Lesestapel zum Sonntag

Nach ein paar Wochen Pause gibt es heute mal wieder ein paar Lesetipps. Diesmal nicht als kommentierte Linksammlung, sondern ein bisschen ausführlicher, garniert mit ein paar Fotos, die ich in letzter Zeit geknipst habe.
#bar #coffee #city #night #darmstadt

Soziale Reputationssysteme

Der spanische Journalist Enrigue Dans beschäftigt sich in einem Artikel mit Kundenbewertungen im Internet, die als Bausteine eines sozialen Reputationssystems gelten. Ausgangspunkt seines Artikels ist ein in Kalifornien verabschiedetes Gesetz, das Kunden die Sicherheit geben soll, dass sie ihre Meinung über Unternehmen und ihre Produkte ohne Furcht vor Konsequenzen veröffentlichen können. Auslöser hierfür war die Praxis einiger Unternehmen, gegen die Autoren negativer Kommentare juristisch vorzugehen – entweder schon in den Nutzungsbedingungen oder/und durch Schadensersatzforderungen. Enrigque Dans arbeitet heraus, wie wichtig Reputationssysteme für die Internetwirtschaft insgesamt sind und damit verbunden der Schutz von Kunden vor mächtigen Unternehmen. Das Problem gefälschter Rezensionen hält er nicht für groß, da diese in ihrem Umfeld auffielen. Dies allerdings setzt meiner Meinung u.a. voraus, dass auch alle Rezensionen angezeigt und nicht einzelne nach undurchsichtigen Kriterien ausgeblendet werden – eine Praxis, die auch in Deutschland schon Bewertungsplattformen vorgeworfen wurde.

Journalistenpreis

Henri-Nannen-Preis geht baden.
Henri-Nannen-Preis geht baden.

Herausragender Journalismus ist zu teuer – zumindest, wenn das mit üppigem Preisgeld und großer Gala zelebriert wird wie beim Henri-Nannen-Preis. So jedenfalls entschied Gruner + Jahr. Der Verlag will den Preis 2015 nicht vergeben. Damit lassen sich sicher Gelder und vor allem lästige Diskussionen sparen.

Promotion-Experiment

Content Promotion macht vermutlich jeder Blogger in gewissem Umfang. Also: Beitrag schreiben, dann auf Twitter, Facebook, G+ und wo auch immer anteasern. Inken Kuhlmann hat hierfür auch Geld in Hand genommen und bei Facebook, Twitter und LinkedIn für die Promotion bezahlt. Ihr Blogpost bei hubspot geht auf unterschiedliche Kennzahlen in diesem Versuch ein: Reichweite, Interaktionen, Visits, Kosten. Die beschriebene Denkweise und die vergleichende Auswertung finde ich ganz interessant, allerdings ist wichtig, die Ergebnisse nicht zu verallgemeinern – schließlich kommt es ja sehr drauf an, wen man mit welchem Thema ansprechen möchte. Und noch überhaupt nicht geklärt ist für mich, wie groß die Risiken durch Content Promotion sind – ich jedenfalls klicke Promoted Content fast nie – weil ich billige Werbung dahinter vermute.

Intern und extern

Thilo Specht hat ein Seminar zu interner Kommunikation gemacht und mit Master-Studenten herausgearbeitet, dass der Anspruch an die Kommunikation und die Unternehmenswirklichkeit oft nicht zusammenpassen. Die Studenten haben deshalb in einem „Manifest der integralen Kommunikation“ ihre Ansprüche formuliert. Auszüge:

„Menschen sind immer und überall miteinander verbunden. Kommunikation kennt keine Grenzen. Sie ist öffentlich.

Ohne offene Kommunikation ist die beste Idee wertlos. Deshalb braucht es multidirektionale und multimediale Strukturen. Und eine Haltung, Kommunikation mit internen Dialoggruppen als lebendiges und dynamisches Kunstwerk zu betrachten, das es gemeinsam zu gestalten gilt.

Wir Menschen sind das Unternehmen. Wir wollen als Individuen behandelt und angesprochen werden. Nicht als Ressourcen!

Wir verstehen Unternehmen als Communities.“

Ich musste ein bisschen schmunzeln, als ich Thilos Artikel gelesen hatte – und zwar wegen der Gleichzeitigkeit. Denn just in dieser Woche sind wir – die Kollegin Sabine Hueber, der Kollege Martin Wessner und ich – zusammengesessen und haben über das Selbstverständnis in unserem Studiengang Onlinekommunikation diskutiert. Und sind auf ganz ähnliche Formulierungen gekommen.

