PR: Schon. Aber für was oder wen?

Zum Ende des Wintersemesters, also unmittelbar bevor es an die Abschlussarbeit geht, wird die Frage des „Danach“ für die meisten unserer Studenten so richtig konkret. Entsprechend führen auch in den Seminaren einige Diskussionen immer wieder in diese Richtung. Dabei geht unter anderem um die Frage, für was oder wen man im Einzelfall eigentlich PR macht und wo die eigenen Grenzen liegen. Aktuelle Fälle wie Schlecker oder Glaesecker zeigen, wie wichtig eine solche Auseinandersetzung ist.

Es sind verdammt schwierige Fragen, mit denen sich Berufseinsteiger konfrontiert sehen. Zunächst gilt ja ihre Sorge dem Berufseinstieg selbst. Welche Chancen habe ich am Markt? Bekomme ich überhaupt einen Job? Und wenn ja: Kann ich es mir leisten, ein Angebot abzulehnen, das ich mir nicht gerade erträumt habe?

Klar ist den PR-Studenten, dass sie in einer besseren Situation sind als die meisten ihrer Journalismus-Kollegen, wenn es um die Berufsperspektiven geht. Gerade unsere Absolventen sind aufgrund ihrer Online-Kompetenz nicht schlecht aufgestellt. Andererseits ist ihnen auch klar, dass die Journalisten in der Wahrnehmung vieler die Guten sind – und PR-Leute sich zumindest gelegentlich erklären müssen.

Ich meine: Dazu muss jeder in Lage sein – der Bild-Journalist genauso wie der PR-Mensch für zahnzerstörenden Süßkram (oder war es der leckere Genuss zwischendurch?) oder der Kollege, der für heftig lobbyierende Verbände spricht.  Klar, Medikamente sind lebenswichtig, viele tragen entscheidend zur Lebensqualität bei. Gleichzeitig gibt es in der Pharmabranche gelegentlich Praktiken, die wenig erfreulich sind. Nur ein paar kleine Beispiele, zu denen man sich eine Meinung bilden muss und entscheiden, wo man im Einzelfall steht. Letztlich geht es um die Frage der eigenen Grenzen und das eigene Gesicht im Spiegel, in das man jeden Morgen schaut.

Was mir wichtig ist: Mit jeder Bewerbung geben unsere Studenten ein Statement ab, das ihnen klar sein sollte. Es ist ganz selbstverständlich ihre Sache, wo sie sich bewerben. Ich rate aber sehr dazu, noch vor dem ersten Bewerbungsschreiben sich über die ganz eigenen Grenzen Gedanken zu machen. Für den einen kommt PR für bestimmte Produkte oder Branchen nicht in Frage, für die andere scheiden bestimmte Praktiken oder Arbeitsfelder aus. Manches lässt sich also von vornherein ausschließen.

Anderes dagegen ist nicht unbedingt von Anfang an vorhersehbar. Aktuelle Beispiele zeigen überdeutlich, dass PR-Leute im Zweifel nicht nur die netten Kommunikationsmenschen sind, die Journalistenanfragen beantworten oder Konzepte für eine Facebookseite entwickeln, sondern dass die PR-Leute im Zweifel mittendrin sind – und entscheiden müssen, ob sie das wollen. Ein Beispiel: Letzte Woche gab es in der Branche einige Anerkennung für das Corporate Blog von Schlecker. Dort wird zur Insolvenz des Unternehmens ziemlich offen kommuniziert, Fragen von Lesern werden geklärt – kurz: hier macht jemand (in diesem Fall eine Agentur) offensichtlich einen guten Kommunikationsjob. Zu besichtigen zum Beispiel in diesem Beitrag bzw. in den dazu gehörenden Kommentaren. Auf der anderen Seite steht der Vorwurf, dass der Insolvenzantrag unter anderem dazu dient, die relativ strengen Regeln zum Schutz von Mitarbeitern auszuhebeln, zitierte der Spiegel (Nr.4, S.64) einen Insolvenzanwalt. Ohne dies beurteilen zu können, wird das eigentlich Selbstverständliche deutlich: PR-Leute unterstützen Strategien. Die Frage, ob sie diese vertreten können, müssen sie beantworten – zunächst und vor allem für sich selbst. Im Zweifel aber auch öffentlich oder im nächsten Vorstellungsgespräch.

