Offline ist keine Lösung

Heute mal ein paar Zeilen scharf an der Grenze, off topic zu sein: Mich beschäftigt – vor allem aus eigenem Erleben – immer wieder die Frage, ob offline zu sein, wirklich erstrebenswert ist. Manche halten es ja für einen Gewinn, mal zwei Wochen völlig auf Internet und Mobilfunk zu verzichten. Das ging mir auch eine Weile so. Im Moment bin ich am Ende einer Phase, in der das, was oft als Work-/Life-Balance bezeichnet wird, für ein paar Monate kräftig durcheinander gerüttelt wurde. Und jetzt? Alle Online-Verbindungen kappen, damit die dringend notwendige Erholung eintritt?

So recht kann ich mir das nicht mehr vorstellen. Deshalb finde ich den Artikel „Der falsche Traum vom Offlinesein“ von Eike Kühl (online bei zeit.de) besonders lesenswert. Er wundert sich über die Meinung mancher, dass das Authentische, das wahre Leben nur Offline stattfinden kann und hält dieser Sicht Peter Sundes Einstellung gegenüber, der trocken meint: „Auch das Internet ist real.“ Die Diskussion ist eigentlich ziemlich alt, aber sie kocht eben immer wieder hoch.

Weil heute der letzte Tag unseres Sommersemesters ist, passt für mich jedoch die Frage, was Lebensqualität ist. Für mich beginnt sie nicht, indem grundsätzlich „off“ gehe. Mir ist wichtiger, in einer ruhigeren Phase weniger fremdbestimmt zu sein. Weniger Meetings, eine Zeit ohne Lehrveranstaltungen und Prüfungen, mehr Entscheidungsfreiheit. Mehr genutzte Möglichkeiten.

Das Waldlog - ein kleines neues FotoblogUnd diese Freiheit nehme ich mir auch im digitalen Alltag. Zwei Beispiele: Vor zwei, drei Jahren habe ich alle meine Mails über GMail abgeholt – weil der Dienst fantastisch bequem ist. Dies habe ich wieder geändert: Dienstliche Mails landen seit Monaten wieder in einem separaten Mail-Client. Und wann ich den öffne, entscheide ich. Dass ich in einer Urlaubsphase auch mal Tage lang komplett off bin, ist klar. Und ansonsten? Ich bin jetzt wieder mehr im Wald. Was ich auf diesen Spaziergängen sehe, sammle ich mit dem Handy. Entstanden ist so ein neues kleines Onlineprojekt, das Waldlog. Nur für mich – und viel zu langweilig für viele andere. Aber: Für mich ist dieses kleine Onlineprojekt auch eine Form von Erholung.

Oh, der Regen hat aufgehört – ich dreh dann mal eine Runde. Und Ihr?

8 Kommentare

  1. Hallo Herr Pleil,
    stimme Ihnen zu. Das Web macht Spaß – und wenn man dienstliche Inhalte ausgrenzt, dann kann man diesen auch in Erholungsphasen erleben ;-)
    Viele Grüße
    Alexander Stocker

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  2. Du hast natürlich völlig recht, aber ich glaube es ist auch relativ klar, woher diese Idee rührt:
    Für viele Leute ist der PC in erster Linie „Arbeitsgerät“. Damit ist für sie „offline“ == „nicht Arbeiten“. D.h. was sie eigentlich meinen ist: Ich kappe meine Verbindungen zur Arbeit und widme mich nur meiner Freizeit.

    Für Menschen, bei denen Computer und Internet ein wichtiger Teil ihrer Freizeit sind, funktioniert diese Gleichsetzung „Computer“ == „Arbeit“ halt nicht.

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  3. Offline macht keinen Sinn – das ist wohl wie bei Diäten … danach hat sich nichts grundsätzlich geändert ,-)

    Bewußter Umgang, auch mal „Nein“ sagen und Smartphone/Rechner mal ausschalten sind auch für mich die bessere Alternativen.

    Viele Grüße
    @GerdFleischer

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  4. Ja, die Gleichung online = Arbeit ist ein Irrtum – zumindest für alle, die auch mal online nach Freizeitthemen recherchieren, Facebook nutzen, YouTube oder oder oder. Wie auch immer: Gute Erholung allen!

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  5. Ich kann meinen Vorrednern nur uneingeschränkt zustimmen. Rechner = Arbeit, aber auch Rechner = Freizeit. Das ist wie mit Texten auf Papier. Nur weil ich Urlaub habe, heißt das nicht, dass ich nicht lese. Nur weil ich beruflich viel telefonieren, heißt das nicht, dass ich in der Freizeit nicht mehr telefoniere. Online sein ist nichts anderes, als ein Medium zu nutzen, wofür auch immer. Für die Arbeit oder für die Freizeit. Habe ich frei, habe ich endlich mal Zeit, das im Internet zu tun, wozu ich im Arbeitsalltag nicht oder nur selten komme. Und genau wie bei der Arbeit ist es auch in der Freizeit: Eine normale Mischung = Balance zwischen Mediennutzung und sogenanntem realen Leben macht das Leben oder Arbeitsleben insgesamt aus. Warum also offline sein (wollen)?

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  6. Speziell das Beispiel mit dem Wald, am Ende des Artikels, zeigt wunderbar, dass man nicht zwangsläufig Offline sein muss, um das „Real Life“ genießen zu können.

    Die Gesellschaft mus sich ganz einfach von dem Bild lösen, dass Online bedeutet, dass Menschen in einem dunklen Raum vor ihrem Computer rumhängen und den Bezug zur Realität verlieren.

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  7. Lieber Herr Pleil,

    ich stimme Ihnen absolut zu! Ist nicht auch Erholung das, was einfach nur richtig viel Spaß macht? Und dazu gehört – wie mein täglicher Spaziergang am See – nun auch mein neues Hobby: meinen Blog zu pflegen. Zuerst nur angedacht als „Marketinginstrument“ für mein Musikerdasein, doch nun macht es richtig viel Spaß, nette Artikel zu schreiben, Fotos herauszusuchen, mit GIMP herumzutüfteln u.s.w..

    Letztlich denke ich, dass doch alles nur eine Frage des gesunden Maßes ist. :-)

    Kölsche Herzensgrüße
    Marion Brüsselbach

    Soul Diva vum Rhing
    Die Stimme mit Herz und Seele

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