Online-PR fürs Lexikon

Manchmal ist es ja eine besondere Herausforderung, das zu beschreiben, womit man sich fast jeden Tag beschäftigt. Aber Herausforderungen sind ja etwas Schönes. Deshalb habe ich mich gefreut, dass ich gebeten wurde, für ein Fachlexikon zu Public Relations einen Beitrag zu Online-PR zu schreiben. Noch ist er nicht ganz geschliffen und irgendwie beschleicht mich, dass ich etwas vergessen oder womöglich das Format eines Lexikonbeitrags nicht ganz erwischt habe. Wie auch immer: Ich stelle meinen bisherigen Entwurf hier einmal zur Diskussion, werde noch eine Nacht drüber schlafen und freue mich natürlich über kritische Anmerkungen.

Online-PR (Artikelentwurf)

Online-PR ist ein typischerweise verwendeter Begriff für Kommunikationsmanagement im Rahmen der drahtgebundenden und mobilen Online-Kommunikation. Ziel von Online-PR ist die Kommunikation mit realen und virtuellen Bezugsgruppen, die sich an den übergeordneten Zielen des Kommunikationsmanagements orientiert. „Virtuelle Bezugsgruppen“ sind jene Gruppen, die sich erst im Netz bilden und nur darüber erreicht werden können. In der Kommunikation mit realen Bezugsgruppen kann Online-PR die Reichweite, Effizienz und Qualität des klassischen PR-Managements und seiner Arbeitsfelder verbessern. Ein typisches Beispiel hierfür sind Online-Media Relations. Zu deren Aufgaben zählt neben der Distribution von Informationen mit Mitteln der Onlinekommunikation (z.B. mit Hilfe von Mailverteilern)  die dauerhafte Bereitstellung von Materialien als Unterstützung der journalistischen Recherche, typischerweise in speziellen Pressebereichen innerhalb von Corporate Websites.

Neben der Erweiterung der Media Relations und anderer Arbeitsfelder wie Investor Relations, Community Relations etc. durch einen verbesserten Service bietet Online-PR die Möglichkeit, direkte Kommunikationsbeziehungen zu Bezugsgruppen aufzubauen. Fallweise kann Online-PR dabei monologische oder dialogorientierte Kommunikation initiieren bzw. sich an laufenden Dialogen beteiligen.

In der Online-Kommunikation wird die Distribution von Informationen als Push-Kommunikation bezeichnet, während das Erschließen von Informationen durch die Nutzer Pull-Kommunikation genannt wird. Techniken wie RSS ermöglichen auch in der Pull-Kommunikation den regelmäßigen Bezug von Neuigkeiten.

Üblich ist im Rahmen der Online-PR von Organisationen im ersten Schritt das Bereitstellen von Informationen, beispielsweise auf Corporate Websites. Wie überall im Web sind wichtige Qualitätsmerkmale hierfür die Inhalte, deren webgerechte Aufbereitung – hierzu zählen u.a. Usability, Multimedialität und ggf. Textqualität -, aber auch die Auffindbarkeit der Informationen durch Nutzer und Suchmaschinen.

Für zahlreiche Organisationen steht auch im Internet die monologische Selbstdarstellung im Vordergrund. Dieser Typus der Online-PR wird als digitalisierte PR bezeichnet. Ziel hierbei ist vor allem, Präsenz im Internet zu zeigen und Materialien zugänglich zu machen; die Bezugsgruppen verbleiben in der Rolle des Rezipienten. Inhaltlich werden hier Themen und Materialien, die auch offline verbreitet werden, mehr oder weniger an die Bedingungen des Internet angepasst (z.B. Geschäftsberichte, Datenblätter, Presseinformationen), hinzu kommt die reine Selbstdarstellung im Rahmen meist statischer Websites. Die veröffentlichten Informationen werden relativ selten aktualisiert.

Ein weitergehender Typus der Online-Kommunikation ist die Internet-PR. Sie baut auf die interaktive PR auf und stellt zumindest einen indirekten Rückkanal für die Bezugsgruppen sicher, beispielsweise durch Sozialforschung (z.B. Nutzerbefragungen, Usability-Tests) oder Kontaktmöglichkeiten auf Websites. Strategisch hat Internet-PR weniger das Ziel, Basisinformationen zu einer Organisation oder einem Thema zu vermitteln, sondern Interessen durchzusetzen. Hierzu werden bei Bedarf eigene Inhalte aufbereitet und ggf. aufwändig präsentiert.