Die Schwierigkeit dürfte oft also darin bestehen, dass beim Antritt eines Jobs überhaupt nicht absehbar ist, wohin sich das Ganze mit der Zeit entwickelt – und irgendwann die Verstrickungen so eng sind, das offenbar das Bewusstsein für die eigene Verantwortung, für die Außenwirkung (oder gar für handfeste Gesetzesüberschreitungen) verloren geht. Sehr schwierig, das. Lassen sich Glaesecke-Fälle verhindern? Natürlich haben solche Fälle mit individueller Verantwortung und Regeln bzw. Selbstverständnissen eines Berufsstandes zu tun. So ähnlich haben wir vor einiger Zeit schon diskutiert. Vielleicht ist ergänzend der Rat sinnvoll, nur wenige Jahre im Gespann mit einem Politiker/CEO zu bleiben? Oder die Diskussion heikler Praktiken mit möglichst branchenfremden Freunden, um geerdete Reaktionen zu bekommen?

Was würden Sie den Berufseinsteigern von morgen raten?

6 Kommentare

  1. „Die Schwierigkeit dürfte oft also darin bestehen, dass beim Antritt eines Jobs überhaupt nicht absehbar ist, wohin sich das Ganze mit der Zeit entwickelt“

    Da sagen Sie was. Mit dieser Schwierigkeit dürften allerdings alle Arten von Berufseinsteigern (-umsteigern, -aufsteigern, …) konfrontiert sein, nicht nur PR-Menschen. Als Ratschlag fällt mir da nur ein: Be yourself. Und wenn der Mann (oder die Frau) die einen morgens im Spiegel begrüßt immer häufiger verschämt nach unten guckt, wirds Zeit.

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  2. Ich finde deine Ratschläge gut. Zu viele dürfen es aber nicht sein, sonst wird der Start schwierig. Das ist wie wenn ich jemandem erkläre, an was er alles denken muss, wenn er zum Bäcker geht. Man kann sich auch zu viele Gedanken machen.
    Für Einsteiger finde ich wichtig herauszufinden, was man selber möchte: Die Arbeit auf einer Agentur (mit Druck, jede einzelne Leistung verrechenbar zu machen) oder im Unternehmen integriert (nahe am Entscheider, aber teilweise auch umgeben von Betriebspolitik und -Blindheit). Und was man gerne tut: Schreiben? Organisieren? Mit Menschen etwas entwickeln oder lieber „im stillen Kämmerlein“ Ideen ausdenken und detaillierte Pläne ausfeilen?
    Und wenn dann ein paar Ideen da sind, dann sollte man sich nicht scheuen, diese mit angehenden Berufskollegen bei einer Tasse Kaffee oder im Rahmen einer Veranstaltung des Branchenverbandes zu wälzen. Ich denke, dass einige Seniors bereit sind, ihre Erfahrungen an jüngere Kollegen weiterzugeben – wenn diese auf ihrer Seite aus der Ausbildungsschule plaudern. Denn da sind sie, sie du ja sagst, gut aufgestellt. Na dann mal los und auf zum munteren Erfahrungen und Wissen teilen.

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  3. Danke für die hilfreichen Rückmeldungen. Ich würde mal zusammenfassend daraus formulieren, dass neben der Fachkompetenz eine entwickelte Persönlichkeit eine große Rolle spielt, der man dann auch treu bleiben muss.

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  4. Bin der Meinung man muss zu dem Produkt stehen das man vertritt. Sonst kann man imho keinen guten Job machen. Meine Jahre in der agentur haben mir am Anfang sehr viel gebracht weil man viel lernt. Und ich hab nach dem Studium eine schwarze liste erstellt mit Sachen und unternehmen für die ich nicht arbeite

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