Influencer Relations: Zeit statt Geld

Digitaler Stress frisst Zeit.

Zu Blogger Relations – behiehungsweise zur Kommunikation mit Influencern – wurden in den vergangenen Jahren schon viele, viele gute Artikel geschrieben. Was soll ich also dazu noch sagen, dachte ich mir, als Mike Schnoor zur Blogparade aufgerufen hat. Beim Lesen einiger neuerer Texte ist mir eine immer wieder kehrende Botschaft aufgefallen: „Influencer Relations sind teuer“, wird oft argumentiert. Dies ist sicher nicht falsch. Aber ich möchte durch meinen Artikel eine andere Perspektive in die Diskussion bringen. Ich behaupte: Man muss nicht immer riesig-aufwändige Events aus dem Boden stampfen. Der Baukasten zu Blogger bzw. Influencer Relations enthält auch kostenlose Möglichkeiten. Naja, nicht ganz kostenlos, denn Zeit muss schon investiert werden, und zwar dauerhaft. Aber man muss nicht zwingend gleich ein großes Budget schaffen.

It’s all about the money„, hat Jens Stoewhase seinen Beitrag bei medienrot zur Blogparade überschrieben, und er führt aus:

Wer sich in der Kommunikationsbranche bereits mit Blogs auseinandergesetzt hat, der wird wissen, dass es Inhalte und die dazugehörenden BloggerInnen nicht für umsonst gibt. Teilweise bekommt man sicherlich für einen günstigen Gegenwert einen Text geschrieben, aber wenn man das Thema insgesamt betrachtet, dann kommen da einigen Kosten zusammen.

Man könnte lange über diese Formulierung diskutieren. Ich lasse es dabei bewenden, dass dieser Gedankengang so nicht ganz von mir käme. Recht gebe ich Jens Stoewhase aber, wenn er betont, dass der Begriff „Blogger Relations“ eigentlich in die Irre führt und es nicht nur um Blogs geht, sondern um Beziehungen zu

selbständig und eigenverantwortlich publizierende Menschen, die ihre Inhalte in der Form von Fotos, Grafiken, Videos, Audiopodcasts und Texten auf verschiedenen Plattformen veröffentlichen.

Manche sind auf vielen Plattformen gleichzeitig unterwegs, andere besonders auf Youtube oder Facebook, Twitter oder Instagram. Sie sie „neue Meinungsmacher“ und können ihr Umfeld beeinflussen; deshalb gelten sie als Influencer.

Richtig ist bestimmt auch, dass viele Aktivitäten, die Unternehmen für Influencer planen, immer aufwändiger geworden sind in den letzten Jahren, denken wir zum Beispiel an manche Events für Reise-, Mode-, Tech- oder Autoblogger. In diesem Atemzug muss man auch sagen, dass in diesen Feldern teilweise eine große Professionalisierung geschehen ist und einzelne Blogs sich eine enorme Wahrnehmung erarbeitet haben – und Blogger anspruchsvoll sein müssen, wenn es um gute Inhalte geht. Und damit Arbeitsabläufe für Influencer funktionieren und Wichtiges rüberkommt, müssen auch Events professionell organisiert sein, die dann kein nettes Freizeitvergnügen, sondern eben auch Arbeit für die beteiligten Blogger sind. Dass auf der anderen Seite gelegentlich eine übertriebene Anspruchshaltung von Bloggern gegenüber Firmen kritisiert wird, sei nicht verschwiegen. Soll’s ja auch bei Journalisten geben.

Doch das ist nicht mein Thema. Mir geht es ja um einfache Ansätze der Influencer Relations. Diese sind überhaupt nicht neu – ich kann sie also nur in Erinnerung rufen. Gemein ist meinen Vorschlägen, dass sie darauf abzielen, Blogger und andere Influencer endlich nicht als Pitch-Opfer zu sehen – nach dem Motto: Wir mailen ihnen ja so tolle Infos, da müssen die einfach publizieren. Statt dessen zielen meine Tipps darauf ab, ohne klassische Verteiler auszukommen.

Kurz zusammengefasst habe ich vier simple Tipps: Zuhören, diskutieren, verlinken, treffen. Was ist damit jeweils gemeint?

