Wissenschaftskommunikation: Von PUSH zur Interaktion?

Einfach nur Verständnis zu schaffen für das Tun der Wissenschaft, genügt längst nicht mehr – auch wenn dies nach meinem Eindruck noch überwiegend der Standardmodus der Wissenschaftskommunikation ist, vor allem wenn diese aus Sicht der Institutionen betrachtet wird. Initiativen wie „Public Understanding of Science“ (PUSH) haben vor einigen Jahren diesen Modus geschaffen, der überhaupt einmal die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm zurück (oder überhaupt erst?) in die Gesellschaft bringen sollte. Doch im Wesentlichen ging es dabei um Erklären und Begeisterung wecken – kurz: um PR in eigener Sache. Um Selbstdarstellung. Gesellschaftliche Akzeptanz, Sicherung von Mitteln und vielleicht auch von Nachwuchs sind weitere typische Ziele dieses Ansatzes. Hat sich dieser nun überlebt?

Wissenschaftskommunikation: Sicher nicht nur die Abbildung abgeschlossenen Tuns

Die Wissenschaftskommunikation ist immer mal wieder Thema von Untersuchungen. Dabei geht es um die drei Bereiche Wissenschaftsjournalismus, Wissenschafts-PR und die Kommunikation innerhalb der Wissenschaft. Alexander Gerber (innokom Forschungszentrum für Wissenschafts- und Innovationskommunikation) hat nun vor ein paar Tagen eine vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft geförderte Trendstudie vorgelegt. Er fasst diese so zusammen:

„Ausgehend von einer Bestandsaufnahme unter gut 300 befragten Wissenschaftskommunikatoren diskutierten 30 Experten aus Wissenschaft und Praxis im Rahmen einer Delphi-Studie mögliche Lösungsansätze. Demnach bricht – historisch betrachtet – gerade die fünfte Entwicklungsphase der Wissenschaftskommunikation an: von den Utopien der 50er Jahre (1) über die frühen Aufklärungskampagnen (2) und die mit zunehmender Kritik auch immer umfassendere Wissenschaftsberichterstattung (3) bis hin zum „Public Understanding of Science and Humanities“ (4). Noch während der Vorhang fällt, beginnt der nächste, fünfte Akt mit der Suche nach neuen Konzepten, Formaten und Werkzeugen. Diese „Phase 5″ ist gekennzeichnet vom Bedeutungszuwachs des immer interaktiveren Internets als neues Leitmedium der Wissenschaft.“

Schaut man die Studie im Detail an, finden sich dort einige Diskussionsansätze, die schon seit einer ganzen Weile die Wissenschaftskommunikatoren beschäftigen: So zum Beispiel direkte Publikations- und Diskussionsmöglichkeiten im Web, Fragen des Selbstverständnisses von Wissenschaftlern und Kommunikatoren/Journalisten oder der Trend zum Event. Mich erinnern solche Aspekte an den WJ-Tag 2008, den unser Studiengang Wissenschaftsjournalismus organisiert hatte und bei dem Marc Scheloske mit Blick auf die Onlinekommunikation meinte: „Wissenschaftsblogs seien eine Etappe auf dem Weg zur wissenschaftsmündigen Gesellschaft, machten den Wissenschaftler als reale Person und Produzent von Wissenschaft greifbar und lehrten, dass Wissenschaft dynamisch und spannend sei.“ Soweit Lars Fischers Zusammenfassung im Live-Blog zur Veranstaltung. Damals waren die Blogs vor allem im Blick, heute sprächen wir von Social Media.

Zurück zur Trendstudie. Es liegt in der Natur einer solchen qualitativen Untersuchung, für die viele Stimmen gehört werden, dass sich die Ergebnisse nicht in zwei Sätzen zusammenfassen lassen. Insofern greife ich noch eine Diskussion daraus kurz auf: Unter anderem wurde gefragt, inwieweit Wissenschaftler eine Kommunikationspflicht haben und diese eingefordert werden könnte – in dem Sinne, dass Erfolge in der öffentlichen Kommunikation zum Beispiel bei der Vergabe künftiger Forschungsgelder berücksichtigt werden. Hier gingen die Meinungen ziemlich auseinander. Doch ein anderer Aspekt tauchte auf: Demnach sind einige Experten der Meinung, dass Wissenschaftler viel zu wenig von der Öffentlichkeit, ihren Hoffnungen und Ängsten wissen – und hier zunächst großer Lernbedarf besteht. Vielleicht ist ja Transparenz auch ein gutes Mittel gegen vermeintliche Wissenschafts- bzw. Technikfeindlichkeit. Es geht, wenn man das weiterdenkt, nicht nur um Wissenschaftskommunikation, sondern um die Offenheit von Wissenschaft insgesamt. Ein großes Thema. Allerdings stellte Lars Fischer dazu kürzlich in einem Bericht zur Konferenz Science Online London 2011 ernüchtert fest:

