Vor Weihnachten wurde ich gefragt, ob die Affäre Wulff nach den Feiertagen in der Versenkung verschwunden sein würde. Ich hatte nicht daran geglaubt, denn eine offensive und glaubwürdige Krisenkommunikation war nicht zu erkennen. Dennoch reibt man sich die Augen über die aktuellen Fortsetzungen. Ohne jetzt intensiv politisch diskutieren zu wollen, zeigt die Affäre mittlerweile aus PR-Sicht einmal mehr, dass es Situationen gibt, in denen auch die beste Krisen-PR nichts mehr hilft.
Klaus Ecks Analyse der Kommunikationsfehler teile ich völlig. De facto gab es keine strategische Krisen-PR. Die elf Reputationstipps im selben PR-Blogger-Artikel sehe ich jedoch zwiespältig: Unter anderem empfiehlt Klaus Eck Aufklären, direkt statt über Anwälte kommunizieren, mehr kommunizieren etc. Weshalb ich das zwiespältig sehe? Weil die Tipps nach meiner Einschätzung inhaltlich zwar genau richtig sind, es aber nach meiner Einschätzung zu spät dafür ist. Vor Weihnachten hätte ein Agenda Cutting mit Hilfe der beschriebenen Maßnahmen noch funktioniert. Mittlerweile – also nach Bekanntwerden der ominösen Beeinflussungsversuche von Bild und WamS – hat nicht nur die Reputation des Christian Wulff massiv gelitten, sondern ist für mich kaum vorstellbar, dass er in seiner jetzigen Rolle – die ja vor allem als moralische Instanz angelegt ist – wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit im notwendigen Maße gewinnen kann. Deshalb habe ich im Interview mit einem unserer Absolventen gestern Abend gesagt, dass statt Kommunikation jetzt nur noch die Handlung möglich ist: Der Rücktritt. Das Interview ist bei T-Online veröffentlicht.
Sie schreiben: „… zeigt die Affäre mittlerweile aus PR-Sicht einmal mehr, dass es Situationen gibt, in denen auch die beste Krisen-PR nichts mehr hilft.“
Nach Ihrer eigenen Einschätzung gab es in der Affäre Wulff nicht einmal eine gute Krisen-PR. Geschweige denn „die beste“. Als Nicht-Fachmann in Sachen PR glaube ich ja, dass die Affäre heute schon vergessen wäre, wenn Wulff sich direkt nach bekannt werden der Kreditumstände vollständig erklärt und sich kritischen Fragen gestellt hätte. Er hätte zu dem Zeitpunkt die Chance gehabt mit Ehrlichkeit und Offenheit sogar gestärkt aus der Krise hervor zugehen. Und zwar als geläuterter Sünder.
Jetzt ist diese Chance natürlich vertan und kein Krisen-PR-Manager wird ihm mehr helfen können.
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Sehe ich auch so. Aus PR-Sicht will ich vor allem betonen, dass die besten Kommunikationsstrategien nichts (mehr) bringen, wenn das Timing falsch ist. Ist auch ziemlich simpel: Je mehr sich ein Bild (oder ein Interpretationsrahmen) von einem Sachverhalt/einer Person entwickelt hat, desto geringer sind die Chancen, dieses wieder zu ändern. In diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass die Affäre durch eigenes Verhalten unnötig weiter gekocht wurde.
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