Posterous: Noch ein Schritt ins Live Web

Ich geb’s ja zu: Beim Ausprobieren neuer Dienste bin ich oft erst mal skeptisch. So war’s bei Twitter, so war’s bei Friendfeed. Nun also Posterous, eine Art Mini-Blog-Dienst. Wobei: „Nun“ ist nicht ganz richtig. Ich habe mir dort schon vor mehr als einem Jahr (!) ein Blog eingerichtet – aber schnell die Lust daran verloren. Der Mehrwert – für mich wie für mein soziales Netz – war mir nicht klar genug. Offenbar ein typischer Zweifel von Posterous-Newbees. Wie also rangehen? Meine erste Intuition war, englisch zu schreiben, um dort eine andere Community zu versammeln als hier im Textdepot. Die Idee geriet schnell in Vergessenheit. Irgendwie hatte ich genug anderes um die Ohren. Doch mittlerweile lande ich jeden Tag ein paar Mal in Posterous-Blogs von Bekannten – und andere sind ganz begeistert. Ok, ein zweiter Blick musste her.

Nun habe ich also meinen Posterous reanimiert, um damit ein bisschen zu spielen.Ein wirkliches inhaltliches Konzept habe ich ehrlich gesagt noch nicht. Ich neige dazu, nach ein paar deutschen Posts wieder ins Englische zu wechseln und v.a. kürzere Schnipsel zu sammeln und kommentieren. Vielleicht schläft das Ganze aber auch rasch wieder ein.

Besonderheiten von Posterous

Doch was unterscheidet Posterous eigentlich von einem normalen Blog? Zunächst: Eine Menge Dinge, die ich z.B. in WordPress selbstverständlich nutze, fehlen bei Posterous: Kein eigenes Design, keine Blogroll und noch vieles andere gibt’s nicht. Andererseits ist das Veröffentlichen recht bequem – ich nutze entweder ein Bookmarklet, was sehr bequem ist, wenn man ein Zitat (Text, Bild, Video etc.)  festhalten und kommentieren möchte oder ich poste per Mail. Hier sieht der Dienst seine Stärke, und das ist besonders nett, wenn man z.B. einen Text mit ein paar Bildern veröffentlichen will. Der Inhalt der Mail wird brav und ansehnlich veröffentlicht, ggf. wird eine Bildergalerie erzeugt. Einbinden lassen sich u.a. auch PDFs, Videos oder Musik, vermutlich bequemer als in fast allen CMS. Damit wird multimediales Veröffentlichen wirklich bequem.

Wichtig sind auch die Vernetzungsmöglichkeiten, denn Posterous kann an eine Menge anderer Social Media-Plattformen angebunden werden. Veröffentliche ich also dort z.B. einen Beitrag, so kann ich einstellen, dass die zu Posterous geschickten Fotos automatisch in mein Flickr-Archiv wandern, die Überschrift bzw. der Text wiederum in Twitter, Friendfeed, Facebook oder auch hier im Blog veröffentlicht werden. Ausführlicher diskutiert dies Steve Rubel. Allerdings ist mir exzessives Crossposting immer etwas unheimlich: Denn eigentlich sehe ich manche Redundanzen, die z.B. schon in Friendfeed entstehen, mit gemischten Gefühlen: Langweilt man damit? Andererseits bietet das Crossposten den Lesern die Möglichkeit, meine Beiträge dort zu lesen, wo sie sich gern aufhalten, vielleicht lieber in Facebook als in Twitter. Keine Ahnung, welches Argument überwiegt.

Ganz stark ist übrigens die Möglichkeit, eine Diskussion, die in den Kommentaren von Posterous veröffentlicht wird, in Facebook und Twitter hineinzuziehen – denn wer kommentiert, kann entscheiden, ob sein Kommentar auch dorthin wandert. Das kann natürlich einer Diskussion eine viel größere Dynamik verleihen.

Allerdings habe ich für den Moment die Autopost-Funktion in andere Plattformen ausgeschaltet. Der Grund: Ich fühle mich mit Posterous noch nicht sicher genug. Sprich: nicht immer sieht ein Beitrag gleich so aus, wie ich ihn mir vorstelle. Da ich keine Vorschaufunktion entdeckt habe, merke ich das erst, wenn ein Beitrag veröffentlicht (und womöglich an x andere Orte geblasen ist). Sehr unschön. (Oder habe ich was verpasst?)

Eine andere Ebene der Vernetzung bietet sich innerhalb von Posterous: Dort kann ich andere Posterous-Autoren abonnieren und erhalte deren Beiträge in einem eigenen Stream – zudem Vorschläge, wen ich noch abonnieren könnte.

(Professioneller) Einsatz von Posterous

Von der Funktionalität her liegt Posterous irgendwo zwischen Blog und Twitter, nach meinem Verständnis ist es eine Art Lifestreaming, entfernt ähnlich zu Friendfeed. Direkt verglichen wird Posterous oft mit Tumblr. Doch gibt es inhaltlich Typisches? Wenn ich mich durch die Posterous-Streams von ein paar Bekannten klicke, sehe ich dort eher kurze Beiträge und sehr viele Videos und Bilder – die Multimedia-Stärke des Systems kommt also zum Tragen. So zu veröffentlichen, macht in Posterous wirklich mehr Spaß als in WordPress. Und im Gegensatz zu Twitter fehlt das manchmal nervende Geplänkel, sprich: Bei Posterous geht es konsequenter um Inhalte.

So weit, so schön. Die entscheidende Frage ist, ob das Angebot im professionellen Kommunikationsmanagement spielen kann. Dass jeder Veröffentlichungsort im Internet im Sinne des Online-Monitorings relevant sein kann, ist klar. Aber ein aktiver Einsatz? Die geringen Gestaltungsmöglichkeiten (weit geringer als bei Twitter) dürften bei Unternehmen oder NGOs im ersten Moment Stirnrunzeln erzeugen. Andererseits gibt’s erste kreative Beispiele für den Einsatz des Dienstes, etwa zur Einbindung von Lesern: So kam eine Zeitung in den USA auf die Idee, ihre Leser per Mail Fotos einzuschicken zu lassen, die dann in einem Posterous veröffentlicht werden. Gerade durch die einfache Art, Beiträge zu veröffentlichen, ist vieles denkbar: Mir fällt als erstes die Liveberichterstattung von Events wie Messen, Wahlverantstaltungen oder Open Airs ein (z.B. vom Mobiltelefon aus), aber auch die Möglichkeit, einfach Material zu sammeln anstelle Social Bookmark-Dienste dafür zu nutzen. In der PR könnte das etwa ein kommentierter Medienspiegel sein oder Hintergrundmaterial zur eigenen Branche oder zu einem wichtigen Thema. Da Posterous einen RSS-Stream erzeugt, ließe sich der wiederum in eine Website ziehen.

Mein obligatorischer Schluss: Mal sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Mein Gefühl: Die Vorteile sind nicht auf ersten Blick greifbar, trotzdem kann sich das Ganze aus der Nische heraus entwickeln. In Teilen der Netzgemeinde hat Posterous jedenfalls im Moment einen Darling-Faktor.

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