PR, Jura, BWL? Welcher Weg führt in die PR?

Über einen Gastbeitrag von Oliver Jorzik in den „Gedankenspielen“ bin ich auf eine Diskussion zur Frage gestoßen, welcher Weg in die PR führt. Jorzik greift einen Bericht in der Online-Ausgabe des PR-Report auf. Tenor 1 im Bericht: Studium muss sein. Tenor 2: Jura und Wirtschaft sind klasse für PR. Auch wenn sich in den Kommentaren schnell gezeigt hat, dass da etwas windschief dargestellt wurde, greife ich das Thema auf, da es meine Studierenden und unsere Studieninteressierten ständig bewegt.

So sollte die Karrieretreppe natürlich nicht enden.

Ausgangspunkt der Diskussion ist zwei Behauptungen aus Diskussionen beim Sommersymposion des PR Carreer Center. Zum einen wird  Prof. Dr. Alexander Güttler, Präsident des Agenturverbandes GPRA, mit der Meinung zitiert, ohne abgeschlossenes Studium sei ein Einstieg in die PR kaum noch möglich. Ok, darüber muss heute kaum mehr diskutiert werden. Zum anderen wird im PR-Report Güttler das Zitat zugeschrieben, Abschlüsse in BWL, VWL und Jura „werden bei Bewerbungen bevorzugt.“ Der Pressesprecher der SGL Group, Tino Fritsch, hat dies laut PR-Report folgendermaßen ergänzt:

Wenn Sie wirtschaftliche Zusammenhänge nicht verstehen, sind Sie außen vor. Dann werden Sie vom Top-Management nicht ernst genommen.”

Vor allem als ich das vermeintliche Güttler-Zitat gelesen habe, war ich ja ehrlich gesagt schon dabei, meinen hochgehenden Hut festzuhalten. BWL und Jura als Königswege in die PR? Es zeigte sich aber schnell, dass der Autor wohl unglücklich zitiert hat: Der Veranstalter rückte in den Kommentaren zum Artikel gerade, dass wohl eher gemeint gewesen sei, dass zum kommunikativen Know how auch ein betriebswirtschaftliches Verständnis notwendig sei. Ok, damit sitzt mein Hut wieder ohne weiteres Zutun, diese Argumentation erscheint mir nachvollziehbar. Dennoch möchte ich diese Diskussion ein wenig ergänzen.

Die Berufsforschung der letzten zwanzig, dreißig Jahre zeigt, dass PR einhellig als Kommunikationsberuf gesehen wird. Gleichwohl zeigen Untersuchungen (z.B. Röttger 2000), dass sich das Feld sehr uneinheitlich entwickelt. Deshalb liegt Jorzik sicher richtig damit, wenn er argumentiert, im Einzelfall kann auch eine Ökotrophologin mit zusätzlicher PR-Qualifikation die Idealbesetzung für eine bestimmte Stelle sein.

Schauen wir uns drei Stränge etwas genauer an.

1. Stellenanzeigen für Berufseinsteiger
In ihrer Bachelorarbeit an der Westfälischen Hochschule hat Julia Laska 200 Jobangebote für Berufseinsteiger in die PR (überwiegend Angebote zu Volontariaten) aus dem Jahr 2008 untersucht. Sie zeigt, dass mit weitem Abstand redaktionelle Aufgaben ganz oben in den Tätigkeitsbeschreibungen stehen, gefolgt von Organisationsaufgaben, der Konzeption und der Kommunikation. Waren konkrete Tätigkeitsbereiche in den Jobangeboten genannt, so standen Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit allgemein, integrierte Kommunikation und Online-PR ganz oben – allessamt Felder, auf die nicht gerade ein BWL-Studium vorbereitet (und Jura wohl erst recht nicht). Und zum Studienabschluss der gewünschten Bewerber zeigt die Analyse, dass ein abgeschlossenes Studium grundsätzlich am Wichtigsten ist, das Studienfach ist dabei weniger wichtig. Wird jedoch eines genannt, so werden Medien- und Kommunikationswissenschaften/Journalistik/PR in jeder dritten Ausschreibung erwartet, Marketing/BWL/Wirtschaft aber nur in 12,5% der Angebote. Jura ist nicht speziell genannt. Würde die Analyse heute gemacht, wären Tätigkeitsbereiche rund um die Online-Kommunikation nach meiner Einschätzung deutlich häufiger erwähnt.

