Agentur empfiehlt Presseinfos – auch wenn es nichts zu sagen gibt

Also, so ein bisschen habe ich mir schon die Augen gerieben: „13 Pressemitteilungsthemen, wenn es nichts Berichtenswertes gibt“ heißt die Überschrift eines Blogposts einer PR-Agentur, der mich ins Grübeln brachte.

Mehr noch die Einleitung, in der argumentiert wird, Pressemitteilungen seien ja längst nicht mehr (nur) für Journalisten, sondern vor allem für die Suchmaschine:

„Einer der größten Mythen über Pressemitteilungen: Sie müssen einen Nachrichtenwert haben. Vor 20 Jahren hätte man das gelten lassen können. Man schrieb Pressetexte hauptsächlich für Journalisten, die man nicht mit allgemeinen Informationen über ein Unternehmen langweilen oder sogar beleidigen wollte. Aber heute veröffentlichen wir Presseinformationen Online meistens mit der Absicht Traffic auf unsere Unternehmenswebseiten zu bringen. Wir sind frei, über das zu schreiben, was wir uns vorstellen können.“

Man könnte jetzt natürlich darüber diskutieren, ob eine aufgeblasene Nicht-Meldung nicht nur für Journalisten, sondern für jeden Leser eine Beleidigung ist. Aber ganz ehrlich: Es gibt Online-Presseportale, auf die sich vermutlich nie ein Journalist (und kaum ein anderer Internet-Nutzer) verirrt und in denen sich Nicht-Meldungen bis zur Kanalverstopfung stapeln. Das macht natürlich nix, wenn die Adressaten vor allem Suchmaschinen sind (was auch immer man davon hält). Welche Qualität der Traffic hat, der über solche Wege auf die Corporate Website kommt, ist natürlich die Frage. Insgeheim hoffe ich bei vielen Meldungen in solchen Portalen, dass diese nie über einen Verteiler an Journalisten gehen…

Ich meine: Nicht nur Journalisten merken, was relevant ist und was nicht, sondern auch User, die einem Link auf eine Website folgen. Und wenn dort im wesentlichen heiße Luft verbreitet wird, hilft das vielleicht kurzfristig dem Traffic, aber kaum der Reputation.

Allerdings will ich eines betonen: Die 13 Tipps zur Themenfindung im erwähnten Blogpost sind sicher nicht alle verkehrt. Und Themenfindung ist sicherlich eine der großen Herausforderung der PR. Natürlich muss man nicht immer über eigene Produkte und Dienstleistungen sprechen, sondern kann auch einmal Stellung zu einem Thema beziehen – solange das mit dem eigenen Unternehmen zu tun hat. Der Tipp aber, zu irgendeinem kontroversen Thema wie Abtreibung oder Waffen in Privatbesitz Stellung zu nehmen (Tipp 1), erscheint mir dagegen doch ziemlich naiv. Da erfinde ich lieber meinen eigenen Feiertag (Tipp 5) und feiere den #No-Press-Release-Day, denn ich werde zu diesem Blogpost keine Presseinfo basteln.

Also, nix für ungut, liebe Kollegen vom PR-Blog nebenan. Aber ob man den Kunden einer Agentur und der PR-Branche insgesamt mit solchen Tipps einen Gefallen tut, wage ich schon zu bezweifeln. Oder sehe ich das zu eng?

(Der erwähnte Blogbeitrag ist übrigens die Übertragung eines englischen Posts – eigentlich ist das wiederum Tipp 14).

16 Kommentare

  1. Wahrscheinlich geht es den Verfassern solcher Online-Pressemeldungen gar nicht so sehr um den Traffic, sondern mehr um die Backlinks, die sich positiv auf das Google Ranking der verlinkten Seite auswirken soll.

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    1. ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt irgendwo ein sogenanntes Presseportal gibt, dass nicht für Backlinks, der dort einstellenden gemacht wurde…

      also ich kenne sie nur zur Backlinkgenerierung…. gibts da wirklich welche wo Journalisten lesen => kann ich mir kaum vorstellen

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      1. Naja, presseportal.de ist als Produkt der dpa-Tochter news aktuell eines von mehreren Angeboten des Unternehmens. Da gibt es auch wirkliche Redaktionsverteiler, und ich meine mich zu erinnern, dass Redaktionen, die dpa abonniert haben, die Meldungen auch bekommen. Insofern würde ich dies als Rundum-Dienstleistung zur Pressearbeit und weniger als Backlink-Maschine sehen.

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      2. Ja, es gibt eine Handvoll „echter“ etablierter Presseportale, die von Journalisten beachtet werden, allerdings sind diese eben auch kostenpflichtig. So wie presseportal.de, mit dem auch wir recht viel arbeiten.

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  2. Diese Einstellung überrascht mich bei einer PR-Agentur nicht. Quantität statt Qualität! Das zeigen auch die Riesen-Verteilerlisten, mit denen sie gerne prahlen. Unwichtige Informationen für uninteressierte Leute – ein tolles Konzept!

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  3. Bezieht man das Ganze nicht auf Pressemitteilungen, sondern auf Tweets oder Facebook-Posts, ist das eine brauchbare Anleitung, wie man’s richtig macht. Was möglicherweise mehr über Social Media aussagt als über die Inhalte der Tipps.

