PR der Zukunft: Ermutigen statt kanalisieren

Zu meiner Rolle als Professor gehört gelegentlich, Orakel spielen zu müssen. Eine typische Frage, die mir regelmäßig gestellt wird, heißt: Wohin entwickelt sich die PR? Dann spreche ich verschiedene Bereiche an, Mediennutzung, Erwartungen der Öffentlichkeit und so fort. Die wirklich intensiven Diskussionen drehen sich dann meist um die These, dass One-Voice-Policy als alleinige Maxime der Kommunikation keine Zukunft hat, sondern dass es Bereiche bzw. Themen gibt, bei denen das so nicht mehr funktioniert. Zu langsam, nicht authentisch. Die Kommunikationsabteilung als Nadelöhr. Und dann kommt die Folgerung, dass die PR-Abteilung künftig viel stärker die Aufgabe hat, Mitarbeiter zur Kommunikation zu ermutigen und (!) zu befähigen. Weil Beziehungen nur zwischen Menschen funktionieren und Vernetzung nur, wenn sich das möglichst viele zur Aufgabe machen.

Aber gut, das ist den meisten Lesern dieses Blogs nicht neu. Dass ich das dennoch aufschreibe, liegt an Diskussionen mit PR-Praktikern, die ich in den letzten Tagen führen durfte. Immer wieder spüre ich in solchen Gesprächen großes Interesse, aber auch Ängste: Vor möglichem Schaden für das Unternehmen, unausgesprochen gelegentlich auch vor Kontroll- und Bedeutungsverlust für die PR-Abteilung.

Mir scheinen die Risiken nicht so dramatisch. Warum sollten Mitarbeiter, die im Namen ihres Unternehmens auftreten, diesem schaden wollen? Wenn, dann würden sie das anonym an ganz anderer Stelle tun als z.B. im Corporate Blog. Und meiner Meinung verliert die PR-Abteilung in diesem Szenario nicht an Bedeutung, sondern ihre Rolle wandelt sich. Sie wird zum (Vorsicht: Denglisch) Enabler von Kommunikation.

Ein Unternehmen, das diese Politik seit längerem verfolgt, ist IBM, wie Christiane Schulzki-Haddouti schön beschreibt. Dort werden auf der einen Seite Mitarbeitern, die publizieren und sich vernetzen möchten, die Türen weit geöffnet:

„Whether or not an IBMer chooses to create or participate in a blog, wiki, online social network or any other form of online publishing or discussion is his or her own decision.“

Auf der anderen Seite werden Verhaltensregeln für das Social Web an die Hand gegeben, die die Mitarbeiter, aber auch die Unternehmensmarke schützen sollen – etwa, wenn es heißt, dass IBMer unter Klarnamen und Nennung ihrer Funktion unterwegs sein sollen, um nur ein Beispiel aus den (kollaborativ in einem Wiki erstellten) Guidelines zu nennen. Ich denke, nur so kann es mittelfristig funktionieren.

Disclosure: Christiane ist wissenschafltiche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „kooptech„, das an unserem Studiengang läuft.