch so und versuche mich entsprechend zu entwickeln. Die Sicht vieler Unternehmenslenker auf Public Relations ist eine sehr eindimensionale. Klar geht es dabei um viele interessante und auch zweifellos wichtige Themen. Am Endes des Tages jedoch geht es um Handfestes, so die weit verbreitete Meinung. Und wenn es um derlei Fragestellungen geht, ist der Unternehmensberater die wichtigere Adresse. Oder wird als diese zumindest gesehen. Aber hier ist die PR schlicht und ergreifend gefordert. Je eindimensionaler der PR-Berater nämlich sein eigenes Tun sieht bzw. seinen Job versteht, desto schwer wird er auch seinem Auftraggeber klar machen können, dass PR sehr wohl Charakter einer Managementfunktion haben, sehr wohl darüber hinaus gehen, den Spin zu optimieren, zu sagen, wann wir was an wen kommunizieren, etc. Sehen wir uns doch mal an, wie bzw. wohin sich angesichts dieser Debatte PR-Agenturen entwickeln. Ganz interessant. Sie verbreitern ihren Tätigkeitsbereich! Sie bilden als PR-Agentur (als die alleine sie sich jedoch nicht mehr länger verstehen) Disziplinen übergreifende Teams. Sie entwickeln sich für ihre Auftraggeber zu Sparring-Partnern, von denen man auch betriebswirtschaftliche oder juristische Inputs von allerhöchstem Niveaus bekommt. Eine Agentur die sich so aufstellt, die sitzt immer noch am Tisch, wenn andere „Dienstleister“ schon längst als überflüssig betrachtet werden. Dass viele PR-Agenturen das Thema Social Media komplett verschlafen haben und JA!!! auch noch 2011 dösend vor sich hin grunzen, steht auf einem anderen Blatt. Interessant aber auch hier: Man kann nicht nicht verschlafen. Dieses Vacuum füllen andere längst aus. Wie sie heißen, na Boston Consulting, KPMG und Roland Berger.

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  6. Ketzerisch gefragt: Wie kann sich abschaffen, was nie wirklich ganz existierte? Gefangen im vielfältigen Pool der Geisteswissenschaften (Kommunikation, Germanistik, Journalismus, Soziologie, Politik) konnte sich die PR doch als selbstständige Disziplin (aus wissenschaftlicher Sicht) hierzulande doch eh nie richtig etablieren.

    Ich stimme zu, dass die PR es auf Ebene der Verbände und der Wissenschaft verpasst hat, den Wandel zur many to many Kommunikation und die damit verbundene ganzheitliche, unternehmerische Denke zu akzeptieren und zu verinnerlichen.

    Nur: „Schafft sich die PR ab“, wenn sie eher von (mit?) Marketern geführt wird als von Politik- oder Kommunikationswissenschaftlern oder verändert sie nur ihren wissenschaftlichen Background und ihr konkretes Tun?

    Und schafft sich nicht gleichzeitig auch „Marketing“ ab? Kann ich heute „Marketing-Experten“ it Bachelorabschluss auf die Wirtschaft losloslassen, die zwar den TKP für Print und TV im Schlaf errechnen, aber noch nie was von performance Marketing oder Webanalyse gehört haben?

    Vielleicht kommt ja einfach nur zusammen, was auf den Visitenkarten der deutschen Urwirtschaft (dem Mittelstand) schon lange zusammen gehört. „Max Mustermann, PR/Marketing“ :-))

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    1. A splendid debate. Thank you Thomas for sparking it off.
      It still seems to me that there are three elements we have to consider.
      1. Teaching/Development of skills for existing practice and practitioners which will help them provide internet mediated services.
      2. Teaching/Development of emerging internet mediated relationship changing paradigms.
      3. Deep research into the drivers that make the internet important to citizens in their need to create and develop online personal and commercial relationships.

      There may seem to be very little financial resource available for teaching and research. But that must not our us off. The importance of good relationships is far too important as a subject in polity, economic and social cohesion to be ignored and we have to fight for the budgets.

      It is going to be a struggle. But worth it.

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      1. Thank you, David for your very valuable additions. I think a very problematic aspect is the understanding of PR: Still, many think about it as a kind of limework without strategic impact. Considering PR as a change agent may help to improve its standing…

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  7. PR ist dem Kunden völlig egal
    Ob das, was wir für den Kunden tun, PR, Marketing, Vertriebsunterstützung, SEO oder Social Media heißt, ist Kunden im B2B und B2C-Geschäft völlig egal. Der Kunde hat Absatzziele, die er mal kennt mal auch nicht, und in der Regel sehr unscharfe Ziele der Kommunikation. Das gilt für die mittelständische Wirtschaft. Wir beraten Kunden durchaus erfolgreich, geschäftliche Entscheidungen zu unterlassen, die nicht kommunizierbar sind. Ob wir deshalb eine PR-Agentur oder eine Unternehmensberatung sind, ist uns schnuppe, und auch Definitionen von Wissenschaftlern helfen weder uns noch den Kunden.