Der dritte Typus der Online-PR gewinnt durch die Verbreitung des Social Web an Bedeutung: Die so genannte Cluetrain-PR hat Dialog und Beziehungsmanagement mit den jeweiligen Bezugsgruppen im Internet zum Ziel. Dies schließt den Beziehungsaufbau zu so genannten ProdUsern, also Internet-Nutzern, die auch Inhalte produzieren, ein. Hierdurch soll digitale Reputation aufgebaut werden, die als Bestandteil der gesamten Reputation einer Organisation gilt. Digitale Reputation zeichnet sich durch die von Akteuren im Internet zugeschriebene Kompetenz aus und entsteht im Internet vor allem durch Bekanntheit, Vertrauen und Vernetzung.

Voraussetzung für den Aufbau und das Sichern digitaler Reputation ist Online-Monitoring im Sinne eines organisationalen Zuhörens. Auf diese Weise können Organisationen u.a. die Ansprüche ihrer Bezugsgruppen erfahren. Online-Monitoring ist mittlerweile ein wichtiger Baustein des Issues Managements. Im Rahmen der Cluetrain-PR ist es Grundlage für die Beteiligung oder das Initiieren von Dialogen im Netz. Cluetrain-PR begreift das Internet als sozialen Handlungsraum; die Nutzer werden als Kommunikationspartner verstanden, die sich ggf. in sozialen Netzwerken organisieren. Ziele des Online-Beziehungsmangements können die Sicherung der Licence to operate einer Organisation sein, aber zum Beispiel auch das Engagement der Nutzer im Sinne einer Organisation (z.B. durch Fürsprache in Form von Kundenrezensionen, Unterstützung im Rahmen von Kampagnen etc.). Die Wahl des Typs des Online-PR erfolgt situationsabhängig.

Für die Online-PR lassen sich mehrere längerfristige Herausforderungen identifizieren: Hierzu zählen beispielsweise Suchmaschinen, die für die Nutzer des Internets eine wichtige Gatekeeper-Rolle übernommen haben. Die Auffindbarkeit von Informationen und Kommunikationen ist deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor der Online-PR. Eine andere Herausforderung besteht in den sich laufend ändernden Nutzungspraktiken des Internet. Dies zwingt zu einer laufenden Analyse der sich im ständigen Fluss befindlichen Online-Kommunikation und führt ggf. zur kontinuierlichen Nach-Justierung der PR-Maßnahmen und Strategien. Neben den sich ändernden Anwendungen sind auch die Anforderungen zu betrachten, die sich aus Entwicklungen bei Infrastrukturen (z.B. mobiles Web, Lokalisierung) und Endgeräten (z.B. Tablet PC) ergeben.

Aktive Kommunikation im Internet bzw. das Schaffen entsprechender Kommunikationsorte (z.B. Weblogs oder das Bereitstellen von Foren oder Communities) setzen immer auch ein Verständnis der so genannten Netzkultur voraus. Hierbei handelt es sich um weitgehend ungeschriebene Gesetzmößigkeiten und Erwartungen an die Kommunikation. Es wird davon ausgegangen, dass es einige universelle Elemente der Netzkultur gibt (z.B. Geschwindigkeit, Vertrauen, Transparenz), aber in unterschiedlichen Bereichen des Netzes unterschiedlich ausgeprägte Kulturen entstanden sind (z.B. in Gaming-Communities oder in Nachhaltigkeits-Communities). Besonders Verstöße von Unternehmen gegen die jeweilige Netzkultur werden unter Umständen sehr schnell und offen kritisiert.

Eine weitere große Herausforderung, die für die nächsten Jahre gesehen wird, ergibt sich aus dem Social Web, also jenem Teil des Internets, in dem jeder Nutzer, aber auch jede Organisation, zum Produzenten von Inhalten werden kann. Neben dialogorientierten Publikationsformaten (z.B. Blogs, Mikroblogs, Videochannels) gewinnen Social Networks als Spezialform der Online-Community rasant an Bedeutung für die Online-PR. Insgesamt setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Nutzer nicht nur mühsam dazu bewegt werden sollten, ein spezielles Angebot einer Organisation (Corporate Website, Themensite etc.) zu besuchen, sondern dass die Kommunikation an den Aufenthaltsorten der jeweiligen Bezugsgruppen beginnen sollte. Hierbei kann es sich beispielsweise um Social Networks oder um populäre Communities (einschließlich Videoplattformen) oder Mikroblogging-Angebote handeln.