2. Berufsfeldstudien
Natürlich sind die in Stellenanzeigen für Berufseinsteiger formulierten Anforderungen nur Indizien und sagen nichts über die Karrieeentwicklung aus. Bleibt der Blick auf PR-Praktiker, die bereits im Job sind. Alle paar Jahre werden diese in Berufsfeldstudien zu Beruf und Karriere befragt. Günter Bentele und René Seidenglanz haben 2009 fast 2.300 PR-Praktiker im Rahmen ihrer Berufsfeldstudie befragt. 91 Prozent hatten erfolgreich studiert, davon haben 40 Prozent einen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Abschluss.  Die Bedeutung des Studiums der Wirtschaft oder des Rechts gehe im Vergleich zu früheren Untersuchungen zurück (da ich die komplette Studie nicht zur Hand habe, fehlen mir hierzu die Zahlen, sie sind aber zwangsläufig niedriger). Die Autoren schreiben in einem zusammenfassenden Artikel: „Über die Hälfte des Berufsfeldes hält inzwischen eine spezifische PR-Ausbildung für sinnvoll“ (Magazin Pressesprecher 9/2009:40).

Update, 23.1.17:

Auch eine Analyse von gehalt.de kommt Ende 2016 zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der PR-Praktiker Geistes- oder Sozialwissenschaftler sind. Eine Befragung von PR-Praktikern durch meine Kollegen Sievert und Rademacher im Jahr 2016 zeigt wiederum, dass BWL kein Karriereturbo für die PR ist und:

„So schätzen von 751 befragten Kommunikations-Professionals aus dem deutschsprachigen Raum 92 Prozent kommunikations- und PR-bezogenes handwerkliches „Know-how“ als den wichtigsten Kompetenzbereich ein.“

Ende des Updates

3. Die akademische Position
Ich habe noch nicht gehört, dass auf akademischer Seite der PR-Beruf und die Ausbildung hierfür von der BWL oder von Juristen beleuchtet worden wären. Statt dessen gibt es ein Positionspapier zur akademischen PR-Ausbildung von der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), das in einer Arbeitsgruppe entstanden ist, die René Seidenglanz und ich leiten durften. Getragen ist dieses 2009 veröffentlichte Papier von der Überzeugung, dass die akademische PR-Ausbildung für einen Einstieg in die PR-Praxis qualifiziert und sich als einer der wichtigsten Wege dorthin entwickeln wird, vor allem durch die Mischung aus wissenschaftlich-analytischem Denken und der Anleitung zu praktischem Handeln. Im Gegensatz zu anderen Studienangeboten ist der Gegenstand der akademischen PR-Ausbildung logischerweise die PR selbst: Wo sonst werden PR-Theorien, Ansätze, Methoden oder Berufsrollen gelehrt, diskutiert und die PR-Praxis untersucht? Typischerweise werden in diesem Zusammenhang je nach Studiengang unterschiedlich gewichtet zusätzliche Kenntnisse zu Journalismus, Medienrecht, Wirtschaft, Politik, Soziologie oder Psychologie vermittelt.

Mein Fazit:
Nicht abzustreiten ist eines: Ohne Verständnis für wirtschaftliche und unternehmerische Zusammenhänge ist PR in Unternehmen nicht möglich. Und es ist sicher etwas dran, dass gerade ein solches Verständnis eine besondere Rolle für Führungspositionen in der PR spielt. Oft wünsche auch ich mir in PR-Studiengängen mehr BWL; aber dass ein reines BWL- oder gar Jurastudium der beste Weg in die PR sei, kann ich nicht teilen. Klar ist aber auch: Die beiden gegenläufigen Positionen „Fachstudium + PR-Qualifikation“ versus „PR-Studium“ werden unabhängig davon auch weiterhin nebeneinander stehen.

