Im dritten Teil meiner Serie zur PR-Forschung geht es um die Beobachtung von PR-Forschung. Eine solche Beobachtung kann im besten Fall wiederum wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Im schlechteren Fall ist das Ganze höchst subjektiv – aber auch aus der Subjektivität lassen sich ja manchmal Wahrheitsfünkchen aussieben. Also gibt’s hier beides.
Anfang der neunziger Jahre hatte Manfred Rühl einen Artikel mit der Feststellung „Public Relations ist, was Public Relations tut“ überschrieben. Er plädierte darin für mehr Pragmatismus in der Auseinandersetzung mit der PR. Statt zu diskutieren, was diese sein oder tun sollte, solle beobachtet werden, was sie in der Praxis denn tue. Dieser Gedanke gilt nach meiner Meinung nicht nur für die PRaxis, sondern kann auch auf die PR-Forschung bezogen werden – statt wie im zweiten Teil dieser Artikelserie Postulate zu erheben, wäre die Forschungsrealität zu beschreiben. Ulrich Saxer hat sich mit Verfahren der Wissenschaftsbeobachtung beschäftigt und seinen Rahmen hierfür in seinem Statement auf der erwähnten DGPuK-Tagung in Fribourg aufgespannt. In den Mittelpunkt stellte er hierbei vier Fragen:
- Wird die Theorie dem Gegenstand und seiner Komplexität gerecht?
- Ist das Ganze konsistent, also widerspruchsfrei?
- Gibt es eine Abstinenz von Werturteilen?
- Und: Inwiefern wird die Wissenschaft dem spieltheoretisches Obligat gerecht, also dem Spiel mit dem für die jeweilige Fragestellung passenden Methoden und Theorien.
Eine auf diesen Kriterien basierende Auseinandersetzung mit PR-Forschung findet nach meinem Verständnis vorwiegend in Reviewprozessen für Konferenzvorträge, für Publikationen oder auch für Forschungsmittel statt, möglicherweise weitgehend implizit.
Bachelorwissenschaft?
Ein böses Wort – kommen wir mit ihm zum subjektiven Teil: Wie die meisten Leser dieses Blogs wissen, bin ich nicht vollständig im Wissenschaftssystem sozialisiert. Ich war nie wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl, sondern habe als Externer promoviert und war vor meinem Ruf auf eine Professur mehr als zehn Jahre vor allem PR-Praktiker. Das Konzipieren von Forschungsprojekten und die Kommunikation dazu in Journals und auf Konferenzen habe ich also nicht von der Pike auf gelernt. Wohl deshalb achte ich bei wissenschaftlichen Konferenzen nach wie vor besonders darauf, welche Arten von Forschungsprojekten dort denn vorgestellt werden.
Ohne es mit Zahlen untermauern zu können, sind bei mir in diesem Zusammenhang drei Eindrücke entstanden:
- Auf der einen Seite gibt zunehmend hochambitionierte Dissertationsprojekte, wie sich zum Beispiel bei Doktorandenworkshops zeigt.
- Auf der anderen Seite scheinen gelegentlich Bachelor- (oder andere Abschlussprojekte) soweit gepimpt zu werden, dass sie die Reviews passieren. Solche Projekte laufen allerdings Gefahr, nicht der Komplexität des untersuchten Gegenstands (Frage 1 von Ulrich Saxer) gerecht zu werden.
- Ein weiterer Eindruck ist, dass es schon fast normal scheint, erste Ergebnisse eines groß angelegten Projektes zu präsentieren – selten aber abschließende Ergebnisse solch großer Projekte. Es kann natürlich für die große Dynamik des Gebietes sprechen, wenn in einem jungen Forschungsfeld so viele große Projekte angelegt werden – hoffen wir, dass bei möglichst wenigen solcher Vorstudien rasch nach ihrer Vorstellung Endstation ist.
In einem Kreis mit ein paar Kollegen haben wir diese Beoachtungen diskutiert. Ganz allein stehe ich damit offenbar nicht. Dabei sind wir auf mögliche Ursachen leichtgewichtigerer Forschung gestoßen: Eine ist vermutlich der immer größere Druck, möglichst viel Forschungsoutput – gemessen an Papers und Vorträgen – vorweisen zu müssen. An vielen Hochschulen sind entsprechende Zielvereinbarungen selbstverständlich. Hinzu kommt, dass sich der Aktionsradius der deutschsprachigen PR-Forscher offensichtlich vergrößert hat: Neben den Tagungen der eigenen Fachgruppe gibt es eine zunehmende – und sicher positive – internationale Präsenz vieler Kollegen. Da es aber für jeden Auftritt ein möglich neues Thema braucht, fragt sich, wo diese Themen herkommen sollen. (Analoges gilt für Publikationen). Möglicherweise geraten so auch Abschlussarbeiten immer wieder in den Blick – während wie gesagt gleichzeitig hochkomplexe (aber langwierige) Dissertationsprojekte entstehen.