Gerade Mikroblogging (z.B. Twitter) ist ein Beispiel für das so genannte Live Web, also einen Teil des Webs, in dem kontinuierlich zu den verschiedensten Themen kommuniziert wird – oft ohne Zutun etablierter Medienvertreter, aber auch in Wechselwirkung mit Medienberichterstattung. Durch das Live Web ist ein vormedialer Raum entstanden, der hochgradig vernetzt ist. Hierdurch können rasend schnelle, weltweite Informationsflüsse entstehen, die im Einzelfall ein Agenda Setting auch ohne Pressearbeit ermöglichen können, ebenso aber auch die Verbreitung krisenhafter Themen innerhalb von Minuten.

Durch die beschriebenen Entwicklungen hat Online-PR Einfluss auf das Verständnis und die Praxis von PR insgesamt. So stellt die Notwendigkeit einer verteilten Kommunikation und die nicht zu unterbindende Präsenz von Mitarbeitern im Social Web zumindest in Teilen die Politik der One Voice-Policy in Frage. Der zunehmende Dialoganspruch der Online-Bezugsgruppen kann zudem zu einer Relativierung der in der Offline-Kommunikation bisher oft möglichen Einwege-Kommunikation führen. Allerdings stößt die Anpassung der Kommunikationsstrategie an die Gegebenheiten im Internet unter Umständen an Grenzen, die durch den Führungsstil und die Kultur einer Organisation vorgegeben sind.

7 Kommentare

  1. Finde den Artikel sehr gut. Nur ein Gedanke, keine Kritik…ich würde Social Networks nicht als eine „Spezialform“ von Online-Communitys beschreiben, sondern die beiden Begriffe eher getrennt voneinander sehen. Dahingehend gibt es nach meinem aktuellen Kenntnisstand aber doch recht viele unterschiedliche Ansichten (und viele differenzieren einfach gar nicht). Allerdings führen Sie ja etwas weiter unten beide Begriffe wieder getrennt auf: „Hierbei kann es sich beispielsweise um Social Networks oder um populäre Communities[…]“

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  2. Prima Hinweis, danke!

    In jedem Fall ist meine Darstellung inkonsistent. Im Prinzip neige ich eher dazu, SN tatsächlich als eine besondere Art von Community zu sehen. Aber ich wüsste im Moment auch nicht, ob das so (oder andersrum) schon mal systematisch diskutiert wurde. Taucht bestimmt demnächst in einer Diplomarbeit auf ;)

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  3. Eventuell. ;) Ich tendiere im Moment eher dazu, SNs als Plattformen zu sehen, die in erster Linie die Kommunikationskanäle und Tools bereitstellen, mit denen sich eine Community gründen lässt (bspw. Fanpage auf Facebook, Gruppe auf XING). Letztlich ist es wahrscheinlich die Frage danach, wie weit man den Begriff „Gemeinschaft“ fast und welche Faktoren eine „Ansammlung“ von Menschen zur Gemeinschaft formt…
    Ansätze zur Differenzierung gibt es bspw. hier (http://tinyurl.com/yc92l37). Wirklich systematische Diskussionen habe ich allerdings nicht gefunden. Ich denke aber, dass es da durchaus etwas Raum für Diskussion gibt.

    Da ich im Moment etwas drauf gepolt bin habe ich auch hier kurz überlegt: „Aktive Kommunikation im Internet bzw. das Schaffen entsprechender Kommunikationsorte (z.B. Weblogs oder das Bereitstellen von Foren oder Communities) […]“ – könnte man ggf. so interpretieren, dass ein Forum/Weblog nicht unter den Begriff „Community“ fallen kann.

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  4. @Matthias Bastian: Überzeugt. SN als Plattformen zu verstehen, die u.a. Communities ermöglichen, erscheint plausibel. Danke nochmal für den Einwand.

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