Unterbelichtet: Wandel der regionalen Kommunikation

Es ist ja schon erstaunlich: Wir diskutieren seit Jahren, wie sich die Kommunikation von Unternehmen und Institutionen verändert – ausgelöst durch die Möglichkeit, selbst zum (Online-)Publisher zu werden und natürlich die Veränderungen in Mediennutzung und Journalismus. Doch während im Journalismus zumindest in Ansätzen auch der Wandel im Lokalen diskutiert wird, wurde dies in der PR bisher kaum beachtet. Umso mehr freue ich mich, dass wir mit einer kleinen Publikation einen ersten Blick auf die „Regionale PR im Medienwandel“ werfen können.

PR_im_Medienwandel_

Regionale Kommunikation

In der Praxis sind diese Veränderungen tagtäglich präsent, und sie betreffen eine Menge Kommunikatoren, denken wir an regionale Unternehmen oder an große Unternehmen oder Universitäten, die Standort-Kommunikation betreiben. Auch Ortsverbände von Parteien, soziale Einrichtungen wie Diakonien oder Kliniken, Vereine, Stadtverwaltungen oder Kultureinrichtungen sind wichtige Akteure der regionalen Kommunikation. Neben der Zielsetzung, in der Region zu kommunizieren, verbindet viele dieser Akteure eine weitere Gemeinsamkeit: Eine relativ begrenzte Ausstattung mit Ressourcen für die Kommunikation.

Wie sich der Kommunikationsalltag für solche Organisationen bereits verändert hat und mit welchen weiteren Anpassungen sie rechnen, sollte eine erste Untersuchung zu diesem Feld anhand einiger Beispiele herausfinden. Mich hat deshalb sehr gefreut, dass sich eine Studentin unseres Masterstudiengangs Medienentwicklung, Marina Miller, des Themas angenommen hat. Sie wurde fachlich begleitet von Matthias Bastian vom eBusiness-Lotsen Darmstadt-Dieburg und mir. Die Darmstädter PR-Agentur Profilwerkstatt hat keine Mühen gescheut, das Ergebnis der Untersuchung zur Publikationsreife zu bringen.

Die Untersuchung besteht aus drei Teilen: Zunächst wird die Entwicklung regionaler Kommunikation betrachtet, dann wird der Fokus beispielhaft auf das Verbreitungsgebiet des Darmstädter Echos in Südhessen gelegt. Hier geht es um die Entwicklung der regionalen Medienszene und um Strategien von Kommunikationsverantwortlichen aus regional kommunizierenden Unternehmen und Institutionen. Mit 13 von ihnen sowie mit drei Journalisten wurden ausführliche Interviews geführt.

Lokaljournalismus

Die Abwärtsspirale im Journalismus ist bekannt: Sinkende Verkaufszahlen und Anzeigeneinnahmen gelten als Ursache dafür, dass viele regionale Medienhäuser Lokalredaktionen eindampfen oder ganz schließen, komplette Mantelteile eingekauft werden etc. Gerade im Rhein-Main-Gebiet ist der Verfall des Journalismus zu beobachten: Frankfurter Rundschau, FAZ, Darmstädter Echo. Meinungsvielfalt ade? Gleichzeitig zeigt sich, dass kostenlose Blätter in der regionalen Kommunikation an Auflage gewinnen. Ergänzend wurde in Darmstadt Ende 2013 mit dem „Darmstädter Tagblatt“ sogar ein kostenloses Wochenblatt geschaffen, das einen höheren journalistischen Anspruch erhebt als die üblichen Werbeblätter. Im Stadtgebiet Darmstadt erreicht das Blatt mindestens vier mal so viele Haushalte wie die traditionelle Lokalzeitung. Hinzu kommen Auslagezeitschriften wie etwa regionale Kulturmagazine und neue Online-Formate. In Darmstadt gibt es hier u.a. ein Angebot, das praktisch nur Presseinfos veröffentlicht (darmstadtnews.de) sowie eines, das sich als unabhängige Online-Tageszeitung versteht (heinertown.de), und Vielfalt sicherstellen möchte. Insofern ist Darmstadt und Umgebung von außen betrachtet im Vergleich zu vielen anderen Regionen wohl recht gut versorgt mit lokalem Journalismus. (sorry, das ging an mir vorbei: Heinertown gibt’s schon nicht mehr).

Die PR-Leute

Die meisten der Gesprächspartner sehen die regionale Tageszeitung zwar noch als relevant, aber nicht mehr als Leitmedium an: Immer weniger Bürger werden damit erreicht. Gleichzeitig trügt wohl die Zahl der Titel. Mehrere Gesprächspartner meinten, es verschlechtere sich die Qualität der Berichterstattung. Die Redaktionen seien so ausgedünnt, dass eigene Recherchen immer weniger stattfänden. Die Gesprächspartnerin einer Partei beklagte sogar, Interviews würden gar nicht mehr geführt, sondern von der PR gebastelt und so veröffentlicht. Wer nicht druckbar liefern kann, findet damit immer weniger statt.