Baustein 1: Zuhören
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, den für mein Unternehmen relevanten Influencern online zu folgen und ihre Blogs zu lesen bzw. wahrzunehmen, was sie wo auch immer im Netz publizieren. Wer hierauf verzichtet, wird weder im Themenfeld (zumindest wie es online diskutiert wird) wirklich zu Hause sein, noch wirklich verstehen, wie die Community tickt und was sie beschäftigt. Wie wird argumentiert, wie ist der Kommunikationsstil, welche Trends werden gesehen, welche Erwartungen formuliert? Aus meiner Sicht ist dieses Zuhören die entscheidende Grundlage für die nächsten Bausteine.

Baustein 2: Diskutieren
Jetzt kommt der vermutlich heikelste Punkt: Bloggen – und allgemein das Veröffentlichen im Web – ist auch ein Angebot zur Diskussion (zumindest in 95 Prozent der Fälle). Wer also zum Beispiel bloggt, lädt andere zur Diskussion ein. Das gilt im Grundsatz auch für Vertreter von NGO oder von Firmen. Heikel ist dieser Punkt aber, weil die Gefahr nicht gering ist, dass eine solche Diskussion nicht gelingt, weil Firmenvertreter sich vielleicht unglücklich anstellen. Vielleicht haben sie nicht gut genug zugehört und deshalb nicht gemerkt, dass auf sie im einen Blog grundsätzlich allergisch reagiert wird, oder dass es im anderen spezielle Vorbehalte gibt. All dies muss aber nicht sein, aber deshalb sollte man ja wissen, in welches Wasser man sich begibt. Unabhängig von Einstellungen gegenüber von Unternehmen gibt es aber vermutlich bestimmte Erwartungen an den Kommunikationsstil. „Transparent“ und „auf Augenhöhe“ heißt es da zu Recht immer so schön. Will heißen: Man muss schon zu verstehen geben, wessen Interesse man vertritt. Und diskutieren heißt nicht, Werbefloskeln abwerfen. Wer aber dies beherrscht, kann nach meiner Einschätzung sich einigen Respekt verdienen.
Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt: Wer sich in Diskussionen beteiligt, tut dies ja, um diese voran zu bringen, um neue Argumente oder Sachverhalte einzubringen oder mit konkreten (vielleicht auch mal klarstellenden) Fakten aufzuwarten. Und noch ein letzter Aspekt zum Thema Diskutieren: Ich muss nicht zwingend in den Kommentaren eines Blogs diskutieren: Wenn ein Thema gewichtig genug ist, kann ich die Diskussion auch auf eigenen Plattformen aufgreifen (ähnlich wie ich das oben gemacht habe). So ich denn eigene Plattformen im Social Web habe.

Baustein 3: Verlinken
Für mich ist’s eine ganz simple Sache: In der digitalen Kommunikation beginnen Beziehungen mit Links und nicht mit Verteilerlisten. Also gehört Verlinken zu Blogger Relations. Auch das geht natürlich nur, wenn ich auf Augenhöhe kommuniziere. Also, wenn ich selbst ein Blog habe, oder ein Profil in einem Social Network. Dann kann man sehr einfach auch mal auf lesenswerte (oder kontroverse) Beiträge eines Bloggers hinweisen bzw. diese aufgreifen. Man benötigt dazu den Mut, gegen manche Chefs zu agieren, die meinen, Verlinkungen zu anderen Angeboten seien ja grundböse. Ich sehe das anders: Nämlich als Zeichen dafür, dass ich die Arbeit eines anderen respektiere und dass – nebenbei – Links ein Service für meine Leser sind.

Baustein 4: Treffen
Auch ein altbekannter Ansatz: Dorthin gehen, wo Blogger und andere Influencer eben sowieso sind. Also auf Messen, Barcamps oder andere Veranstaltungen. Hat man die ersten drei Bausteine hübsch gestapelt, findet man bestimmt eine Möglichkeit, sich dann mal persönlich bei einer Tasse Kaffee auszutauschen.