Update, 23.1.17:

Inzwischen ist unser Studiengang Onlinekommunikation (B.Sc.) an der Hochschule Darmstadt im dritten Jahr; in wenigen Wochen kommt der erste Jahrgang aus dem Praxissemester aus Agenturen und Unternehmen zurück. Was ich bisher von Arbeitgebern und Studierenden höre, ist ermutigend: Sie können offenbar sehr gut mit den in den ersten vier Semestern erworbenen Kenntnissen bei den Arbeitgebern anknüpfen. Übrigens hat die Diskussion hier im Blogauch einen kleinen Anteil daran gehabt, weshalb wir den Studiengang interdisziplinär konzipiert haben und Kommunikationswissenschaft, Ökonomie, Technologie und etwas Pädagogik zusammengebracht haben. Mit 70 bis 90 Studierenden pro Jahrgang ist der Studiengang für unsere Verhältnisse zwar groß, aber ein Großteil der Veranstaltungen findet mit etwa 20 Studierenden statt, Projektarbeiten meist sogar in kleinen Teams mit drei bis sechs Mitgliedern.

20 Kommentare

  1. Ich bin bei dem Thema immer noch hin und her gerissen. Zwar habe ich inzwischen auch einige wenige gute junge Leute kennen gelernt, die einen PR- oder Kommunikationsstudiengang absolviert haben (und ja, bei einigen, auch einem deiner Absolventen, war ich an der Einstellung/Auswahl beteiligt).

    ABER: in weit mehr Fällen war ich sehr überrascht, wie sehr Selbst- und Fremdwahrnehmung über die eigene Qualifikation gerade bei Absolventinnen und Absolventen dieser Fachrichtungen auseinanderklaffen. So oder so – und darüber haben wir ja auch schon kontrovers diskutiert – muss in der Regel eine praktische Ausbildung (Volontariat, Traineeship) folgen. Und da sind dann Kommunikationswissenschaftlerinnen etc nicht unbedingt im Vorteil.

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    1. Ja, diese Einschätzung kann ich nachvollziehen. Um ehrlich zu sein, kenne ich keine aktuellen Studienangebote, die ich uneingeschränkt prima bzw. hinreichend fände. Das gilt auch für unseres.

      Bei uns kommen erst in diesem Jahr die ersten Bachelorabsolventen aus der Hochschule, ich bin sehr gespannt, wie sich ihre Karrierewege entwickeln. Vieles kommt auf den einzelnen Studenten an, generell halte ich aber die drei Jahre, die uns für diesen ersten berufsqualifizierenden Abschluss von der Politik gebilligt werden, für viele Studierende für zu kurz. Entscheidend ist mir aber eines: Ich möchte vermeiden, dass PR nur als Handwerk erlernt wird, sondern bin der Überzeugung, dass zum Lernen eine akademische Reflexion ihrer Praktiken gehört.

      Heinz Wittenbrink hat in der Diskussion unseres Strategiepapiers geschrieben (http://bit.ly/JZDMbt): „Das ist eine aufklärerische Position, die sich am Leitbild eines autonomen und auf Wissen und Reflexion gestützten Handelnden orientiert—im Gegensatz zum reinen Praktiker, der nur Anweisungen seiner Kunden oder Vorgesetzten umsetzt.“ Das ist für mich das Fundament.

      Eine andere Frage ist, wie genau im Studium die Brücke zur Praxis geschlagen wird, ob auch Agenturarbeit simuliert und damit geübt wird, ob Praktika integriert sind etc. Dass auch auf diese Basis oft noch ein Traineeship aufsetzen muss, akzeptiere ich, wobei ich wiederum den oft pauschalen Grundsatz mancher Arbeitgeber, PR-Absolventen genauso wie Absolventen anderer Studiengänge zu behandeln, nicht nachvollziehen kann.

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    2. @ Herr L.-R. Warum muss ein Absolvent mit einem PR-Abschluss in einer Agentur ein Volontariat machen, während er im Unternehmen auf einer festen Stelle bei oft deutlich besserer Bezahlung landet? Warum nimmt ein Ingenieur sein Diplom, bewirbt sich im Unternehmen, wird auf eine feste Stellen gesetzt und fängt an zu arbeiten? Agenturen kann ich nicht empfehlen.

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  2. Lieber Herr Pleil, danke für Ihre Anmerkungen, denen ich hunderprozentig zustimme. Vielleicht aber noch ein, zwei Anmerkungen: In der Praxis kenne ich eigentlich keine Berater oder Senior Consultants , die sich als reine Umsetzer für Kundenwünsche verstehen. Im Gegenteil haben wir es sehr häufig mit verdeckten oder offen zutage liegenen Zielkonflikten zu tun, für die immer wieder neue Kompromisslinien gefunden werden müssen. Das funktioniert manchmal sehr gut und manchmal ist es ein hartes Ringen, da Kundenerwartungen und Realisierungschancen am Meinungsmarkt nicht immer kongruent laufen.

