Blogger Relations: Nicht wie ein Blumenverkäufer in der Kneipe

Blogger und PR – wie Hund und Katz?

Blogger Relations gelten manchen PR-Leuten als die Königsdisziplin in der Kommunikation im Social Web. Für andere sind sie der Anfang. Blogger selbst sind mal gelassen, mal genervt davon. Für einige Unternehmen beginnen Blogger Relations ja unoriginell damit, dass sie Blogger mit ihren Pressemitteilungen beglücken. „Presseverteiler: Hilfe, ich will hier raus„, seufzte ich vor einigen Wochen, als ich in meiner Rolle als bloggender Mensch einige abstruse Presseinfos in dichter Folge erhielt. Der Seufzer führte mich zum Zimpel-Verlag, der Redaktions- und auch einige Bloggeradressen sammelt – und selbst ein Corporate Blog hat. Stefanie Weyrauch, die dieses Blog mit einer Kollegin betreibt, hat mich gebeten, ihren Lesern ein paar Einschätzungen zu Blogger Relations zu geben. Und sie hat betont, dass Kontaktdaten von Bloggern nur dann im Zimpel landen, wenn diese damit einverstanden seien.

An sich ist das Thema Blogger Relations ja alles andere als neu. Viele Unternehmen oder Institutionen wie Tourismusverbände betreiben seit langem ganz selbstverständlich und weitgehend geräuschlos Blogger Relations, manche lassen sich ganz Besonderes einfallen. Was nicht heißt, dass hier etwas Unseriöses läuft, sondern, dass viele Blogger längst damit umzugehen wissen, von Unternehmen angesprochen zu werden. Dies ist allerdings nicht immer so. Und so ärgere auch ich mich, wenn ich ungefragt Presseinfos zu Themen bekomme, mit denen ich nun gar nichts am Hut habe. Es gibt also nach wie vor Unternehmen und Agenturen, die in dieser Hinsicht nicht sehr professionell vorgehen.

Doch selbst wenn von Seiten der PR alles richtig läuft, läuft nicht immer alles rund. Diese andere Seite hat gerade eben Robert Basic beleuchtet. Er erklärt, warum die Zusammenarbeit und die Kommunikation mit Bloggern unberechenbarer sein kann als mit Journalisten, deren Beruf es ist, mit Informationen umzugehen und diese zu verarbeiten. Da haben Unternehmen gegenüber Bloggern wohl manchmal zu hohe Erwartungen – wenn sie schon viel Energie in den Aufbau einer persönlichen Beziehung mit Bloggern stecken.

Das aber tun eben einige Unternehmen und Agenturen nicht und verstehen nach wie vor Blogger als Adressaten, die halt den Presseverteiler komplettieren. Hiervor warnt auch Stefanie Weyrauch:

Vorsicht beim massiven E-Mailen ist bei Bloggern noch viel mehr als bei anderen Journalisten geboten: Denn wenn ein Blogger genervt ist und negativ über sie schreibt, bleibt das für alle Zeit im Netz stehen. (…) Der persönliche Kontakt zwischen Journalisten / Bloggern und PR-Verantwortlichen ist immer am wertvollsten und durch nichts zu ersetzen. Mein Fazit: mehr auf Personal Relations im Bereich der Public Relations setzen.“

Im Zimpel-Blog ist nun unsere Unterhaltung zum Bloggen und zu Blogger Relations erschienen. Einen Auszug daraus veröffentliche ich auch hier.

Stefanie Weyrauch: Als Professor für Online-PR kennen Sie ja beide Seiten bestens. Was empfehlen Sie PR-Profis zum Umgang mit Bloggern?

TP: Nach wie vor empfinde ich es am glaubwürdigsten, wenn die PR-Leute selbst aktiv Social Media nutzen und z.B. selbst bloggen. Blogger Relations beginnen aus meiner Sicht damit, dass man etwas Interessantes auf seiner eigenen Plattform sagen kann – noch lange bevor man Blogger direkt anspricht. Für mich lautet die Aufgabe: Vernetzen statt pitchen. Klar kann man manchmal auch Blogger direkt ansprechen. Während allerdings Journalisten als professionelle Kommunikatoren gewohnt sind, mit PR-Leuten und vielen Infos der PR umzugehen, ist das bei Bloggern oft nicht so. Insofern kann es sein, dass Blogger auf eine direkte Ansprache ganz unterschiedlich reagieren. Und natürlich gibt es ein paar Dinge, die einen respektvollen Umgang miteinander kennzeichnen.

Stefanie Weyrauch: In welcher Form und mit welchen Anliegen sollten PR-Leute Blogger kontaktieren?

TP: Zum Beispiel, wenn es etwas zu korrigieren gibt. Es ist natürlich hundert mal besser, wenn PR-Leute ein direktes Gespräch suchen anstatt dass gleich die Hausjuristen aktiviert werden, falls sich in einen Blogbeitrag einmal falsche Fakten oder ein anderes Problem einschleichen.
Weitergehend kann es sich anbieten, Kontakt aufzunehmen, wenn sich offensichtliche Anknüpfungspunkte ergeben. Dazu sollte man sich die Themen und Interessen eines Bloggers genauer anschauen und auch, ob erkennbar ist, ob eine Kontaktaufnahme gar nicht gewünscht ist. Das ist zu respektieren.
Über die Anknüpfungspunkte hinaus ist natürlich die Frage, was man zu bieten hat, wenn man jemand nahe kommen möchte, der womöglich privat und ohne alle kommerziellen Interessen im Netz aktiv ist. Und damit meine ich nicht Vergünstigungen oder ähnliches. Statt dessen sollte man sich fragen, warum genau sich ein Blogger mit meinem Thema befassen sollte. Eine Presseinfo, die von klassischen Medien vielleicht im Dutzend 1:1 übernommen wird, ist für Blogger oft gerade langweilig. Statt dessen muss man schon andere Perspektiven eröffnen können, sprich: die Presseinfo und schon gar die ungefragte Aufnahme in Presseverteiler sind in der Regel die schwächsten Strategien der Kontaktaufnahme.

