PR-Forschung: Das Elend mit den Rezipienten

Es ist schon erstaunlich: Da forschen wir über PR-Instrumente und -Strategien, über Krisen, Produktkommunikation und noch vieles mehr – doch über die Rezipienten der PR wissen wir immer noch nur bruchstückhaft Bescheid. Auch nach der Tagung „Wer kommuniziert, wer rezipiert?„, von der ich gerade zurückkehre. Dabei handelte es sich um die Jahrestagung der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), die in diesem Jahr an der FU Berlin stattgefunden hat. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich empfand die Tagung als sehr anregend und wohl gelungen. Dennoch hat sie ein Schlaglicht darauf geworfen, wie jung die PR-Wissenschaft ist und wie groß die Lücken in der Forschung sind. Es ist ja auch ganz schön, zu wissen, dass es noch viel zu tun gibt…

Ein Perspektivwechsel war Idee der Tagung, zu der sich deutschsprachige PR-Forscher getroffen haben: Diesmal sollte es eben nicht um die instrumentelle Sichtweise der PR-Treibenden gehen, sondern die Rezipienten sollten im Mittelpunkt der Tagung stehen. Ich möchte diese an dieser Stelle nicht zusammenfassen, sondern ein paar subjektive Eindrücke diskutieren.

Höchst bedenkenswert für die Zunft begann die Tagung mit der Keynote von Anna-Maria Theis-Berglmair aus Bamberg. Ihr Ausgangspunkt: Kommunikation, von der wir ja immer als PR-Aufgabe sprechen, ist ein offener Prozess. Herrscht darüber generell Einigkeit, so dürfte dies jedoch die Frage provozieren, ob und wie PR da denn überhaupt funktionieren könne. Theis-Berglmair jedenfalls folgerte, dass „gezielte Kommunikation als Illussion“ gesehen werden könne. Ein Problem, das schon vor vielen Jahren in der Forschung diskutiert wurde, aber nach meinem Eindruck im (Praxis-)Alltag von vielen inzwischen wieder verdrängt wurde. In den achtziger Jahren wurde deshalb v.a. von Roland Burkart Verständigung als bescheidenes PR-Ziel definiert, was im Zweifel weit von Einverständnis entfernt sein kann. Ulrike Röttger hat 2005 dann die Legitimationsfunktion der PR gegenüber Anspruchsgruppen betont: Die Anspruchsgruppen sollten, so das postulierte PR-Ziel, die Interessen einer Organisation als legitim ansehen.

Ob und wann dies gelingt, wurde jedoch auf der Tagung kaum weiter thematisiert. Spannend wäre in diesem Zusammenhang u.a. die Frage, wie Rezipienten PR-Aktivitäten wahrnehmen und welche Bedingungen sie schaffen, unter denen Organisationen überhaupt kommunizieren. Zwar wurde oft das Web 2.0 angesprochen, beispielsweise als eine Möglichkeit, ein Thema oder eine Organisation von viel mehr Seiten unter die Lupe zu nehmen als bisher (Theis-Berglmair). Oder als Möglichkeit der schnelleren Aktivierung von Teilöffentlichkeiten (Diana Ingenhoff/Ulrike Röttger). Fragen der Mediennutzung generell und der damit verbundenen Erwartungen, Fragen des Vertrauens gegenüber diesen Medien oder gegenüber Organisationen oder gar Fragen zur Wirkung medialer Inhalte scheinen jedoch noch ein weitgehend weißes Gebiet auf der Forschungslandkarte der PR zu sein – obwohl es zumindest zu Teilfragen durchaus Studien gibt (z.B. das Edelman Trust Barometer, die Studien Massenkommunikation oder die ARD-/ZDF-Online-Studie). Sie scheinen jedoch im akademischen Umfeld zumindest unter den genannten Aspekten noch wenig analysiert zu werden. Eine andere spannende Frage: Wie denn eine 1:1 abgedruckte Presseinformation in der Lokalzeitung oder im Wirtschaftsmagazin von deren Lesern wahrgenommen wird – oder eine Medienpartnerschaft.

Natürlich gab es auf der Konferenz wichtige konzeptionelle Überlegungen und spannende Teilergebnisse. So führte z.B. Stefan Wehmeier (Greifswald) den Neo-Institutionalismus in die Diskussion ein, ein Ansatz, der Organisationen aus Sicht der Umwelten betrachtet. Eine der wenigen Analysen aus Rezipientensicht präsentierte Jochen Hoffmann (Bern): Er befragte die Leser einer Verbandszeitschrift zu deren Erwartungen an das Medium. Dies ist besonders spannend, da Corporate Publishing-Produkte ja im Zwischenfeld zwischen PR und Journalismus angesiedelt sind. Meine Erkenntnis daraus: Die Leser wollen in einer solchen Zeitschrift nicht hauptsächlich Selbstdarstellung der Organisation (schon gar nicht Top Down-Kommunikation vom Vorstand), sondern auch viele Informationen zum Gebiet, in dem die Organisation tätig ist – und dies am besten aktuell und mit genügend Unterhaltung versetzt. Aus Sicht des Nutzers kann also eine journalistische Funktion einer solchen Zeitschrift angenommen werden und aus Sicht der Organisation eine PR-Funktion (v.a. Identifikation).

Ein interessanter Aspekt noch zur Pressearbeit: René Seidenglanz hat Mittler zum Rezipienten, also Journalisten, zur Glaubwürdigkeit der Pressearbeit von drei großen Unternehmen befragt. Sein Ergebnis: Die meisten Journalisten halten von PR insgesamt recht wenig, schätzen aber doch die PR-Leute, mit denen sie regelmäßig zu tun haben und halten diese für ziemlich glaubwürdig – wobei Fachjournalisten diese Glaubwürdigkeit in der Tendenz höher einschätzen, während sich Wirtschaftsjournalisten lieber gleich an den Vorstand halten. Nett übrigens: Der Forscher hat von einzelnen Redakteuren ob seiner Befragung erboste Mails bekommen. Tenor: Die Befragungsergebnisse mögen hoffentlich den nervenden und unglaubwürdigen PR-Leuten als Denkzettel dienen. Die Ergebnisse der Studie geben diesen Denkzettel jedoch bei weitem nicht her.

Genauere Zahlen und ein vollständiges Bild von der Tagung gibt es demnächst, wenn die Vortragsfolien online sind. Werde dann darauf hinweisen.