    Auf Toplevel, also bei den DAX-Konzernen, kann ich den Pessimismus nicht teilen. Wir haben vor drei Jahren in Hamburg einen Kongress über den PR-Manager veranstaltet, übrigens mit Begleitung der Wissenschaft in Person von Prof. Szyszka. (Link: http://ow.ly/49YCW ) Ergebnis: PR-Manager in diesen Unternehmen werden geschätzt und gehört, auch vor wichtigen Entscheidungen.

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  8. Bleibt ein wenig die Frage offen, inwiefern sich neu entstehende Berufsfelder wie Social Media oder Community Management in den PR-Abteilungen unterbringen lassen. Das wird in den nächsten Jahren sicher ein entscheidender Punkt sein. Du sprichst es ja schon an:

    „[…] die Entwicklungen hin zu mehr Transparenz etc. erfordern künftig vergleichsweise mehr Kommunikations- als Vermarktungsprofis. “

    Trotzdem hört man Social Media meist im Verbund mit Marketing, nicht mit PR. Obwohl der PR-Techniker möglicherweise eher die nötige Denke für Social Media hat. Zumindest wurde mir das bei den Recherchen für meine Diplomarbeit immer wieder bestätigt.

    Vielleicht braucht die PR einfach nur besseres Marketing… ;)

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  9. Eine interessante These, der ich zustimmen kann. Allerdings scheint mir die Disziplin PR das erste Opfer einer integrierten Kommunikation zu werden, die sich unter dem Druck der Neuen Medien nun auch in den Unternehmen festsetzt. Dabei hätte die PR lange Zeit beste Chancen gehabt, sich nachhaltig in den Unternehmen festzusetzen. Doch ihre Vertreter haben es verpasst, den Begriff und die Funktionen der Corporate Communications für sich zu besetzen. PS: Der analoge Befund gilt m.E. für die PR-Forschung. Lange Zeit befand diese sich, eng an die Grundlagenforschung zur Kommunikation angelehnt, auf hohem Niveau. Doch die interdisziplinär angelegte Befassung mit integrierter Kommunikation lief ihr in den 90er Jahren den Rang ab.

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  10. Jurgen, I agree, if all PR does is provide whitewash and sales leads, it is not worth much. I also agree that among some people this is the image they have of PR.

    In a few weeks, the Public Relations Consultants Association will provide a handbook for charities on how to manage their online presence.

    It will show how PR, in this instance, is a very strategic activity.

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    1. David, I’m not sure wether we really agree or your reply ist the politest way of telling me that we don’t. Anyway, what in general might be PRs responsibility? In my view we should care about the survival of the organization we work for, be it commercial or not. So main questions are: What’s the image of the organization? Is it how it should be to guarantee existence for a longer time? What’s the perception of stakeholders? Who are they? What will people think and tell about the organizations products and/or actions? How will both – thoughts an actions – change in future? CAN we explain what we do and why we do it? And DO we explain? As I wrote, if we can’t explain what we do, we mustn’t do it. In our business as a PR agency its easy for us to give advice as we have a deep understanding about our clients business. (We are focused on the closed funds business ). This is not always the case and sometimes a problem for both, agency and client.

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  11. Florian, ich stimme Ihnen zu in der Beschreibung „wenn- dann“. Allerdings sehe ich auf zwei Ebenen, dass die Lage anders ist, als Ihr „wenn“. Vor rund zwei Jahren habe ich zu dem Thema einen Kongress veranstaltet. (http://www.business-on.de/hamburg/1-deutscher-pr-manager-tag-der-kongress-im-ueberblick_id15021.html)
    Wir hatten Leiter Kommunikation großer Unternehmen aus allen deutschsprachigen Ländern dabei. Ergebnis: Diese Menschen haben Einfluss. Sie verstehen ihr Unternehmen ganzheitlich, sie verstehen auch, sich durchzusetzen. Das steht auch quasi in der Job-Description. Alle PR-Desaster der letzten Jahre beweisen nicht das Gegenteil, denn durch das Desaster sind meistens auch die beratungsresistenten Bosse gegangen worden.

    Agenturen wie wir, die sich auf eine mittelständische Branche konzentrieren und direkt mit den Inhabern reden, können auch die Strategie ihrer Kunden beeinflussen. Das Grauen liegt dazwischen, da teile ich Ihr „wenn-dann“.

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  12. @Sascha Stoltenow (sorry, irgendwie scheint mein Theme keine weitere Verschachtelung in den Antworten zu erlauben)

    Ja, da ist vieles dran – überwiegend beschäftigt sich die PR-Forschung als Kommunikations(management)lehre. Es fehlt also wie Nothaft/Wehmeier zu Recht monieren, u.a.an Auseinandersetzungen mit der gesellschaftlichen Ebene und auf dieser an Urteilsfähigkeit. Gerade Fragen der Macht und des Wertes sind hier z.B. sehr wichtig.