Stefanie Weyrauch: Ist es überhaupt sinnvoll mit PR-Themen oder Pressemitteilungen Blogger zu kontaktieren?

TP: Da scheiden sich die Geister. Manche PR-Leute erzählen mir, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht haben. Und auch viele Blogger haben keine Probleme damit. Manchmal ist es sogar so, dass Blogger von Unternehmen Vorab-Informationen bekommen, die sich dann sehr schnell verbreiten können.
Wenn ich mal von mir ausgehe: Als Blogger interessiere ich mich für Pressemitteilungen kaum. Ich bin zwar in ein paar Verteilern drin (für die ich mich ausnahmslos selbst entschieden habe), aber meist empfinde ich die Meldungen als belanglos. Ein kleiner persönlicher Hinweis auf ein Thema ist mir da oft lieber, vorausgesetzt, ich kann dann bei Interesse tiefer eintauchen.

Stefanie Weyrauch: Warum sollte man keinen Blogger ungefragt in seinen Verteiler aufnehmen?

TP: Aus dem selben Grund, aus dem viele Menschen in der Fußgängerzone nicht angequatscht werden möchten.

Stefanie Weyrauch: Sehen Sie Blogger als Multiplikatoren für die Meinungsbildung?

TP: Jeder, der öffentlich kommuniziert, beteiligt sich an Meinungsbildung. Das Ausmaß hängt natürlich von vielen Faktoren ab, beispielsweise von der Vernetzung oder Reputation einer Person.

Stefanie Weyrauch: Wie hat sich die Blogosphäre Ihrer Meinung nach in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt?

TP: Zunächst: Mein Eindruck ist, dass einige Hypes in der Wahrnehmung mancher die Entwicklung der Blogs überlagert haben. Aber aus meiner Sicht sind die Produkte der Online-Journalisten sowie die Blogs das Öl der digitalen Öffentlichkeit. Hier entstehen die Inhalte, die zu einem wichtigen Teil andere Plattformen wie Twitter, Google+ oder Facebook in Bewegung halten. Ohne die deutschsprachige Blogosphäre systematisch betrachtet zu haben, ist mein Eindruck, dass sich sie sich entwickelt und vor allem ausdiffernziert hat – und dass trotzdem viele Blogs auf großes Interesse stoßen.

Stefanie Weyrauch: Was geben Sie Ihren Studenten in Bezug auf Blogger und Online-PR mit auf den Weg?

TP: Zwei Dinge sind mir wichtig: Dass sie sich auf diesen Kulturraum einlassen und Teil der Party werden anstatt wie Blumenverkäufer kurz mal aufzutauchen, um gleich weiter zu ziehen. Und zum anderen, dass Online-PR dennoch strategische Kommunikation ist. Das setzt unter anderem voraus, Ziele zu formulieren und Strategien zu entwickeln, um diese zu erreichen.

(Foto von nicephone, Lizenz: CC BY 2.0)

 

Ergänzung, Nov. 2012: In einem weiteren Beitrag habe ich ein Modell vorschlagen, das Unternehmen/NGO/Agenturen helfen soll, Blogger individuell einzuordnen.

12 Kommentare

  1. Ist es nicht merkwürdig dass es vermeintliche Kommunikationsprofis (Journalisten, PR´ler und Blogger) nicht schaffen miteinander zu kommunizieren? Ich lese ständig Artikel wie diesen hier und habe das Gefühl, dass da einfach nicht miteinander kommuniziert wird.

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    1. Stimmt, im Tenor haben viele (auch ich) vor ein paar Jahren schon Ähnliches gesagt. Allerdings haben Blogger Relations damals viele Kommunikationsleute noch nicht interessiert; insofern ist mein Eindruck, dass sich dieses Thema immer wieder neue Leute erschließen – die die bisherigen Diskussionen nicht wahrgenommen haben (auch wenn dagegen Google Abhilfe schaffen könnte).

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  2. Hallo Thomas,

    ich wollte den Artikel damit auch gar nicht in Abrede stellen sondern vielmehr das (aus meiner Sicht) grundlegende Problem ansprechen: Es wird zu wenig miteinander, dafür aber sehr viel übereinander gesprochen bzw geschrieben. Erinnert ein wenig an die ersten Berührungspunkte zwischen Jungen und Mädchen im Alter von 12 Jahren…

    Wenn ich es schaffe schreibe ich diese Woche auch etwas dazu – in einem Kommentar wird das zu viel.

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    1. Ja, da ist was dran. Diese Berührungsängste spüre ich auch immer wieder, z.B. in Weiterbildungen für PR-Leute. Vielleicht können wir (als Hochschule) einen kleinen regionalen Beitrag dazu leisten, das ein bisschen zu entspannen: Einige meiner Studenten sind gerade gemeinsam mit Absolventen dabei, eine Veranstaltungsplattform zu planen, die unterschiedliche Leute, die mit Onlinekommunikation zu tun haben, an einen Tisch zu bringen. Mehr kann ich im Moment noch nicht dazu sagen…

      Freue mich auf Deinen Artikel.

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