Fazit:
Wie gesagt, meine vier Bausteine sind an sich alt bekannt, ganz ähnlich argumentiert z.B. Michael Kausch. Hinter ihnen stehen wiederum verschiedene Fragen. Zum einen frage ich mich, ob man ernsthaft Influencer Relations ohne eigene Plattformen im Social Web – zum Beispiel ein Corporate Blog – betreiben kann (mehr dazu bei Klaus Eck). Dies gilt natürlich nicht nur, weil man im eigenen Kommunikationskanal reagieren kann, sondern besonders, weil man Themen setzen kann, die hoffentlich so interessant sind, dass auch mal von anderen weitergetragen werden. Die zweite Frage ist die, inwiefern sich das von mir beschriebene Verhalten auslagern lässt. Anders ausgedrückt: Ich vermute, dass viele Agenturen dazu neigen, Influencer Relations ähnlich wie Pressearbeit zu verstehen („wir brauchen gute Verteiler“) oder/und sehr aufwändige Events umsetzen. Das kann in vielen Fällen sinnvoll sein, und eine gute Agentur ist da sicher viel wert. Langfristige Blogger Relations funktionieren aber nach meiner Erfahrung zwischen Personen, die sich gut kennen, am besten. Nicht jede Agentur hat solche Persönlichkeiten, die noch dazu langjährig an ihrer Position sind (bzw. billigen viele Kunden ihren Agenturen ja nur kurzfristige Projektarbeit zu). Insofern meine ich, dass mit oder ohne Agentur sich mindestens eine Person im Unternehmen für Blogger Relations verantwortlich fühlt. Und die dritte Frage betrifft letztendlich die Haltung, mit der Bloggern begegnet wird. Sollen sie instrumentalisiert werden, damit sie mein Thema schreiben oder geht es um wirkliche Beziehungspflege, in der beide Seiten sich respektieren?

Eine Klarstellung ist mir jedoch wichtig: Die hier beschriebene Vorgehensweisen sind kein Allheilmittel und ich will nicht in Frage stellen, dass in vielen Fällen viel aufwändigere Ideen umgesetzt werden sollten. Wie immer in der PR muss man sich die Situation individuell anschauen. Und letztlich würde ich den Botschaft so formulieren: „It’s all about time.“

Abschließend noch ein Hinweis auf andere Artikel, die ich schon mal zu Blogger Relations geschrieben habe:

(12.3.2018: Artikel wurde leicht modifiziert)

12 Kommentare

  1. Lieber Herr Pleil, danke für Ihre Erwähnung, das Feedback und Ihre Ergänzungen. Vielleicht nur eine kleine Anmerkung zur Einordnung meiner steilen These „BloggerInnen kosten Geld“:

    Die Arbeit mit BloggerInnen kostet Zeit. Diese Zeit ist in jedem Unternehmen Geld wert und wird auch bewertet – das ist meine persönliche Erfahrung. Daher ist für mich die Auseinandersetzung mit BloggerInnen auch budgetseitig ein Thema. Time is money. Und wenn man die Zeit mit BloggerInnen ergebnisorientiert nutzt und dabei gute Arbeit leistet, dann ist das gut und praktisch eingesetztes Geld – meiner bescheidenen Meinung nach. Blogger-Relations werden erst dann teuer, wenn man es verkompliziert und die eigenen Befindlichkeiten in den Vordergrund stellt. Das wollte ich mit meinem Beitrag transportieren.

    Herzliche Grüße aus Berlin – Jens Stoewhase

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    1. Danke schön für die Einordnung, da sind wir sicher nahe beieinander, natürlich besonders, was das mögliche Ergebnis betrifft. Wie immer ist es ja eine Sache der Planung, unter anderem, damit man Zeit und Geld an der richtigen Stelle investiert.

      Und klar: Zeit ist Geld. Mir ging es vor allem darum, deutlich zu machen, dass man nicht immer ein großes Budget braucht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wir in unserer Arbeit (http://ebusiness-info.de/) sehr oft mit KMU zu tun haben, die sofort aussteigen, wenn es um Budgetfragen geht, die aber zum Teil gerade überlegen, ihre personellen Ressourcen für die Onlinekommunikation aufzubauen. Sie fragen dann, welche Aufgaben diese Leute denn genau machen sollten. Ich meine: Social Media Management und Blogger Relations gehören da sehr eng zusammen.