Macht der Algorithmen

Mittlerweile werden ja Algorithmen in praktisch allen Medien mal erwähnt, typischerweise in Verbindung mit den Begriffen „Macht“ und „Angst“. So auch kürzlich in der WELT. Der Artikel zeigt schön, welche Bedeutung Algorithen beispielsweise für Onlineshops wie Zalando haben und wie wichtig es für uns alle ist, zu verstehen, was es mit Algorithmen auf sich hat.

Noch deutlicher macht dies Sascha Lobo im Interview bei futurezone.at: Er kritisiert vor allem, dass viele Menschen Wahrscheinlichkeiten, wie sie durch Algorithmen ausgespuckt werden, mit Wahrheit gleichsetzten. Lobo weiter im O-Ton:

„Big Data und sogenannte Paterns of Life Analysen haben zwei konträre Eigenschaften. Einerseits sind diese Instrumente extrem mächtig und präzise, andrerseits sind sie aber sehr fehleranfällig und produzieren große Mengen an Humbugdaten. Das Absaugen von Daten ist immer fehlerbehaftet. Trotzdem töten Menschen heute auf Basis dieser Informationen,wie ein US-General kürzlich zugegeben hat. Bedrohlich ist, dass einige Leute tatsächlich glauben, alles sei berechenbar. Dass die Technik über Leben und Tod entscheidet, ist eine Katastrophe.“

Uberganda

Uber ist ein Thema, das sicher noch lange für Schlagzeilen gut ist. Interessant an dieser Stelle ist natürlich besonders die Kommunikationsstrategie des US-Unternehmens. Und da könnte man zum Eindruck kommen, dass es darum geht, möglichst laut zu sein. Oft genug bekommt man so ja irgendwann auch Recht, das kennt man ja von Streitigkeiten in der Sandkiste. Diese Woche nun hat Uber eine Presseinfo herausgegeben, die auf deutliche Kritik gestoßen ist, und zwar bei Michael Hübl, Gründer des Mitfahrdienstes flinc. Er hat in einem Artikel das Uber-Statement auseinander genommen und kommt zu dem Ergebnis, in jedem Absatz werde mindestens eine falsche Behauptung aufgestellt. Da finde ich es schon spannend zu sehen, wie ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell hier zu Lande erst Vertrauen gewinnen muss (wenn das überhaupt geht), dann auch noch in der Kommunikation offensichtlich das Gegenteil von Vertrauensaufbau betreibt.

Andernorts

Abschließend noch zwei Hinweise in eigener Sache – weil andernorts veröffentlicht:

Vor zwei Wochen hatten mich die Kolleginnen und Kollegen des Institut für Kommunikation und Marketing unserer Partnerhochschule in Luzern (HSLU) zu einem Workshop eingeladen. Das Ziel: Alle etwa 50 Lehrende und Mitarbeitende haben einen Tag lang diskutiert, wie sie Web Literacies in ihre Arbeit – von der Lehre bis zur Verwaltung – integrieren können. Ein systematischer Ansatz, wie ich ihn sonst noch nirgends in der Hochschullandschaft kennen gelernt habe. Ausgehend von unseren Lehrerfahrungen in Darmstadt habe ich mich durch einen kleinen Impuls an der Diskussion beteiligt.

Und schließlich habe ich mich diese Woche von der gedruckten Tageszeitung zugunsten des ePapers verabschiedet und bin drüben bei Medium ein bisschen in Erinnerungen geschwelgt – habe ich doch als Schüler mein erstes Geld bei einer lokalen Tageszeitung verdient.

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2 Kommentare

  1. Uuuund zack, mit diesem Artikel haben Sie sich in meine Lesezeichen-Leiste katapultiert. ;) Endlich mal jemand, der das Wort „Lesetipps“ auch so meint wie er es sagt und nicht einfach die ersten 3 Suchergebnisse aus Google News präsentiert ;)

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  2. Danke, das freut und motiviert mich – gerade, weil die letzte Zeit sehr turbulent ist und ich schon eine Weile keine Lesetipps mehr hier hatte. Kommt aber wieder :)

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