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  4. Das ist doch das Prinzip von Speakern und selbst ernannten Experten. So viel, wie möglich, denn wer 2.000.000 Einträge hat, kann nicht unwichtig sein. Wer die Masse als Kunde hat, muss die Masse erreichen.

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    1. Das ist so ähnlich wie die Devise „2.000 Follower auf Twitter sind besser als 200 Follower“. Wenn 99 Prozent von den 2.000 Spammer sind, dann macht das nur verhalten Eindruck.

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  5. Tipp 14 könnte in der Tat lauten: Schreibe 1:1 einen amerikanischen Beitrag ab, korrigiere und hinterfrage nichts und packe das so ins Web. Fertig ist der Content. Wobei dieser auch zumindest teilweise Nachrichtenwert hat. Sonst würden wir ja nicht darüber schreiben. ;-)

    “…But now that we post them online, mostly to pull traffic to our websites, we’re free to write about whatever we wish…” Ob sich da Autorin Joan Stewart wiederum bei jemand anderem bedient hat? Und dann die Erkenntnisse etwas verkürzt wiedergegeben hat? Vielleicht sollte sie noch einmal genau nachlesen, beispielsweise bei David Meerman Scott. Ja, es stimmt: Für ihn sind news releases, die nur dann veröffentlicht werden, wenn ein Nachrichtenwert vorliegt, definitiv old school. “Find good reasons to send them (i.e. news releases) all the time…Write releases that are replete with keyword-rich copy…” Allerdings schreibt er auch “Traffic is the wrong measure.” Aus gutem Grund. Traffic ist OK, wenn Traffic das Kommunikationsziel ist. Es gibt solche Unternehmen mit solchen Zielen. Seriös sind sie eher selten.

    Nach wie vor gilt: Dem User einen Nutzen bieten – und optional den Journalisten auch. Ach ja, Nachrichtenwert (auch für die klassische Presse) haben einige der genannten 13 Punkte durchaus. Wenn sie als news richtig aufbereitet werden.

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  6. Freut mich, dass unsere Übersetzung von Joan Stewarts Beitrag zu einer guten Diskussion führt, die nun auch Dominik Ruisinger bei XING http://tinyurl.com/6gbfkvc aufgegriffen hat. Um eines gleich vorweg zu sagen: Wir machen uns die Aussagen unserer Gastautoren nicht zu eigen und sehen das Thema in der Agentur durchaus differenziert.

    Kritik an Joans Aussage, Pressemitteilungen bräuchten keinen Newswert, halte ich für absolut berechtigt. Dominik bringt es in seinem Forenbeitrag gut auf den Punkt, wenn er hinterfragt, ob „Pressemitteilung“ eigentlich der richtige Begriff ist. Ich finde nein. Und zwar genau so wenig wie die allermeisten der so genannten „Presseportale“ diesen Namen tragen dürften. In meinen Augen handelt es sich dabei vielmehr um eine Variante der – von Google ja schon vor längerem größtenteils in die Bedeutungslosigkeit verbannten – Artikelverzeichnisse.

    Was wir erleben ist, dass es einerseits natürlich weiterhin „echte“ Pressemitteilungen gibt, für die heute im Wesentlichen dasselbe gilt wie vor 20 Jahren: Sie müssen einen Nachrichtenwert haben, die 5 Ws beantworten und handwerklich tip-top geschrieben sein. Mit diesen wenden wir uns an Journalisten als professionelle Multiplikatoren (Gatekeeper).
    Andererseits publizieren immer mehr Organisationen ihre Inhalte an diesen Gatekeepern vorbei, um damit direkt ihre Zielgruppen zu erreichen. Diese Inhalte laufen nach unserem Verständnis unter dem Stichwort „Content-Marketing“. Mit Pressemitteilungen hat das erst einmal nichts zu tun.

    „Erst einmal“ deswegen, weil eben die freien Presseportale in den Suchmaschinen noch gut funktionieren (Sichtbarkeit bringen) und Texte im Format einer Pressemitteilung erwarten. Also schreibt man als Marketer vermeintliche Pressemitteilungen, um die Vorteile zu nutzen. Ich denke hier liegt der Ursprung jeglicher Konfusion über das Wesen und den Wandel von Pressemitteilungen. Die auf Traffic abzielenden Texte, von denen Joan in Ihren Tipps spricht, sind gar keine Pressemitteilungen (weil sie sich auch gar nicht mehr an „die Presse“ richten), sondern content in disguise, wenn man so will. Schade, dass sie das nicht klarer trennt.

    Davon abgesehen finde ich, dass Joans Tipps und Beiträge immer gute Anregungen liefern. Zu überlegen wäre, ob wir jeweils von vornherein noch ein paar Sätze aus Agentursicht ergänzen sollten.

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    1. Ja, ich denke, gerade wenn wir in Fachkreisen kommunizieren, sollte doch allen klar bleiben, was sich hinter einem Standardinstrument wie einer Presseinfo verbirgt und Neues entsprechend etikettieren.

      Und ich gebe zu: In meiner Wahrnehmung hat sich die Agentur durch die Art der Präsentation des Beitrags diesen schon zu eigen gemacht…

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      1. Danke für das offene Feebdack. Ich nehme das gerne als Anstoß, Gastbeiträge künftig anders zu präsentieren und eben auch gleich zu kommentieren oder zu ergänzen, wenn angebracht. Eine schöne Restwoche noch!

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