    Daher möchte ich eine klare Lanze für die Praktiker brechen, die ohne eine kritische Reflexion ihre Handelns ihren komplexen Job gar nicht machen können. Das Reflektieren im Job lässt sich unter Laborbedingungen immer nur begrenzt üben. Notwendig sind hier gute Team- und Feedbackstrukturen in Agenturen und Unternehmen, wie sie ja häufig bereits vorhanden sind, aber manchmal eben auch nicht.

    Peter Szyska hat Ende der 1990 die Ausbildungs-Trias von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten als Grundlage für ein modernes PR-Qualifikationsprofil aufgemacht, denen ich nach wie vor zustimme. Ich habe aber zunehmend den Eindruck, dass sich bei vielen PR treibenden Organisationen oder Abteilungen der Anspruch einer Kommunikationselite festgesetzt hat, der die Anforderungen an junge PR-Leute immer höher geschraubt hat, ohne die eigenen Tätigkeiten, die manchmal auch banal jedoch notwendig sein können, entsprechend mit diesen vermeindlichen Eliteanforderungen abzugleichen. Daher ist der Sprung zur Notwendigkeit akademischer Top-Abschlüsse, am besten im Bereich BWL oder Jura, nur noch ein kleiner. Aber wird er dadurch richtiger?

    Der Arbeitskräftemarkt verändert sich in den kommenden Jahren rasant. Die Besten der Besten werden nicht mehr für alle reichen und es wird Zeit, die ganze Frage der Personalauswahl stark mit der Frage der Personalentwicklung zu verknüpfen. Hier liegen echte Chancen, auch in Zukunft gute Leute zu finden, die nicht nur pragmatische Job-Hopper sind. Aber dazu muss man Geld in die Hand nehmen, in Qualifikation investieren, die eigene Kreativität anstrengen, um damit die Attraktivität der eigenen Organisation erhöhen.

    Das ist anstrengend und verlangt vielfach ein Umdenken. Sie werden in Darmstadt wahrscheinlich auch nicht nur Einserkandidaten ausbilden, aber auch für die ohne Top-Abschluss wird der PR-Arbeitsmarkt interessante Jobs bieten, da bin ich mir ziemlich sicher. In diese Richtung möchte ich etwas Mut machen genauso wie in Rcichtung der nach wie vor zahlreichen Quereinsteiger, die sich in ihren Jobs durch PR-Weiterbildungsangebote mühen. Und Richtung Arbeitgeber möchte ich für etwas mehr Realismus plädieren. Das war es eigentlich schon. Beste Grüße aus Berlin, Oliver Jorzik

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    1. Danke schön für Ihr ausführliches und hilfreiches Statement, von dem ich zwei Aspekte aufgreife:
      – Ja, auch nach meinem Eindruck werden die Anforderungen an Berufseinsteiger gerade im Kommunikationsumfeld zunehmend höher geschraubt. Zugleich wird aber – und da werde ich ärgerlich – in einigen Fällen nach wie vor so getan, als ob ein Berufsanfänger dankbar sein müsste, dass er sechs oder mehr Monate in einer Agentur oder Abteilung schnuppern dürfe. Bei genauerem Hinsehen werden die jungen Leute dann aber weitgehend als volle Arbeitskräfte eingesetzt – nur zu einem Hungerlohn bzw. ohne sichere Perspektive. Ich habe gerade mit einem Fall zu tun gehabt, bei dem ein internationales und recht großes Unternehmen eine Absolventin als 400 Euro Jobberin beschäftigt hat, während sie die Gesamtverantwortung für die Corporate Website hatte.
      – Völlig richtig ist, dass jeder Absolvent anders ist und manche Top-Abschlussnoten haben, andere nicht. Ich stimme Ihnen völlig zu, dass auch letztere gute Perspektiven haben können. Und diese sollte man als Entwicklungsperspektiven sehen. Arbeitgeber müssen dort ansetzen, ob sie es mögen oder nicht. Dass man dabei mit der von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach erwähnten Wahrnehmungsdifferenz zu tun haben kann, macht das Ganze vermutlich manchmal zu einer kleinen Herausforderung.

