Online-PR: Eine Disziplin mit Zukunft?

Wohin geht es mit der Online-PR?

Zum zehnten Geburtstag des Studiengangs Journalismus und PR an unserer Partnerhochschule FH Joanneum in Graz hatten mich die Kollegen um Heinz Wittenbrink um eine Special Lecture zu „Zukunftsskizzen der Online-PR“ gebeten. Die Zukunft vorherzusagen traue ich mich nicht, habe mich aber bemüht, einige aktuelle Herausforderungen zu adressieren und schlussendlich kurz zu diskutieren, ob es Online-PR noch braucht.

Das Spannende an der Online-PR ist ja, dass wir das Unmögliche – den Blick in die Zukunft – kaum brauchen, um Herausforderungen für zumindest die nächsten Tage zu identifizieren. Viele davon sind uns schon lange bewusst (aber sie stehen noch immer auf der To do-Liste), ein paar kristallisieren sich vielleicht gerade noch stärker heraus. Klar, wer sich mit Online-PR beschäftigt, muss ständig auf’s Neue verstehen, was „online“ bedeutet: Aus technologischer Sicht, in Hinblick auf Kompetenzen (eigene und jene der Stakeholder), in Bezug auf Öffentlichkeit und soziale Netzwerke, Kommunikationsstile und -ziele, Erwartungen, Inhalte, Interessen und so fort.

Viele der Überlegungen, die in meinen Vortrag geflossen sind, sind den Lesern des Textdepot bestens vertraut. Insofern will ich nur wenige Punkte kurz herausgreifen, die uns nach meinem Eindruck in nächster Zeit intensiver beschäftigen werden und die wir in Graz ein bisschen intensiver angeschnitten haben:

  • Multimedia ist ja in Bezug auf das Internet eigentlich ein uraltes Thema. Für die PR scheint mir aber der Sprung vom Text- ins Bilddenken besonders herausfordernd. Wer weiß, wie die Fotoarchive vieler PR-Abteilungen aussehen, weiß, was ich meine – und dann kommt erst Video. Aber: Die PR befindet sich in einer Art „visual turn„. Natürlich geht es nicht nur darum, überhaupt mehr Bilder, Videos, Grafiken einzusetzen, sondern dies systematisch mit PR, Identität und Geschichten zu verbinden. Mit schnellen (mobilen) Internetverbindungen und Plattformen wie Pinterest, Instagram, aber auch Tumblr Facebook und Google+ haben wir so viele Möglichkeiten und Notwendigkeiten visueller Botschaften wie noch nie zuvor.
  • Offene Daten: Wir sprechen seit einiger Zeit über Datenjournalismus, über Auskunftsansprüche von Bürgern gegenüber Behörden. In diesem Zusammenhang gehe ich davon aus, dass Unternehmen und NGO sich mit zunehmend vernehmbareren Anforderungen von Interessierten auseinandersetzen müssen. Ich frage mich, inwiefern wir künftig als Pendant zum Datenjournalismus von Data-PR sprechen werden. Dass sich hier Interessen von Unternehmen und Stakeholdern gewaltig widersprechen können, ist zu erwarten.
  • Die Stakeholder-Perspektive: Sie einzunehmen ist zugespitzt formuliert ein traditionell blinder Fleck vieler PR-Aktivitäten wie auch der PR-Forschung. Mehrfach wurde es in Graz (auch von anderen) angesprochen: Unternehmen und Organisationen sind in Sozialen Netzwerke Gäste. Über die Bedingungen, unter denen sie längerfristig dort akzeptiert sind, wissen wir viel zu wenig.
  • Integrierte Kommunikation ist ein Begriff, der schon in den neunziger Jahren geprägt worden war. Damals hatten erste Unternehmen damit begonnen, Kommunikationsaufgaben in eine Abteilung zu integrieren und die alte Trennung zwischen Marketing und PR weitgehend aufzuheben. Die Notwendigkeit eines zumindest integrierten Verständnisses hierzu besteht durch die Entwicklung des Internet als Plattform mehr denn je. Mit dem Unterschied, dass die PR in content-dominierten Zeiten gegenüber dem Marketing deutlich selbstbewusster auftritt.  Ein anderer Aspekt von Integration in der Online-Kommunikation ist das Zusammenspiel einzelner Maßnahmen und Plattformen – einschließlich der Corporate Website.

Angesichts der vielen Fragestellungen, die ich oben angerissen habe, ist es vermutlich nicht möglich, alle Herausforderungen der nächsten Zeit zu adressieren. Insofern sind sowohl die vier oben herausgegriffenen Aspekte als auch die anderen Überlegungen im Vortrag meiner individuellen Brille zuzuordnen. Andere würden sicher noch weitere Punkte nennen und manches anders gewichten.

Ergänzend könnte schließlich die Frage gestellt werden, ob wir künftig den Begriff Online-PR noch benötigen. Denn mittlerweile ist den meisten klar, dass es keine wirkliche Trennung zwischen online und offline gibt und entsprechend (fast) jedes Kommunikationskonzept einem übergreifenden Anspruch gerecht werden muss. Insofern wäre es logisch, irgendwann wieder nur noch über die klassischen Disziplinen der PR – beispielsweise Investor Relations oder Mitarbeiterkommunikation – zu sprechen. Allerdings habe ich – gerade als Ausbilder – den Eindruck, dass das Label „Online-PR“ bis auf Weiteres noch wichtig bleibt. Beispielsweise, um Arbeitgebern ein Signal zu den Qualifikationen von Absolventen zu geben.