Die Tore scheinen offen für die PR. Grund zur Freude? Nicht wirklich. Die meisten Gesprächspartner sehen den Abstieg des Lokaljournalismus auch als ihr Problem. Sprich: Verliert der Lokaljournalismus nicht nur Leser, sondern auch noch Glaubwürdigkeit, leiden darunter auch Unternehmen und Institutionen. Hart gesagt: Ist eine Redaktion nicht glaubwürdig, wird auch die – unabhängige oder PR-gesteuerte – Berichterstattung zu Unternehmen etc. nicht mehr ernst genommen. Und als Beobachter muss man schon fragen, wie gut gerade im Lokalen Medien ihrer Kontrollfunktion gerecht werden und einen ernsthaften Beitrag zur Meinungsbildung leisten können. Aus meiner Sicht kratzen 1:1 abgedruckte Pressemitteilungen an der Glaubwürdigkeit der echten journalistischen Beiträge – denn die Leser können dies womöglich kaum mehr unterscheiden. Die befragten Journalisten halten jedoch dagegen und versichern, dass Fact Checking auch bei Presseinformationen eine große Rolle spiele, ein Redakteur betonte, in seinem Blatt würden Pressemitteilungen nie 1:1 veröffentlicht.

Doch zurück zu den Kommunikatoren: Vor dem beschriebenen Hintergrund orientieren sich die meisten immer stärker an den Anzeigenblättern, beliefern diese sowohl mit Material für den redaktionellen Teil, verschieben aber auch Anzeigenbudgets dorthin. Ob sich dies wirklich lohnt, ist schwer einzuschätzen, unabhängige Untersuchungen zur Nutzung und Glaubwürdigkeit von Anzeigenblättern – noch bezogen auf einzelne Regionen – gibt es kaum.

Und natürlich ist die Onlinekommunikation inzwischen das zweite große Standbein der PR. Fast alle Gesprächspartner haben berichtet, wie sie versuchen, Kapazitäten umzuschichten, zu schulen und neue Strategien zu entwickeln. Da die Abteilungen oft sehr klein sind, ist dies oft besonders schwierig. Gleichzeitig habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Ängste und Vorbehalte, über die wir in der überregionalen oder in der Fachkommunikation schon vor ein paar Jahren diskutiert haben, im Lokalen noch sehr virulent sind. Die Stichworte dazu sind bekannt: Kontrollverlust und Angst vor Kritik, Schwierigkeiten beim Entwickeln von Content Strategien, Personalengpässe etc. Allerdings: Einig sind sich auch die befragten Experten der regionalen Kommunikation, dass am Ausbau der Online-Kanäle kein Weg vorbei führt. Damit verbunden ist natürlich ein immer größerer Aufwand, denn, so sagte eine Gesprächspartnerin:

„Social Media und Print werden gleichzeitig benutzt.“

Anzeigenblätter als Innovationsbremse?

Insgesamt scheint es, dass der zumindest bisher bestehende Erfolg von Kostenlosblättern den Innovationsdruck in der regionalen Kommunikation gebremst hat – gerade mit Blick auf Online-Strategien. Jedenfalls merken wir auch in unserem Kompetenzzentrum eBusiness-Lotse, dass in der Region viele Fragestellungen erst jetzt in Unternehmen ankommen, die Online-Experten längst für geklärt gehalten haben.

Insofern werden Kommunikationsberater aus diesem Feld und Verantwortliche, die seit langem intensiv in der Onlinekommunikation unterwegs sind, aus der Untersuchung vermutlich nicht so viel Neues herausfinden. Für Kommunikatoren, die gerade dabei sind, ihre Arbeit auf den Prüfstand zu stellen, dürften die Einschätzungen und Erfahrungen von Kollegen eher hilfreich sein. Und natürlich empfinde ich es aufschlussreich, die regionale Medienlandschaft – hier natürlich nur an einem Beispiel – zu kartieren. Dass die Arbeit ein kleiner Anfang ist, hatte ich gesagt, viele Fragen müssen noch bearbeitet werden – vor allem jene, die die regionalen Zielgruppen selbst betreffen.

Details zum Buch

Regionale PR im Medienwandel, Autoren: Marina Miller, Matthias Bastian, Thomas Pleil
Herausgeber: Institut für Kommunikation und Medien (ikum) der Hochschule Darmstadt h_da & Profilwerkstatt GmbH, Darmstadt
ISBN: 9 783735 782465, Print: 15,99 Euro, Download: 1,99 Euro (Kindle Edition)

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