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      1. Komplett d’accord, geht gar nicht. Gegen solche Unlauterkeiten hilft nur Öffentlichkeit und immer wieder Öffentlichkeit. Auch mir sind solche Fälle aus dem Orcus der PR bekannt. Zum Glück gibt es auch verantwortungsvolle Arbeitgeber, die müssen tatsächlich Benchmark werden. Und auch sie benötigen Öffentlichkeit und immer wieder Öffentlichkeit.

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  3. Habe die Diskussion verfolgt und nun eine (vielleicht) abschließende Frage: Kann es evtl. auch sein, dass Unternehmen nicht genau wissen, was PR-spezifische Studiengänge, wie z.B. in Darmstadt, Hannover oder Lingen leisten und stattdessen lieber auf altbewährte, weil bekannte Studiengänge zurückgreifen? Und kann es sein, dass die gängigen Qualifikationensanforderungen für manche der Unternehmen, vielleicht auch weil sie auch zu einem gewissen Grad Abstrakt sind, mit erhöhten Anforderungen an Absolventen einhergehen?

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    1. @ Prof. Pleil: Interessantes Forum. Habe es gerade entdeckt und bin an dieser Frage hängen geblieben. Hierzu eine etwas überzeichnete Schilderung aus der Praxis. Daran wird vielleicht sichtbar, warum es so ist, dass eine Wirtschaftsausbildung von Vorteil ist.

      Im Studium lernen Sie, wie wichtig, toll usw. PR ist, wie anders als Werbung, wie professionell Sie mit Medienvertretern kommunizieren sollen, alles über Medien, noch mehr über Journalismus, jede Menge englischer Fachbegriffe wie CSR, Corporate Behaviour. Den Abschluss in der Tasche kommen Sie ins Unternehmen und…. erleben vielleicht dies:

      Sie sind unter 800 Mann, 10 kleinen Standorten … der einzige PR-Mitarbeiter. Ihre Fachbegriffe versteht niemand, denn Sie sind der Einzige unter 300 Technikern und 499 BWLern. Die BWLer kennen natürlich PR und sehen auf Sie herab. Was Sie möglicherweise nicht wissen, wenn Sie nicht BWL studiert haben: Im Fachgebiet Marketing wird PR nur als Teilgebiet behandelt. Aus deren Blickwinkel können Sie also nur einen Teil und der BWL-er mit Marketingvertiefung das Ganze. Das Marketing redet von KPI, Performance, Leads… und der Vertrieb kriegt leuchtende Augen: Leads sind Kontakte und potenzieller Umsatz! Sie reden mit ihm von CSR und sein Gesicht verbiegt sich zum Fragezeichen: „Und was bringt das?“. Sie: „Image im Markt, bei den Medien….“. „Ich brauch kein Image, ich brauch Umsatz!.Na ja: Diese Fuzzis waren ja gestern ganz cool bei Spiegel-TV und lecker Chips, und wie die beim Mitbewerber anrückten, hi, hi. Zum Glück waren sie noch nie bei uns. Die anschreiben? Bloß nicht. Oder das Gegenteil: Sie sollen mal bei der Presse ordentlich Werbung machen für die neue Aktion. Wie, das geht nicht? Haben Sie nun Ahnung von Presse oder nicht? Tolles Marketing, das gar nicht will. Und Ihr Chef? Schneit zweimal in der Woche zur Tür herein, sagt aufmunternd „Alles klar?“, haut Ihnen 5 betriebswirtschaftliche Begriffe um die Ohren und „Mein Termin! Schick es mir ins Hotel, ich bin in zwei Stunden für 10 Minuten erreichbar, wir reden darüber am Telefon.“ Dann können Sie daraus schnell zwei Seiten Text bauen, der betriebswirtschaftlich so klingt, als hätte ihr Chef den geschrieben. (Er ist Diplom-Kaufmann.) Den faxen Sie ins nächste Hotel, er sagt dann okay und verschwindet im Funkloch. Der Empfänger kann nicht länger warten. Das Controlling würde Sie am liebsten jedes Quartal aus dem Büro und aus der Firma rechnen, aber irgendwie sagt Ihr Chef immer nein. Und morgen ruft Ihr Chef aus Hongkong an und meint, er würde ihre GmbH in eine AG umwandeln, machen Sie mal gleich den Text.

