Visual Turn der PR: Werden KMU abgehängt?

Seit ein paar Jahren beobachten wir, dass Fotos und Videos gerade in der Onlinekommunikation fast unverzichtbar werden. Das hängt einerseits natürlich mit den Qualitäten von Bildern gegenüber Texten zusammen, andererseits verstärken viele Plattformen durch ihr Konzept den Druck, gute Bilder zu haben. Mit seinem Relaunch hat gerade eben Google+ seinen Beitrag zum Visual Turn in der PR geleistet. Aus Nutzersicht ist das sicher nicht verkehrt, aus Kommunikationssicht frage ich mich aber, ob diese Entwicklung besonders für KMU schmerzhaft ist und die Gefahr besteht, dass diese sich zunehmend schwer tun, eine angemessene Content Strategie zu entwickeln.

Wie können KMU eine fokussierte visuelle Content Strategie entwickeln?
Wie können KMU eine fokussierte visuelle Content Strategie entwickeln?

Aktueller Auslöser dieser Frage ist wie gesagt der diese Woche erfolgte Relaunch von Google+. Eine der auffälligsten Änderungen neben dem Pinterest-ähnlichen Kacheldesign: Fotos sind richtig groß und auffällig geworden, sie können die ganze Seitenbreite füllen. Das bedeutet Aufmerksamkeit, wenn man tolle Fotos (oder Grafiken) hat. Und schlechte Fotos oder keine zu haben, fällt erst recht auf, wie futerebiz argumentiert. Für bildstarke Marken ist das natürlich toll. Allerdings ist die Frage, wie kleine und mittelständische Unternehmen eine so stark visuell geprägte Contentstrategie ausfüllen können.

Nach unseren ersten Erfahrungen mit unserem Kompetenzzentrum eBusiness-Lotse Darmstadt-Dieburg, in dem wir die Aufgabe haben, KMU an aktuelle Entwicklungen u.a. in Social Media heranzuführen, habe ich da so meine Bedenken. Sehr grob über den Daumen geurteilt, fehlt dort oft noch viel Verständnis für die grundsätzliche Positionierung im Web und damit verbunden die Kompetenz (und die Ressourcen), um überhaupt systematisch im Social Web zu kommunizieren. Und auch wenn es für Kommunikationsprofis nach einem banalen Problem zu klingen scheint, der Druck, viel stärker mit Videos und Fotos arbeiten zu müssen, könnte die Dinge erschweren. Denn mein Eindruck ist, dass interessierte Mitarbeiter sehr wohl fit gemacht werden können, so dass sie twittern, bloggen oder Facebook-Posts schreiben können. Wirklich gutes Bildmaterial – noch dazu exklusives – muss aber bei Profis beauftragt werden. Stockfotos oder eigene Handyschnappschüsse dürften da nur im Ausnahmefall funktionieren (was mich an sich für Profifotografen freut).

Nun lässt sich natürlich leicht argumentieren, dass Google+ hier zu Lande ohnehin noch immer nicht zum Fliegen gekommen ist. Stimmt (wir hatten spaßeshalber in den ersten Monaten unseres Kompetenzzentrums nur auf Blog, Twitter und G+ gesetzt und haben nun doch eine Facebookseite nachgeschoben). Allerdings geht es gar nicht allein um G+. Denn fast jeder neuere Reader wie Flipboard oder Feedly betont Bilder; Instagram, Tumblr, Pinterest und viele andere sowieso.

content_strategy_camp_headerWie also könnten KMU oder Selbständige den visuellen Teil einer Content Strategie mit den üblicherweise sehr begrenzt vorhandenen Mitteln ausfüllen? Nach meinem Eindruck ein Thema, zu dem sich eine Diskussion lohnen würde. Gern hier im Blog, sehr gern natürlich auch in Form einer Session auf unserem Content Strategy Camp in zwei Wochen. Mit Sicherheit gibt es einige Best Practice-Beispiele, die wir anschauen könnten. (Und natürlich ist jeder andere Sessionvorschlag rund um Content Strategie hochwillkommen :)

Update (21.5.13): Daniel Rehn hat die Grundüberlegung dieses Artikels aufgegriffen und meiner Meinung sehr gut auf den Punkt gebracht. In der Diskussion bei ihm wurde jedoch kritisiert, wir würden das Pferd von hinten aufzäumen und wieder zuerst an Tools und Plattformen denken und Fotos an sich zum Ziel machen. Deshalb auch hier nochmal die Klarstellung: Ich gehe immer davon aus, dass klassisches Konzeptionshandwerk in der Onlinekommunikation notwendig ist. Meine Vermutung ist jedoch, dass hierbei berücksichtigt bzw. überprüft werden sollte, inwieweit sich die Online-Nutzungsgewohnheiten von Stakeholdern verändern. Die Hypothese: Bilder und Videos unterstützen zunehmend viele Onliner bei der Orientierung in der Infoflut; diese Entwicklung wird durch bildlastige Plattformen bzw. die offensive Präsentation von Bildern auf einigen Plattformen (einschließlich modernen Blogdesigns) unterstützt. Wer also gutes Bildmaterial hat, so die Annahme, wird mit seinen Beiträgen besser wahrgenommen (z.B. im Facebook-Stream, bei RSS-Readern wie Flipboard etc.). Dass hier noch einiger Forschungsbedarf besteht, ist klar.

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