Weitere Herausforderungen der Online-PR und damit eine To Do-Liste für die nächste Zeit finden sich in der Präsentation. Ich habe nach einem kurzem Austausch mit Klaus Eck nach dem Vortrag den Begriff des „Visual Turn der PR“ noch ausdrücklich in die Präsentation aufgenommen.

15 Kommentare

  1. es gibt einen weiteren (kleineren) aspekt zum begriff „online-pr“, und zwar die abgrenzung zu „digital“. wer zum bsp pressemitteilung per email verschickt, macht das natürlich online, genauso wie der adressat online ist, wenn er die mail empfängt. nur, damit ist die mitteilung noch lange nicht öffentlich im internet auffindbar. damit meine ich, dass „online“ eher ein synonym für „öffentlich“ ist als von „digital“, was ich nicht ganz unwichtig finde vor allem im hinblick auf die pr von kmu.

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    1. Den Aspekt zu den KMU kann ich nicht ganz nachvollziehen, sehe aber diese Differenzierung ganz ähnlich. Grundsätzlich halte ich es für wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Internet One-to-One-Kommunikation genauso zulässt wie One-to-Many- und Many-to-Many-Kommunikation – und vielleicht sind Shitstorms eine Art Many-to-One ;). Und in jedem Modus gibt es andere Anforderungen an die Kommunikation, andere Möglichkeiten etc. Insofern muss ich auch auf dieser Ebene entscheiden, was im Einzelfall sinnvoll ist.

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  2. Lieber Thomas Pleil,
    mit Blick zurück in die Zukunft habe ich mit Interesse diesen Beitrag gelesen. Aktuell bin ich aus einem Worst-Practice Beispiel eines großen deutschen Versicherungsunternehmens auf eine Fragestellung gestoßen, die mir in der Forschung wenig bis gar nicht bearbeitet erscheint. Sie schreiben vom ‚blinden Fleck in Sachen Stakeholder‘, ich gehe noch einen Schritt weiter und spreche von einer ‚Audience Gap‘, der Diskrepanz zwischen Publikum und Zielgruppe. Denn was ist mit Nutzern, die sich durch Online-PR angesprochen fühlen, jedoch gar nicht angesprochen werden sollen (exemplarisch wenn der Unternehmenssprecher twittert)? Eine deutliche Ansprache scheint mir noch nicht wirklich überall angemessen umgesetzt. Gibt es hierzu schon Überlegungen oder ist dies einfach nicht relevant? Danke!
    Es grüßt
    Franziska Kümmerling

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    1. Liebe Franziska Kümmerling,

      ich sehe zwei Ansätze, die helfen könnten, dieses Problem zu lösen.

      Zum einen den ganz klassischen Ansatz der Bezugsgruppe (Stakeholder), wie er in der PR-Theorie seit gut zwanzig Jahren bewährt ist. Er bringt schon mal zum Ausdruck, dass es nicht wie bei Zielgruppen darum geht, (nur) diejenigen anzusprechen, auf die das Unternehmen mit der Kommunikation zielen möchte, sondern eine Wahrnehmung für alle zu gewinnen, zu denen ein Bezug besteht. Wenn Menschen z.B. den Eindruck haben, durch das Handeln eines Unternehmens seien sie betroffen, ist dieser Bezug da, es besteht die Notwendigkeit zur Kommunikation mit ihnen – auch wenn das Unternehmen das vorher gar nicht so erwartet hat.

      Zum anderen gilt es natürlich, die Bezugsgruppen möglichst gut zu verstehen: Ihr Informationsbedürfnis, die Erwartungen an das Unternehmen, die Onlinenutzung (z.B. Plattformen, Zeiten), aber auch Pain Points etc. In der klassischen Website-Konzeption bzw.im UX-Design werden diese Informationen meist zu sog. Persona verdichtet. Nach meinem Eindruck wird dieses Vorgehen langsam auch an andere Fragestellungen der Onlinekonzeption adaptiert, gerade mit der Diskussion um Content Strategie entsteht hierfür ein stärkeres Bewusstsein.

      Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass die Sicht der Bezugsgruppen bei der Planung von vornherein integriert wird. Stellt man zB. fest, dass ein nennenswerter Anteil der relevanten Journalisten und andere Influencer Informationen über Twitter erwarten, sollte der Pressesprecher twittern. Erreicht er diese dann – wunderbar. Und wenn er dann noch weitere Abonnenten gewinnt, an die er nicht gedacht hat: Auch gut. Denn sein Infoangebot wird dann offensichtlich auch von anderen als relevant gesehen.

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      1. Großartig! Von der Ziel- zur ‚Bedarfsgruppe‘ und über vermutete Erwartungen sattelfest zum Unerwarteten. Aus der doppelten Kontingenz, die hier ja in Reinstform vorliegen dürfte, dann hin zu Anschlusskommunikation(en). Prima, mit diesen Bausteinen dürfte ‚mein blinder Fleck‘ zu fassen sein! Problematisch sehe ich nach wie vor, dass auch mit dem Erkennen von Ziel- und/oder Bedarfsgruppen (sprachliche) Milieus geschaffen werden, was zwangsläufig zu Irritationen führt. Hier vielleicht die klare Abgrenzung der Ansprache ohne Ausgrenzung.
        Vielen Dank für Ihre Hinweise!
        FK

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