US-Handelshaus Target redet nicht mit Bloggern und schafft sich seine Krise

Target-WerbungZoff mit Bloggern: Die US-Handelskette Target tut sich schwer mit dem Dialog – zumindest fertigt sie Blogger ab. „Wir reden nur mit traditionellen Medien“, erfuhr eine Bloggerin, die sich über eine Target-Anzeige geärgert hatte, von einer Pressesprecherin. Nicht überraschend, dass die Bloggerin jetzt erst recht sauer ist und das Thema nicht nur in Blogs, sondern in Windeseile auch von Medien wie der New York Times aufgegriffen wurde.

Hintergrund der Geschichte: Amy Jussel betreibt ein Weblog, in dem sie sich mit der Wirkung von Marketing auf Kinder beschäftigt. Von der Pressestelle des Unternehmens wollte sie eine Stellungnahme zu einer Anzeige, die Jussel als herabwürdigend für Frauen empfindet: Darin liegt eine Frau auf dem Target-Logo (einer Zielscheibe) und streckt alle Viere von sich – die Genitalien genau im Mittelpunkt. Herabwürdigend? Oder nur ein lustiges Bild eines Schneeengels?

Wie auch immer. Die Abfuhr der Pressestelle an die Bloggerin führt zu grundsätzlichen Fragen:

  • Es zeigt sich einmal mehr, wie schnell im Web öffentliche Krisen entstehen können, die auch rasch Einzug in klassische Medien halten können.
  • Pressestellen sollten längst darauf vorbereitet sein, dass bei ihnen nicht nur Journalisten anrufen, sondern möglicherweise auch Blogger.
  • Und sie sollten im Vorfeld klären, wie sie damit umgehen.

Nebenbei: Es ist ja schon seltsam, dass auf der einen Seite viele PR-Leute gern Blogger pitchen möchten, auf der anderen Seite Anfragen von Bloggern geblockt werden. Gut, Target hat vielleicht noch nie Blogger aktiv angesprochen. Doch generell muss man sich im Klaren darüber sein, dass Blogger Relations nicht nur nur meint, Bloggern eine hübsche Meldung zu schicken oder sie mit dem eigenen Corporate Blog anzusprechen, sondern ihnen ggf. auch Rede und Antwort zu stehen.

Ich denke, Unternehmen sollten sich da nicht zieren. PR ist doch schon immer mehr als Pressearbeit, sondern das Management von Kommunikation mit relevanten Bezugsgruppen. Und dazu gehört nun mal ein Blogger, der sich an ein Unternehmen wendet. Und es hilft auch nicht, Unterscheidungen zu treffen zwischen „wichtigen“ und „unwichtigen“ Bloggern. Wie bei den Medien muss dann der Grundsatz der Gleichbehandlung gelten. Natürlich werden viele Pressesprecher stöhnen und erklären, sie seien so schon überlastet. Für die meisten Firmen würde ich da aber Entwarnung geben: So häufig rufen Blogger gar nicht an. Und der Aufwand, einem Blogger ein Interview zu geben, ist zehnmal geringer, als hinterher mit einer möglichen Krise umzugehen. Sollten sich in Zukunft bei einem großen Unternehmen viele Blogger melden, müsste wohl eine Stelle für Online Conversations geschaffen werden. Auch kein Beinbruch. Abgesehen davon: Schon immer gibt es auf Corporate Websites Kontaktformulare bzw. Kommunikationskanäle für alle Besucher der Site. Solche Anfragen mussten doch auch schon immer beantwortet werden, oder?

8 Kommentare

  1. Und wieder hat es ein Unternehmen in – zu mindestens erinnert es entfernt daran – guter alter Jamba-Manier geschafft ein unangenehmes Thema in den klassischen Medien zu forcieren, dass eigentlich recht einfach zu lösen gewesen wäre…

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  2. Ja, auch wenn die Fälle inhaltlich anders liegen: die Dynamik ist eine Ähnliche. Die Frage ist, ob die Pressesprecherin zehn Minuten Arbeitszeit sparen wollte oder das Unternehmen einfach überrumpelt war, dass eine Bloggerin etwas wissen will. Vermutlich letzteres.

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  3. Ich tippe auch auf letzteres. Ich stelle immer wieder fest, dass viele Mitarbeiter in den Pressestellen von Unternehmen, immer noch keine Ahnung von der Macht und von den Inhalten von Blogs haben. Zudem lesen und kennen sie keine Blogs und denken das sind doch nur ein paar Hausfrauen oder Spinner, die über ihre Hund, Katze, Stricken, Nerd-Themen berichten und von 5 bis 15 Leuten gelesen werden. Oder sie denken, das ist für andere relevant oder vielleicht fürs Marketing als Push-Kanal, aber nicht für uns. Klingt nach 3 Jahre alten Vorurteilen, steckt aber in vielen Köpfen immer noch genau so drin.
    Wenn ich diesen Leuten dann eine Einführung in die weite, bunte Welt der Blogosphäre mit all ihren Themen, Akteuren, Möglichkeiten, Chancen und Gefahren gebe, dann sehe ich zuweilen fassungslose bis schockierte Gesichter.

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  4. Vollkommen richtig. Dabei hätten bei Target alle Alarmglocken angehen können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, das entsprechende Blog anzuschauen, bevor sie absagen.

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  5. @ Timo: Über „Macht“ von Blogs zu sprechen finde ich schon etwas übertrieben. Ok, in den USA mag das stimmen (da kenne ich mich aber nicht aus). Bei uns ist es aber immernoch den meisten Leute egal, was „hier draußen“ passiert. Und ganz ehrlich: Bei target bricht nun keine Welt zusammen, selbst wenn die NY Times darüber schreibt. Dieser Bericht fällt eher in die Rubrik Skurillität. Und vielleicht erreicht er sogar viele Leser, die Blogger ebenfalls für Spinner halten.

    Trotzdem hat Target sich nicht korrekt verhalten. Unternehmen sollten ALLE Anfragen mit Sorgfalt beantworten – ganz gleich, ob von Verbrauchern, Bloggern oder Journalisten.

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  6. Ich schließe mich Christian an. In Deutschland ist einfach noch zu wenig Platz für Blogger in den Köpfen der Unternehmen. Es ist durchaus möglich, dass sich dies ändert, aber vorerst haben Blogger vielleicht Einfluss, aber keine Macht….

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