Referate: Freie Themenwahl und fünf Minuten – Erfahrungen

(Foto: nudevinyl flickr cc-Lizenz)

Fast vier Jahre ist es her, dass ich hier im Blog die Idee kurzer Referate in der Lehre vorgestellt habe. Das Prinzip: Studenten suchen sich selbst ein Thema und referieren darüber. Die Bedingungen: Jedes Thema muss für (angehende) PR-Leute relevant sein, und die Referate sollen nur fünf Minuten dauern. Diesem Konzept bin ich nun schon neun Semester treu geblieben. Ein paar Erfahrungen.

Mit den Kurzreferaten verbinden sich mehrere Gedanken:

  • Durch die Begrenzung auf wenige Minuten muss ein Thema auf den Punkt gebracht werden.
  • Längere Referate sind oft nicht gerade spannend.
  • Die freie Themenwahl fördert die Fähigkeit der Themenfindung. Hierzu gehört auch, angemessene Themen zu wählen, die in dieser kurzen Zeit sinnvoll präsentiert werden können.
  • Durch die Wahlmöglichkeit können Studierende ihre Interessen in die Lehre einbringen und von ihnen wahrgenommene thematische Lücken schließen.

Umsetzung

Der Einsatz eines gruppeninternen Wikis zur Unterrichtsbegleitung (Update Juni 2016: seit einiger Zeit verwenden wir dazu Google Docs, alternativ ein Wiki, das ins Lernsystem Moodle integriert ist) hat sich bewährt. Zu Semesterbeginn stelle ich den detaillierten Ablauf und Materialien für eine Lehrveranstaltung zur Verfügung. Vorgesehen sind im Programm auch die Slots für 5-Minuten-Themen. Wenn möglich, kombiniere ich pro Termin höchstens drei solcher Referate, so dass noch Zeit für Übungen oder Input von mir bleibt. An Stelle einer Termin- und Themenvergabe folgt das Ganze dem Prinzip „First come, first serve“. Typischerweise blockieren die meisten Studenten zunächst ihren Wunschtermin und liefern ihr Thema nach. Erst wenn das Thema im Wiki steht, ist es gesetzt und kann von anderen nicht mehr genommen werden. Nach dem Vortrag werden die Folien (oder Links zu Prezi) von den Studenten ins Wiki geladen.

Unterm Strich plane ich jedoch auch für ein Fünf-Minuten-Thema etwa 15 bis 20 Minuten Unterrichtszeit ein. Der Grund: Während der Vortrag zeitlich sehr begrenzt ist, darf sich im Anschluss gern eine Diskussion entwickeln. In einigen Semestern habe ich auch bewertet, inwiefern es den Studenten gelingt, eine solche Diskussion in Gang zu bringen und zu moderieren.

Typischerweise ist das Fünf-Minuten-Referat einer von mehreren Bausteinen für einen Leistungsnachweis. Hier variiere ich immer wieder: Oft verlange ich zum Thema des Referates einen kurzen Artikel im öffentlichen PR-Wiki. Dabei kommt es mir darauf an, dass dieser formal als wissenschaftlicher Artikel geschrieben wird, da sich unsere Studenten vor einiger Zeit mehr Möglichkeiten zum Üben des wissenschaftlichen Schreibens gewünscht haben. Mögliche weitere Leistungsbausteine sind Blogposts, das Pflegen einer Facebookseite oder eines Twitterkanals. (Update Juni 2016: In diesem Semester erwarte ich eine These zu Onlinekommunikation mit ausführlicher Diskussion).

Erfahrungen allgemein

Am Ende eines Semesters bitte ich die Studierenden in einer offenen Runde um Rückmeldung zu einzelnen Elementen einer Lehrveranstaltung, so auch zu den Fünf Minuten-Themen. Dabei hat sich bisher durchweg gezeigt, dass die Zufriedenheit mit diesem Format hoch ist. Ich habe aus den Rückmeldungen meist mitgenommen, dass die in anderen Seminaren oft üblichen Referate von 15 oder mehr Minuten als schwer verträglich wahrgenommen werden. Die freie Themenwahl ist für die meisten Studenten motivierend, auch die Aufmerksamkeit der Gruppe ist nach meiner Beobachtung durchweg hoch.

Organisatorisch sehr angenehm ist für mich, dass durch den Einsatz des Wikis die sonst oft so zähe Themenvergabe entfällt. Konflikte habe ich dabei bisher kaum erlebt. Gelegentlich kommt es jedoch zu Unsicherheiten: Schätzungsweise ein Fünftel oder ein Sechstel der Studierenden möchte sich gern absichern und hält mit mir zu einem gewählten Thema Rücksprache. Gelegentlich zeigt sich dabei, dass eine sehr weite Fragestellung in den Blick geraten ist und wir entwickeln im Gespräch einen etwas engeren Fokus.

