Spiegel: Aufmacher mit Lobby-Studie

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Gerade eben bin ich (nach langer Zeit) wieder bei Spiegel Online gelandet. Liebe Leute: So schnell komme ich da nicht mehr vorbei. Warum? „2010 droht der Infarkt des Internet“ plärrt mir als Aufmacher entgegen. Was steckt dahinter? Mal wieder eine Studie. Und ihre Ergebnisse werden von SpOn treu und brav zusammengefasst. Mehr nicht. So, so. Hatte ich nicht gestern schon was dazu gelesen?

Richtig, bei netzpolitik zum Beispiel:

„Man sollte sie aber hinterfragen. Dann findet man heraus, dass Lobbyorganisationen dahinter stehen, die diese Zahlen ganz bewusst in die mediale Debatte werfen.Man nennt das auch “Astroturfing“. Diese Organisationen werden finanziert von Telekommunikations-Unternehmen, die ein Interesse daran haben, die Kontrolle über das Netz zurück zu gewinnen. Und schon ist man mitten drin in der Diskussion rund um Netzneutralität. In diesem Fall werden die Zahlen genutzt, um von der US-Regierung mehr Steuergelder und vor allem Zugeständnisse beim Abbau von Netzneutralität zu bekommen.“

Ganz ähnliche Hinweise gab es zuvor schon bei Save the Internet, wo eine vergleichbare journalistische (Nicht-)Leistung zu dieser Studie bei USA today kritisiert wurde. Hier gibt’s noch einen dritten kritischen Bericht.

Ehrlich gesagt bin ich langsam ziemlich gelangweilt von all den „Studien“, die einem jeden Tag um die Ohren gehauen werden. Ein großer Teil von ihnen ist schlichtweg interessensgesteuert, und ich frage mich, warum das noch immer so gut funktioniert. Hat es sich noch nicht in die Redaktionsstuben herumgesprochen, dass Studien bei Lobbyorganisationen als Geheimtipp für erfolgreiche Interessensvertretung gelten?

Anscheinend nicht: Während manche Redaktionen schnell mal eine Medienpartnerschaft eingehen, um eine Studie exklusiv auf den Titel heben zu dürfen, kann ich im aktuellen Fall des SpOn-Artikels keine kritische Auseinandersetzung mit der Studie selbst erkennen. Hat der Autor sie überhaupt in der Hand gehabt? Nicht einmal die zitierte Internet Innovation Alliance wird vorgestellt. Auch scheint es keine Recherche zu den Reaktionen auf die Studie gegeben zu haben. Das wäre mit zwei banalen Google-Abfragen möglich gewesen. Fazit: Sobald irgendwo „Studie“ draufsteht, mit ein paar Zahlen hantiert wird, stehen alle redaktionellen Pforten offen. Dass das auch für den Aufmacher von SpOn gilt, ist da nur eine kleine Enttäuschung mehr.

Update: netzpolitik hat sich angeschaut, wie andere Medien mit der selben Studie umgehen