    Ganz blank ist die PR-Forschung jedoch in dieser Hinsicht nicht, ich denke da z.B. an die Ansätze von Ronneberger/Rühl (zugegeben: nicht unproblematisch) oder von Burkart. Sein Ansatz einer verständigungsorientierten PR ist aus meiner Sicht für viele aktuelle Diskussionen anschlussfähig (z.B. die erwähnte Frage der Rolle von Unternehmen), bezieht man z.B. die aktuellen Gegebenheiten netzwerkorientierter Öffentlichkeit und darin stattfindender Willensbildung ein (ist jetzt auch nur ein Gedankenhappen und müsste separat einmal ausführlicher aufgegriffen werden).

    Eine ganz andere Ebene, die wir auch auf der erwähnten Tagung andiskutiert haben, ist die Frage des Forschungsgegenstandes und seiner Bezeichnung. Die wiss. Fachgruppe heißt ja „Public Relations und Organisationskommunikation“ – eine Bezeichnung, über die viele nicht glücklich sind….

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    1. Ich finde jegliche Adjektive zur Beschreibung eines Forschungsansatzes problematisch. „Verständigungsorientierte PR“ ist mindestens ebenso ideologisch vorgeprägt wie „herrschaftsfreier Diskurs.“ Die m.E. klügsten Ansätze zur Entschlüsselung gesellschaftlicher Dynamiken, explizit Luhmann und Baecker, aber auch diskurstheoretische Modelle oder relationale Soziologie wie die Harrison Whites , werden dagegen entweder kaum oder nicht rezipiert, oder aber als nicht praktikabel diffamiert, und konkrete Anwendungen konstruktivistischer Ansätze auf PR, wie sie bspw. Merten liefert, werden durch persönliche Animositäten überlagert.

      Diese wissenschaftlich unklare Situation spiegelt sich auch in der Praxis wider. Diejenigen, die es schaffen, praktische Probleme durch bzw. mit Kommunikation zu lösen, reden nicht darüber. Die, die es nicht schaffen, beschweren sich, dass ihnen das Marketing die Budgets wegnimmt. Übrig bleiben in der Masse Märchen vom Gelingen der Kommunikationsprogramme in den einschlägigen Publikationen. Öde!

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      1. Naja, einen theoretischen Ansatz (nicht: Forschungsansatz) wegen einer nicht genehmen Begrifflichkeit im Namen zur Seite zu schieben, erscheint mir denn doch – hm: befremdlich. Burkart baut auf den Begriff der Verständigung wie er von Habermas in der Theorie des kommunikativen Handelns umrissen wurde, auf. Die muss man natürlich nicht mögen. Fakt ist aber, dass Burkarts Theorie bereits in den 90er Jahren die gesellschaftliche Funktion der PR mit erschlossen hat – und das gilt es schon festzuhalten.

        Auf Luhmann baut übrigens der integrative Ansatz einer PR-Theorie von Peter Szyszka auf.

        Was aber aus meiner Sicht wirklich problematisch ist: Nach meiner Wahrnehmung wird am Theoriegebäude viel zu wenig gearbeitet. Wir haben einige Bausteine, ein paar Wände und Leitungen, aber zu wenig Energie, um daraus mehr zu machen. Meine Erklärung dafür schließt an meinem Seufzer im Artikel an: Wir haben zu wenig Raum und Personal dafür.

        Jetzt kann mir natürlich vorwerfen, dass das ein langweiliges Argument sei. Doch das ändert nichts am Befund. Konkreter: Hätten wir z.B. mehr Master-Studiengänge und noch ein paar Professuren mit entsprechenden Projekten (oder womöglich ein Graduierten-Kolleg), würde man überhaupt erst in die Gebiete vorstoßen, in denen wir Grenzen verschieben müssten. Ich merke das klar auch an mir selbst: Ein PR-Schwerpunkt, wie ich ihn innerhalb eines Studiengangs organisiere, mag vernünftige angewandte Fähigkeiten vermitteln, aber schon bei der Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen der PR ist man doch sehr auf einen engen Ausschnitt und die reine Vermittlung beschränkt.

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      2. Es war nicht meine Absicht, den Ansatz beiseite zu schieben. Ich habe ihn lediglich als problematisch gekennzeichnet, weil es ihm m.E. nicht gelingt, „Verständigung“ als wissenschaftlichen Begriff zu klären.

        Peter Szyska ist da deutlich weiter. In seiner DGPuK-Präsentation (die ja nur eine reduzierte Variante des Vortrages ist, den ich leider nicht kenne) hat er für mich einen Ansatz zu einem wesentlichen methodischen Durchbruch markiert, als er von – wenn ich das richtig erinnere – Organisationen als Adressen sprach. Das kann der erste Schritt auf dem Weg zu einer Weiterentwicklung der Theoriebasis sein.

        Allerdings bin ich skeptisch, ob Master-Studiengänge die Lösung sind. In meiner Wahrnehmung ist es so, dass das zentrale Versprechen der meisten PR-Studiengänge im Zugang zu einem Karrierenetzwerk liegt. Die privatwirtschaftlichen Angebote mit wissenschaftlichem Anstrich verstärken diesen Eindruck eher, und die PR-(Wissenschaft) würde das erkennen, wenn sie bereit wäre, ihre Methoden auf sich selbst anzuwenden.

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