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      1. Wunderschön gezeichnet, Stefanie F.:) Irgendwann wird der Chef lernen, dass es mit einer Presseinfo nicht getan ist, wenn er die GmbH in eine AG umwandeln möchte, sondern dass er erst mal eine Story entwickeln muss, um Anleger zu begeistern und dass er in einer guten Kommunikationschefin eine Sparringspartnerin haben kann, wenn es um Fragen der Kommunikation und Wahrnehmung seines Unternehmens geht. Als weitsichtiger Chef weiß er auch, dass sein Unternehmen, seine Produkte überhaupt einmal akzeptiert sein müssen, bevor er Marketingleute losschicken kann.

        Ich bleibe deshalb dabei: PR (oder Kommunikationsmanagement) ist in erster Linie eine Kommunikationsaufgabe. Um diese bestmöglich zu bewältigen – da sind wir uns völlig einig – muss ich mit Kollegen und der Geschäftsleitung auf Augenhöhe kommunizieren können, ich muss also verstehen, wie die anderen ticken – das schließt übrigens auch Ingenieure, Informatiker etc. ein. Dazu muss ich aber nicht Informatiker oder Ingenieur sein.
        Ich kann das Verständnis anderer Vertreter meiner Organisation nicht zum Maßstab machen, um meinen Job, in dem ich mit ganz unterschiedlichen internen und externen Kommunikationspartnern zu tun habe und in dem ich (auch) eigene Ziele im Sinne des Unternehmens verfolgen muss, möglichst gut zu machen.
        Es ist natürlich ein Dilemma der PR, dass Kommunikation sehr viel schwerer in Wert zu setzen ist als eine Marketingkampagne, die direkt in Abverkauf mündet.

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    2. Zum Kommentar von D. Hagenbäumer:

      Zur ersten Teilfrage: Ja, ich fürchte, dass die PR-spezifischen Studiengänge in vielen Unternehmen und Agenturen nicht wirklich wahrgenommen oder gekannt werden. Das ist bei BWL, Medizin oder Maschinenbau vermutlich anders. Die Gründe dazu sind vermutlich vielfältig: Die Studiengänge sind z.B. verhältnismäßig jung, in Darmstadt haben wir pro Jahr normalerweise gerade mal 15 bis 25 Absolventen. Das ist toll für die Ausbildungsqualität, aber natürlich wird ein Studiengang, der im Jahr 500 Absolventen in den Markt bringt, auch anders wahrgenommen. Hinzu kommt, dass der Dialog zwischen Arbeitgebern und Hochschulen sicher ausbaufähig ist.

      Zur zweiten Teilfrage: Ich glaube nicht, dass unsere Absolventen in Konkurrenz zu BWL-Absolventen etc. stehen. Nach allem, was mir bekannt ist, kommen unsere unsere Absolventen sehr gut in den Job, was vermutlich zu einem guten Teil an ihrer spezifischen Online-Qualifikation liegt.

      Zur dritten Teilfrage: Ja, das kann sein. Die Welt wird natürlich immer komplizierter – und die professionelle Kommunikation erst recht.

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      1. Ach ist doch schön zu lesen, dass die „Böse Seite der Macht“ (man erlaube mir die regelmäßige Stichelei) die gleichen Probleme hat, wie der namensgebende Teil des Studiengangs.

        Und wenn ich schreibe „schön zu lesen“ meine ich damit natürlich das genaue Gegenteil.

        Bleibt doch festzustellen, dass sowohl PR-Abgänger als auch Journalismus-Abgänger damit konfrontiert werden -zumindest von einigen Stimmen der Branche-, dass sie doch bitte etwas handfestes studieren sollen und die Praxis dann geringbezahlt im Unternehmen erlernen sollen.

        Ich glaube ein Großteil liegt tatsächlich an dem, was ein Kommentator schon beschrieb: Die Inhalte sind viel zu wenig bekannt in der Branche. Ich hab mich schon regelmäßig als Online-Journalismus Student der Hochschule Darmstadt vorgestellt und wurde nur Sekunden später beim Gegenüber zum Journalistik-Student der TU Darmstadt. Ja, hört den keiner zu? Nein, tut keiner.