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      1. Ich möchte Thomas an dieser Stelle Recht geben. Zeit ist Geld, aber wenn man die interpersonellen Fähigkeiten nicht mitbringt, kann man viel Zeit für nichts investieren.

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  2. Vorne weg – der Artikel ist gut und den sollten sich einige Corporate-Blogs-Verantwortliche sehr zu Herzen nehmen. Ich finde die Gliederung von Zuhören bis Treffen sehr schön.

    Ich bin allerdings der Meinung von Jens. (Falle jetzt mal ins Du). Zeit ist Geld. Das sehe ich an unseren monatlich Abrechnungen und an den Gehaltsstreifen der Blog- / Social-Media-Mitarbeiter in den Unternehmen. Und da gibt es dann wenig zu diskutieren – weder beim KMU noch beim Konzern.

    Der Euro ist überall sehr viel wert.

    Deswegen denken wir bereits heute über Effizienz-Potenziale nach. Z.B. in der Themenfindung, Freigabeprozessen – aber auch in der Zieldefinition und Erfolgskontrolle.

    Am Ende muss sich auch mein Blog, der kein Geld kostet, sondern nur Zeit, rechnen.

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    1. Völlig einverstanden. Es vollkommen richtig, dass man immer genau planen muss, worin man Zeit/Geld investiert, deshalb habe ich von der individuellen Konzeption gesprochen. Hier beginnen (um bei Deinem Beispiel Blogs zu bleiben) Zieldefinition, die Planung redaktioneller Prozesse und die Basis für die spätere Erfolgskontrolle.

      Letztlich ging es mir darum, das mögliche Missverständnis zu verhindern, dass man nur genug Geld in die Hand nehmen muss und Blogger Relations dann schon klappen werden. Das war sicher in Jens‘ Artikel sonicht gemeint – ich habe aber oft genug Leute getroffen, die so denken und ähnlich wie sie Anzeigen kaufen, mal ein paar Pfund Blogger Relations bestellen möchten. Insofern war mir die Überschrift des Artikels ein wenig zu zugespitzt.

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  3. Ich stimme den Herren zu: In Unternehmen zählt in erster Linie Geld. Je nach Unternehmensform ist es wichtig, dass Quartal für Quartal die Zahlen stimmen.

    Und genau diese Tatsache steht häufig Beziehungen jeglicher Art im Wege:

    Eine ernsthafte Beziehung baut man nicht über Nacht auf. Es braucht Zeit (und somit Geld), eine langfristige Erfolgsorientierung (statt kurzfristiger Ziele) und einen Verantwortlichen, der das Prinzip versteht und es innerhalb des Unternehmens zu verkaufen weiß.

    Beziehungsmanagement kommt in vielen Unternehmen leider immer noch zu kurz. Das mag sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ändern. Es bleibt jedenfalls spannend diese Entwicklung zu beobachten.

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  4. Ich bin ganz deiner Meinung. Blogger Relations bilden sich zwischen in Auftrag stehenden Kommunikatoren und Bloggern. Die zwischenmenschliche Kommunikation spielt hier ihre Vorteile aus, an die ein noch so datenperfider Verteiler niemals herankommen kann. Besonders die Fluktuation in manchen Unternehmen/Agenturen verhindert gelungene Blogger Relations – aber diese Herausforderung des Zeitinvestments aber auch Geldinvestments in Form von Personal(bindung) gilt es gleichermaßen bei der Kommunikation mit Journalisten und allen anderen Multiplikatoren und Meinungsbildnern zu lösen.

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  5. Klasse Tipps, Thomas. Vor allem der letzte ist wahrlich selten nur gesehen. Wobei ich zugeben muss, selbst als Blogger nicht so oft auf Messen oder Barcamps, etc. anzutreffen bin. Ich denke da hat es viel mit dem Thema bzw. der Branche zu tun und der Intention des Blogs. Wer es als Grundlage für sein Business nimmt (ich denke da v.a. an die vielen Berater) kommt natürlich kaum drum rum, aber Hobby-Blogger können ebenfalls für Unternehmen interessant werden, denn die Zahl der Leser groß genug ist.

    Wie dem auch sei, gute Anregungen, die sich Unternehmen (und natürlich auch Fellow-Blogger) gern mal hinter die Ohren schreiben dürfen ;-)

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