Die einen machen sich darüber lustig – ich finde es lustig. Nein, eigentlich ist es eine absolut spannende Idee, die sich hinter 1000mikes verbirgt. Was genau ist diese Idee? Man wählt eine Festnetznummer, erzählt etwas, und es ist live im Netz. Und als MP3-Datei im Online-Archiv; einen Feed gibt’s auch. Vermarktet wird der kostenlose (und in Deutschland entwickelte) Dienst als Talk Radio 2.0, sozusagen als neue Form des Bürgerfunks. Doch ich kann mir gut vorstellen, dass man diesen Ansatz z.B. auch in Online-Redaktionen oder Radiosendern nutzen könnte.
Als ich über 1000mikes gestolpert bin, musste ich erst mal an eine fast vergessene Erfahrung aus meinem Studium in grauer Vor-Web-Zeit denken: Da hatte uns ein erfahrener Reporter des Bayerischen Rundfunks auf den Marktplatz der netten Kleinstadt geschleppt und uns die Aufgabe gegeben ohne Vorbereitung mindestens eine Zwei-Minuten-Reportage ins Mikrofon zu sprechen. Da lernt man, wie lang zwei Minuten sein können. Wer es aber geschafft hat, diese zwei Minuten ohne Stammeln zu überbrücken, war der Held. Ich bin bekanntlich nicht beim Radio gelandet. Etwas später aber besuchte ich für eine Nachrichtenagentur Pressekonferenzen. Die Herausforderung war eine Ähnliche: Unmittelbar nach Abschluss ein Telefon finden und möglichst druckreif eine Meldung abzusetzen, die dann von einer Assistentin getippt und nahezu im selben Moment versandt worden war.
Vergangene Zeiten. Aber warum eigentlich? Noch habe ich 1000mikes nicht probiert, aber die Idee, mit Hilfe des Handys eine kurze Reportage oder Meldung abzusetzen – oder gar ein Interview zu machen, finde ich spannend (ein ähnlicher Service ist Utterz, mit dem Kollege Heinz Wittenbrink in Graz experimentiert). So etwas kann natürlich einen eigenen Podcast ergeben. Vielleicht wieder als eine hübsche Übung für Studenten. Denn: Warum soll multimediales Publizieren im Online-Journalismus immer die Integration von Video bedeuten? Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch Audio-Live-Berichte journalistische Konzepte gut ergänzen könnten. Themen dafür könnte ich mir genügend vorstellen: Von der G8-Demo über das Fußballspiel bis zum Unfallbericht. Je nach Spielart könnte es sich um Berichte professioneller Journalisten handeln, oder man öffnet das Ganze für alle Interessierten. In diese konzeptionelle Richtung geht derzeit übrigens SWR2, wo Interessierte mit eigenen Beiträgen ins Radioprogramm kommen können:
„Mit dem DOKUBLOG fordert SWR2 alle Feature-Macher und O-Ton-Jäger auf, sich daran zu beteiligen. Bürgerjournalisten, unabhängige und professionelle Autoren finden hier eine gemeinsame Plattform und zugleich den Weg in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“
Doch zurück zu 1000mikes: Eigentlich könnte man die Idee noch ein bisschen weiterspinnen. Man stellt einen mit 1000mikes/Utterz o.ä. erstellten Podcast mit dem PhoneCaster bereit. Dieser Dienst bewirkt, dass man Podcasts unter einer Festnetznummer „anrufen“ kann. Wenn das nicht wirklich mobiles Radio ist – vom Handy zu vielen anderen Handies, deren Eigentümer wieder zu Sendern werden können. Schöne Grüße an Herrn Brecht…
Weitere Artikel:
In 2 Wochen habe ich (hoffentlich) Zeit. Und das Thema habe ich mir mal in einen Ordner geschoben, mit Dingen, die ich, neben in der Elternzeit am Rechner tun will. Die Idee, in Verbindung mit einer Festnetz-Flat, klingt spannend…
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Da wünsche ich viel Spaß – ich werde leider in nächster Zeit nicht zum probieren kommen, würde mich aber freuen, von Erfahrungen zu hören.
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Natürlich konnte ich gestern nicht davon lassen. Warum lasse ich mich auch immer so leicht verführen :-)
Macht Spass. Funktioniert absolut einfach: Anmelden, Nummer registrieren, anrufen, Stern-Taste drücken und los geht’s.
Das ganze geht dann live on Air. Allerdings werden die „alten“ Aufnahmen nur als mp3 zum Download angeboten und nicht mit Player.
Da würde ich mir gar noch eine Möglichkeit wünschen, neue Einträge direkt mit Player im eigenen Blog einzubinden. Via Cronjob, der den Feed ausliest, o.ä. Aber vielleicht geht so etwas so gar schon und mir war die Zeit gestern Nacht einfach zu kurz. Jedenfalls habe ich nun einen Account und werde das mal weiter beobachten…
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Hihi, immer diese Verführungen.
Danke schön für das interessante Feedback. Die Idee mit dem Player und der Weblog-Einbindung erscheint mir sehr nahe liegend – und ist eigentlich Voraussetzung für die Ideen, die ich oben zusammen gesponnen habe. Aber das Ganze ist ja noch ziemlich neu….
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Ich hatte mich da vor ein paar Wochen schon registriert: ich glaube das ganze hat ein paar wirklich spannende Momente. Als zwei Zielgruppen fallen mir da sofort Fans ein (Sport, Musik etc.), die dadurch überall dabei sein können ohne vor Ort zu sein, und auch NGOs ein. Letztere können mit spannenden Reportagen von ‚vor Ort‘ oder von der Kampagnenfront sicherlich auch einiges an Interesse ziehen. In ruhigeren Tagen werde ich das definitiv mal ausprobieren.
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Klingt gut (die Ideen und das Ausprobieren). Neben Campaigning kann ich mir von NGOs auch Berichte aus Projekten gut vorstellen – oder aus Regionen, in denen Journalisten nicht präsent sind.
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