Die Qualität der Kurzreferate unterscheidet sich vermutlich genauso wie es bei langen der Fall ist. Nach meiner Erfahrung nehmen jedoch die meisten Studenten die Aufgabe sehr ernst und investieren nach ihrer Aussage nicht weniger Zeit als in ein sehr viel längeres Referat. Ab und zu wird auch berichtet, dass das Fünf-Minuten-Referat schwerer sei als eines mit 20 Minuten Länge. Gelegentlich zeigt sich, dass die Kürze dazu verführt, zu deskriptiv zu bleiben. Dies passiert nach meiner Beobachtung vor allem, wenn nur ein Fallbeispiel vorgestellt, dieses aber nicht in einen Zusammenhang eingeordnet wird.

Gewählte Themen

Welche Themenfelder haben PR-Studenten für ihre Fünf-Minuten-Referate gewählt? (N = 142)

Wenn ich richtig gezählt habe, wurden in meinen Seminaren bisher 142 Fünf-Minuten-Referate gehalten. Dabei handelte es sich immer um Seminare zu Kommunikationsmanagement oder Online-PR im PR-Schwerpunkt unseres Studiengangs Online-Journalismus. Ich habe mal versucht, diese Referate ein wenig in Schubladen zu stecken. Demnach sind bei der Themenwahl besonders Grundsatzthemen der PR und Arbeitsgebiete und Instrumente der PR beliebt (jeweils 31 mal). Es folgen Vorstellungen von Online-Tools und -Diensten sowie Fallbeispiele aus PR und Marketing. Selten gewählt sind dagegen Fragen der Ausbildung, die Vorstellung wichtiger Persönlichkeiten und Managementthemen; im Mittelfeld liegen die Vorstellung von Studien, Rezensionen oder Medienthemen.

Ein paar konkrete Themenbeispiele quer durch den Gemüsegarten:

  • Markendehnung
  • Social Commerce
  • Ivy Lee als Gründer moderner PR
  • Videologs in der B2C Kommunikation
  • Der Deutsche Rat für Public Relations
  • Gamification
Besonders bei Fallbeispielen und Tools sind wir mit den Fünf-Minuten-Themen oft besonders aktuell – handle es sich um die Einführung von Google+, die Bedeutung der Facebook-Timeline für Unternehmensseiten oder eine aktuelle Kommunikationskrise.
Gelegentlich wählen Studierende einen speziellen Aspekt aus dem ohnehin vorgesehenen Lernstoff aus. Ein Beispiel: Ich sehe für einen Termin eine Einführung in CSR vor, und in einem Fünf-Minuten-Referat wird ein Fallbeispiel vorgestellt. Dies setzt natürlich eine genauere Absprache voraus.
Aktueller Einsatz

Im laufenden Semester habe ich etwas mehr als 20 Studenten im Seminar Kommunikationsmanagement. Da dieses nur zweistündig ist und ich auch einige Grundlagen selbst vermitteln möchte, habe ich mich dafür entschieden, nicht von allen Studenten ein Fünf-Minuten-Referat zu verlangen. Statt dessen stelle ich verschiedene Optionen zur Wahl:

  • Fünf-Minuten-Referat plus wissenschaftlichen Wiki-Artikel oder
  • Hausarbeit mit eigener Themenwahl (aber dann mit individueller Absprache zur genauen Ausrichtung der Arbeit) oder
  • Social Media-Redaktion (Blog, Twitter, Facebook)

Dies hat neben organisatorischen Vorteilen für die Veranstaltung aus meiner Sicht für die Studierenden den Vorteil, dass sie selbst ihre Lernziele gewichten können. Es hat sich in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass einige Studenten gern mehr Übung im Bloggen hätten, andere sich mehr Routine beim Schreiben einer ausführlichen Hausarbeit wünschen. Ich möchte dann im Seminar Online-PR im nächsten Semester die selben Möglichkeiten für den Leistungsnachweis anbieten, damit die Studierenden dann einen anderen Schwerpunkt setzen können.

Mein Fazit

Insgesamt hat sich die Kombination aus freier Themenwahl und einer zeitlichen Begrenzung auf fünf Minuten bei Referaten sehr gut bewährt. Dies erlaubt eine – wie ich finde – sinnvolle Mischung zwischen Inhalten, die Studenten erarbeiten und präsentieren und Inhalten, die vom Dozenten behandelt werden. Da zu Semesterbeginn nicht absehbar ist, welche Themen die Studierenden wählen, halte ich es für zwingend, die mir wichtigen Inhalte klar zu definieren und detailliert zu planen – wobei klar ist, dass ein Teil der Kontrolle in den Händen der Studenten ist.

3 Kommentare

  1. Ich halte diese Methode für sehr erfolgversprechend. Studenten, die frei wählen können, werden sich für ein Thema entscheiden, für das sie sich interessieren und im besten Fall auch begeistern können. Bei der Zeitvorgabe von fünf Minuten ist man gezwungen, die Inhalte komprimiert darzubieten, was beim Zuhörer dazu führt, mehr Informationen konzentrierter aufnehmen zu können, ohne dass langatmige Passagen entstehen. Das sind jedenfalls meine eigenen Erfahrungen.

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