Letztlich können solche (subjektiv empfundenen) Entwicklungen nur vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen diskutiert werden. Solange es weiterhin relativ wenige reine PR-Professuren gibt und es – wie mir Kollegen berichten – extrem schwer ist, Forschungsmittel bei den großen üblichen Geldgebern wie der DFG zu akquirieren, wird sich dies vermutlich nicht deutlich ändern. Und natürlich gilt das Festgestellte auch für mich selbst – als Fachhochschulprofessor sitze ich zu solchen Fragen ohnehin im Glashaus. Dabei ist aus meiner Sicht der Einbezug von Studierenden/Absolventen in die Forschung keineswegs schlecht, sondern kann auch ein motivierender Baustein in einem akademischen Studium darstellen. Andererseits hat das Ganze auch seine Schwierigkeiten. Doch das ist ein eigenes Thema.
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Lieber Thomas,
vielen Dank für die tolle Serie, der ich zweierlei entnehme: einmal dass die Diskussionen vielleicht gestreamt werden sollten, andererseits, dass sich das „pimpen“ von studentischen Arbeiten schon kurzfristig als deutliches Problem herausstellen dürfte – v.a. wenn es aus der breiten Masse der BA-Arbeiten erwächst und es nicht mal um Master-Projekte geht.
Das gibt es sicher keine einfachen Lösungen …
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Ich kann mich dem Lob für die (überfällige) Diskussion und Zusammenfassung nur anschliessen, ziehe aber eine andere Schlussfolgerung daraus:
@ Lars: was heisst, die Diskussion müsste „gestreamt“ werden? Das habe ich nicht verstanden. Und „pimpen“ von Arbeiten sollte man – idealiter – überhaupt nicht zulassen, sondern stattdessen vielleicht ein geeignetes Gefäss für gute Nachwuchsarbeiten schaffen (Weblog?, Online-Journal?), in denen interessante und gute Abschlussarbeiten vorgestellt werden können, ohne sich gleichermassen einer peer-review unterziehen zu müssen?
Ich denke, wir machen seit den letzten DGPuK-Fachgruppentagungen (z.B. Leipzig 2010) recht gute Fortschritte, neuere theoretische Ansätze in die Diskussion zu integrieren. Allerdings ist der Gegenstandsbereich unserer Forschung – PR/Orgakomm – per se inter- und transdisziplinär und deshalb eben nicht in einer „catch-all“ Formel zu fassen: das würde zugleich auch die Innovation in der Forschung ersticken. Wir erholen uns ja erst allmählich von der Dominanz des „Grunigian Paradigms“. Von daher gilt es eher die Pluralität in der Forschung zu stärken und eine Multiperspektivität auf den Forschungsgegenstand zu erlauben und wahrzunehmen. Und da sind wir, so meine ich, auf einem guten Weg.
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Danke Euch sehr für Eure Diskussionsbeiträge, Lars und Swaran.
Die Idee, ein geeignetes Format für Abschlussarbeiten zu finden, geht mir auch seit der Konferenz durch den Kopf. Eine Online-Publikationsmöglichkeit klingt interessant, ist vermutlich aber organisatorisch ein bisschen aufwändiger. Ich habe schon überlegt, ob wir bei der Online-Konferenz ein spezielles Panel vorsehen sollten – mit etwas kürzeren Präsentationen ggf., vielleicht aber doch mit Review.
Da wir insgesamt im deutschsprachigen Raum ein Problem mit Publikationsmöglichkeiten haben, wäre vielleicht auch eine Online-Zeitschrift (open access!) für die PR-Forschung insgesamt nicht verkehrt. Dort könnte es dann evtl. eine Rubrik für Abschlussarbeiten geben….
Was das Streaming angeht: Bei der Vielzahl spannender Konferenzen, die es so gibt, würde ich mir oft einen Livestream wünschen, um vielleicht mal nur ein Panel zu verfolgen. Ich denke, jede Maßnahme, die die Offenheit einer Wissenschaft unterstützt, ist ein Gewinn.
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