        Ich denke, dass der Studiengang sich viel besser positionieren müsste – ironischer Weise eine PR und Journalismus-Aufgabe. Um bei der PR zu bleiben: Es fehlen z.T. die Bench-Marks: Man sollte sich als Praxis-Studiengang nicht zu sehr mit Uni, Diplom, Bachelor hier aufhalten (es geht um die externe Kommunikation), sondern mit dem was zählt: Projekte, Praxisarbeiten, etc. Die Messlate sollten Axel-Springer-Akademie, DJS, HNS sein (im Journalismus, wer in der PR Leuchtturm ist, weiß ich nicht). Es kann ja nicht sein, dass die ASA unter zurhilfenahme von 2 Agenturen ein iPad-Magazin macht und als Innovationsmotor darsteht und wir gleichzeitig das gleiche machen – vollkommen in Eigenregie – und kein Schwein in der Branche das auf die Nase gebunden bekommt.

        Das ist so ein wenig das Selbstverständnis was fehlt, dass ein gutes Projekt von Semester X auch Semester Y auf dem Berufsmarkt hilft und demnach gepushed werden muss und gleichzeitig auch offen gesagt werden können werden muss, dass ein schlechtes (unprofessionelles) Auftreten von Projekt X, auch für die anderen schlecht ist.

        Ich denke, wenn dieses vergleichbare Problem doch in beiden Schwerpunkten besteht, kann, nein muss, man es auch gemeinsam angehen und fragen, ob es nicht auch die gleichen Ursachen hat.

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      2. Natürlich kann man immer mehr PR machen – sogar für Journalismusabsolventen, die PR so gar nicht mögen ;) Da ist sicher auch bei uns noch eine Menge Verbesserungspotenzial, wobei man auch die vorhandenen Möglichkeiten sehen sollte: Klar, man kann Projekte besser öffentlich platzieren, es muss aber jemand die Luft dazu haben. Wobei mit die beste PR aus meiner Sicht überhaupt gute Projekte mit Redaktionen (bzw. Agenturen/Unternehmen) sind, die dort bleibenden Eindruck hinterlassen oder Studenten und Professoren, die in der Branche sichtbar sind – auch durch Blogs, auf Fachveranstaltungen etc.

        Insgesamt ist das Thema aber auch ein grundsätzlicheres: Es geht um die gegenseitige Wahrnehmung von Arbeitgebern und Akademia bzw. auch ganz schlicht um Angebot und Nachfrage.

        Für unsere PR-Absolventen habe ich den Eindruck, dass die Bedingungen zum Berufseinstieg langsam, langsam besser werden, aus dem banalen Grund, dass ausgebildete PR-Leute halt im Moment gesucht sind. Bei Journalisten ist das in der Tendenz anders, wobei bestimmte Qualifikationen nach meinem Eindruck mittlerweile auch intensiver nachgefragt werden.

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      3. Zu Bekanntheit, ‚PR-Leuchttürmen‘ und ‚Benchmarking‘, die Andreas Grieß hier anspricht: news aktuell und Faktenkontor haben 2010 und 2011 Trendumfragen unter Fach- und Führungskräfte aus der Kommunikationsbranche (Agenturen/Pressestellen) zur Aus- und Weiterbildung in der PR durchgeführt. Dabei wurden u.a. Erwartungen bezüglich der Ausbildung sowie die Bekanntheit von Studiengängen erhoben. Hier die beiden Präsentationen:
        http://www.slideshare.net/newsaktuell/blitzumfrage-pr-ausbildungjuli2010 (ab Seite 18)

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  4. Es freut mich sehr, dass einem Professor für Onlinekommunikation und PR bei dem selben Zitat der imaginäre Hut hochgegangen ist wie bei mir und ich mit meinem Kommentar nicht alleine stehe. Viele Grüße

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  5. Studium muss sein – doch aber zu welchem Preis? Die Studienjahre sind schon lang nicht mehr die schönsten Jahre der Jugend oder gar des Lebens. Bücher, Wohnungen und Nebenkosten sind unverschämt teuer, die Uniplätze rar und die Bedingungen in den Hörsälen mehr als beschämend. In einer Vorlesung sitze ich seit 4 Wochen auf dem Boden. Ich brauche nicht weiter ausführen, dass es unter diesen Umständen nicht möglich ist, ein Maximum aus so einer Veranstaltung herauszuholen. Ich hoffe, hier tut sich langsam mal etwas, andernfalls sehe ich schwarz für unsere höheren Bildungswege.

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