„…no legislation, no new tool and no new journal will bring about the turning point toward open and digital science. (…) we can’t force scientists to use new tools or methods. Oh, and funding agencies can’t either – if it really was about money, no one would pursue a scientific career in the first place. Ultimately, the only thing that will change how scientists work is scientific culture itself.“  

Die Ausgangsfrage der Kommunikation führt also tief hinein in Fragen der Kultur und des Selbstverständnisses. Das liegt zwar auf der Hand, zeigt aber Berufskommunikatoren ihre Grenzen auf. Ganz Ähnliches stellen wir ja auch in Bezug auf die Unternehmenskommunikation vor dem Hintergrund veränderter Öffentlichkeiten fest.

In Bezug auf die Wissenschaft und ihre Kommunikation würde ich noch weiter gehen und die von Gerber proklamierte neue Phase interaktiver Wissenschaftskommunikation als Kommunikation der Wissenschaft mit Kommunikation über Wissenschaft verbinden wollen. So zum Beispiel mit der bisher vernachlässigten Diskussion um die Forschungsförderpolitik. Aus meiner Sicht geht es nicht nur um das „Ist“ der Wissenschaft, sondern auch um das „Soll“. In diesem Sinne kritisierte die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) vor einem Jahr den weitgehend nicht diskutierten Fluss der Fördergelder in die Wissenschaft (pdf):

„Die Schwerpunkte richten sich im zivilen Bereich immer noch schwerpunktmäßig nach folgenden Leitlinien: Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland, Forcierung des Wirtschaftswachstums, Schaffung von Arbeitsplätzen, Beschleunigung der Markteinführung neuer Technologien, was besonders an der von etlichen Bundesregierungen propagierten High-Tech-Strategie und damit durch eine Konzentration auf technologische und wirtschaftliche Ziele deutlich wird.“

Statt dessen fordert die VDW eine Ausrichtung an den Gefährdungen der Menschheit und den Bedürfnissen der Menschen: „Deshalb muss Forschung nach Lösungen für die großen Herausforderungen einer sozial, ökologisch und kulturell verträglichen Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung suchen.“

Damit wäre also nicht nur der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu betrachten, sondern auch die Politik einzubeziehen. Doch so wichtig solche gesellschaftliche Aushandlungen sind, ob und wie sie in Gang zu bringen sind, ist eine weitere schwierige Frage – ohne vernünftigen (auch investigativen) Wissenschaftsjournalismus, der laut Trendstudie immer stärker in Bedrängnis gerät, dürfte das kaum funktionieren. Und ob dieser unter dem Vorzeichen des Medienwandels auch einer solchen Aufgabe gerecht werden kann – es ist zu hoffen.

Disclosure:

  1. Im Rahmen der Trendstudie wurde ich als Experte befragt.
  2. Ich bin Mitglied der VDW.

Nachträge (23.10.2011):

5 Kommentare

  1. Danke für den Kommentar und die hilfreichen Verweise — die VdW-Forderungen vor allem finde ich spannend!

    In der Tat wird es nun im nächsten Schritt, sprich in Veranstaltungsformaten und Folgestudien darum gehen, den Zukunftsdiskurs zur Wissenschaftskommuniktion auf eine forschungspolitische Ebene zu eben. Und ja, dabei geht es auch meiner Meinung nach vor allem um die Kommunikationskultur, also letztlich „Open Science“!

    –Alex Gerber

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    1. Danke! Dieser Link war zwar drin (aus dem Beitrag ist auch Ihr Zitat), gefehlt hat aber ein Link zum Download der Studie.

      Zum Thema forschungspolitische Diskussion gab’s gerade eine kleine, ganz interessante Diskussion beim Spießer Alfons, in der es vordergründig um die Frage ging, ob die Kosten für eine Forschungsreise zu Fröschen in Bolivien zu rechtfertigen sind – aber vor allem deutlich wurde, wie wichtig das „Warum“ in der Wissenschaftskommunikation ist, also die Begründung für dieses oder jenes Tun in der Wissenschaft, damit erst eine vernünftige Diskussion über das „Ob“ stattfinden kann…

      http://off-the-record.de/2011/10/21/deutsche-wissenschaftler-beim-froschhuepfen-in-bolivien/

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  2. …in der Tat eine wichtige Frage — Wer entscheidet eigentlich darüber, welche Forschungslinien vorrangig staatlich gefördert werden und welche nicht, laos sollte auch hier die breite Öffentlichkeit zumindest in grundlegenden Fragen involviert werden…?

    Allerdings wird diese Frage natürlich umso schwieriger zu beantworten, je mehr man in die Grundlagenforschung schaut.

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