PR-Forschung (Teil 2): Die Helmut Schmidts der PR-Forschung: Rezepte für die Praxis?

Elfenbeinbalkone?

Im zweiten Teil meiner kleinen Serie zur PR-Forschung geht es um die Frage, was PR-Forschung eigentlich soll. Klar, Forschung soll, was Forschung eben so macht. Zum Beispiel die Wirklichkeit untersuchen, Zusammenhänge entdecken, Ursachen und Wirkungen verstehen, aber auch Neues entwickeln. Und so fort. Wie berichtet, fand die bereits erwähnte DGPuK-Fachgruppentagung zu PR zum 20. Mal statt. Als spannend und phasenweise fast verstörend habe ich das spezielle Geburtstagspanel empfunden.

Dort haben mit den Professoren Barbara Bearns, Ulrich Saxer und Manfred Rühl nicht nur drei der Gründer der Fachgruppe, sondern die „Helmut Schmidts der PR-Forschung“ (Fachgruppenleiter Olaf Hofjann) ihre Sicht auf die PR-Forschung dargelegt. Barbara Bearns betonte die Verankerung der PR in der Kommunikationswissenschaft. Ich interpretiere dies als klare Absage einer gelegentlich diskutierten oder auch umgesetzten Verankerung des Feldes in Management Schools. Ulrich Saxer diskutierte unter anderem die Rolle der Akademiker und behauptete: „PR-Wissenschaft muss die PR-Praxis rationalisieren.“ Nicht mehr. Nicht weniger. Den Begriff „rationalisieren“ würden Praktiker vielleicht nicht so deutlich verwenden, aber de facto geht ihr Interesse meist in eine ähnliche Richtung: „Praktiker wollen vor allem Rezepte“, zitierte Bearns einen anderen Vordenker deutschsprachiger PR-Theorie, Franz Ronneberger – ein Wunsch, der an sich weder verwunderlich noch verwerflich ist. Allerdings ist dies eine Reduktion von PR-Forschung, die es manchmal schwer macht, eine gemeinsame Basis zwischen Praxis und Wissenschaft herzustellen, wie ich in letzter Zeit mehrfach erlebt habe.

Besonders Saxers These hat durch ihre Reduktion auf eine Dimension von PR-Forschung Widerspruch in der anschließenden Diskussion mit den Tagungsbesuchern provoziert, in deren Verlauf Manfred Rühl sogar meinte, die Wissenschaft habe keine Verantwortung für das, was die Praxis mache. Im Publikum formierte sich eine klare Gegenposition. Unter anderem von Ulrike Röttger, Andreas Schwarz und mir wurden mehrere Kritikpunkte eingebracht:

  • Demnach kann es nicht Sinn von Forschung sein, sich (ausschließlich) von der Praxis die Agenda vorgeben zu lassen.
  • Auch in der PR-Forschung ist es zwingend, zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung zu unterscheiden. Sie auf die Anwendungsorientierung zu reduzieren, ist allein durch ihre Verortung an öffentlichen Hochschulen mit öffentlicher Finanzierung abzulehnen und spiegelte ein unvollständiges Wissenschaftsbild wider.
  • Zusätzlich muss PR-Forschung neben der auf Organistionen bezogenen anwendungsorientierten Perspektive auch eine andere, nämlich eine gesellschaftsorientierte Perspektive einnehmen können. Denn zur Verantwortung von PR-Forschung in einer freien, demokratischen Gesellschaft gehört auch, auf eventuelle Dysfunktionalitäten hinzuweisen (inwiefern dies auch wirklich geschieht, ist sicher eine weitere berechtigte Frage).
  • Gerade angewandte Forschung kann die Verantwortung für die Praxis nicht einfach von sich weisen, nimmt sie doch qua Konzept Einfluss auf die Praxis.

Wäre es zum Zeitpunkt dieser Diskussion nicht schon recht spät am Abend nach einem langen Konferenztag gewesen, hätte der Disput vermutlich noch viel Potenzial gehabt. Erstaunt hat mich, dass in solchen Grundfragen Dissens überhaupt zu bestehen scheint. Und nicht ganz sicher bin ich mir, ob die erwähnten Statements die vollständigen Positionen der Zitierten wiedergeben. Vielleicht lässt sich diese Diskussion ja hier oder an anderer Stelle fortführen.

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9 Kommentare

  1. Danke für diesen Bericht. Die Position von Prof. Baerns ist ja hinlänglich bekannt und verwundert nicht. Prof. Rühl kommt aber aus dem Marketing. Ich halte es für richtig, die PR aus dem Blickwinkel der PR zu betrachten aber nicht ausschließlich. Prof. Szyszka ist da viel weiter und dichter am Management. Ich habe vor einigen Jahren mal einen Vorstoß gewagt und in Hamburg einen Kongreß über den PR-Manager organisiert, der aber leider ohne Nachfolger blieb. Verantwortliche in großen Unternehmen und Organisationen müssen gute Manager sein. Ob sie das mit einer reinen PR-Ausbildung werden bezweifle ich.

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  2. Die Ausbildung ist sicher ein eigenes und sehr wichtiges Thema. Ich würde argumentieren, dass es darauf ankommt, wie eine PR-Ausbildung konkret aussieht. Typisch ist ja, das entsprechende Studiengänge einige Kompetenzen aus Nachbardisziplinen wie Management, Journalismus, Soziologie etc. beinhalten bzw. entsprechende Leistungen in solchen Fächern erbracht werden müssen. Auch wenn ich in Fragen der Begrifflichkeiten eher schmerzfrei bin, ist natürlich gut vorstellbar, dass ein Begriff wie Kommunikationsmanagement eine klarere Positionierung im Beruf erlaubt als PR, da hier – fälschlicherweise – viele eine Gleichsetzung mit Pressearbeit vornehmen.

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  3. Das ist in der DPRG auch lange hin und herdiskutiert worden, in der ich lange aktiv bin. Das verführende und in die Irre Leitende an dem Begriff PR ist in der Tat, dass PRessearbeit mit den gleichen Buchstaben beginnt. Letzlich ist die Praxis entscheidend und nicht der Name.
    Die Branche positioniert sich durch ihre Taten, nicht durch Begriffe.
    Was Forschung und Lehre betrifft finde ich es richtig, dass diese sich nicht allein auf die Praxis stützen muss. Sie könnte auch Vordenker und Antreiber sein.

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  4. Wenn ich diese Zusammenfassung lese, bedaure ich, nicht dabei gewesen zu sein und auch, dass es zu solchen Themen keine Live-Streams gibt (im Unterschied zu manch anderer Banalität). Was mir nicht klar ist, ist, wo genau der DIssens liegt. Insbesondere bei der Frage der Verantwortung der Wissenschaft für die Praxis sehe ich die Neutralität letzterer für essentiell an, um sich dem Forschungsgegenstand analytisch zu nähern. Aber vielleicht liegt genau hier der Hase im Pfeffer: Der Forschungsgegenstand ist unklar, weil auch die Praxis der PR unklar ist. Könnte es sein, dass der PR-Praxis ihr Arbeitsgegenstand in weiten Teilen ebenso uneindeutig ist, wie der Forschung der ihrige?

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  5. Den Dissens sehe ich darin, dass PR-Forschung von manchen auf die Praxisoptimierung verengt wird, andere es aber für wichtig halten, dass auch Grundlagenforschung möglich sein muss – wie auch immer diese dann aussehen mag (die in dieser Reihe indirekt angesprochene Meta-Forschung könnte ein Baustein dazu sein)
    Und ja: Der Arbeitsgegenstand ist uneindeutig, beispielsweise insofern, weil es in unterschiedlichen Forschungsumfeldern unterschiedliche Verständnisse selbst von Basisbegriffen gibt (vgl. mein Beitrag zur Begriffsverwirrung, Teil 1)

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  6. Ich stimme Thomas Pleil zu, dass es sich bei der Kontroverse möglicherweise nur scheinbar um Dissens handelt. So halte ich für diskussionswürdig, ob Szyszka mit der Einstufung von Baerns, Saxer und Rühl als „Helmut Schmidts der PR“ richtig liegt. Alle drei sind weder als Macher/Manager aufgefallen, noch als deren Fürsprecher. Eher schon sind sie „Erhard Epplers der PR“ – also Programmatiker, die über aktuelle Praxisbezüge (Mikro) hinaus das Big Picture (Makro) nicht aus dem Blick verloren haben. Insofern wundert der aufgebaute Gegensatz.

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