Presseinformationen exklusiv für Journalisten? Das war einmal, zeigt eine Studie

Der Aggregator schläft nie. Ob er Presseinfos erfolgreicher macht, wissen wir nicht. Aber wir wissen jetzt, dass Presseinfos Journalisten und Privatpersonen anlocken.

Pressemitteilungen sind für „die Presse“. Das war einmal. Schon seit längerem wird diskutiert, dass Presseinfos eben nicht nur für Journalisten sind, sondern auch von Bloggern oder anderen Zielgruppen genutzt werden können. In der aktuellen Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift „Publizistik“ ist jetzt eine Studie veröffentlicht, die unter anderem zeigt, dass publizierende Privatpersonen einen guten Teil zur Verbreitung von Presseinfos im Web beitragen.

Untersucht wurde ausschließlich, inwieweit sich Pressemitteilungen online verbreitet werden, die Medienresonanz in anderen Mediengattungen (Zeitungen, Hörfunk etc.) wurde hier ausgeblendet. Katrin Jungnicke und Wolfgang Schweiger haben hierzu eine Input-Output-Analyse durchgeführt. Das bedeutet in diesem Fall, dass zunächst 32 Presseinformationen von kleinen und mittleren Unternehmen und von Nonprofit-Organisationen unter die Lupe genommen wurden. Untersucht wurden dabei Erfolgsfaktoren wie journalistische Qualität, enthaltene Nachrichtenfaktoren, Organisationstyp und die genutzten Veröffentlichungskanäle. Auf der anderen Seite wurde zwei Monate nach Publikation der Meldungen recherchiert, an welchen Stellen deren Inhalte wie im Web aufgegriffen wurden.

Ein paar Ergebnisse in Stichpunkten:

  • Quantität: Die Wissenschaftler fanden 382 Veröffentlichungen im Web, die sich auf die 32 Presseinfos erkennbar bezogen. Pro Meldung sind dies also etwa 12 Resonanzen. Fast die Hälfte dieser Veröffentlichungen entsteht automatisiert durch Aggregatoren. 7 der 32 Meldungen erhielten keinerlei Resonanz, weitere 3 nur von Aggregatoren. Die erfolgreichste Meldung erhielt 28 manuelle Resonanzen (wurden also von Bloggern, Journalisten oder anderen Nutzern aufgegriffen).
  • Verbreiter: Journalisten tragen in dieser Untersuchung nur zu 38% der manuellen Resonanzen bei; der Anteil der Privatpersonen liegt bei 29%, Organisationen bei 8% und bei 25% waren die Urheber der weiteren Verbreitung unklar. Ebenfalls nicht geklärt ist, ob die Privatpersonen, die die Inhalte einer Presseinfo verbreitet haben, die Meldung im Original gelesen oder eine journalistische Übernahme weitergetragen haben.
  • Qualität: Bei Journalisten erhöht sich die Erfolgschance, je professioneller die Meldung gemacht ist und je mehr Nachrichtenwerte enthalten sind. Dies gilt für Privatpersonen weniger.
  • Publikationsweg: Das Nutzen mehrerer Verbreitungswege (Presseportale) trägt offensichtlich zum weiteren Publikationserfolg bei.
  • Überraschende Details: In den hier untersuchten Beispielen sind entgegen den bisherigen Ansichten längere und leicht werblich geschriebene Meldungen im Sinne der Resonanz erfolgreicher, wenngleich sie stärker umgeschrieben werden.
  • Direkte Übernahme: Meldungen von Nonprofit-Organisationen, die nicht werblich formuliert sind, werden am ehesten 1:1 übernommen. Jede dritte Übernahme (ohne Aggregatoren) ist 1:1.
  • Kommentierungen: Eigene Interpretationen oder Einordnungen sind insgesamt selten, finden sich dann aber eher bei Privatpersonen als bei Journalisten.

Drei Überlegungen dazu:

  • Es hat sich gezeigt, dass Aggregatoren eine nennenswerte Rolle in der Verbreitung spielen und eine Menge Buzz erzeugen. Welchen Wert dieser tatsächlich hat (in Bezug auf Leser, Meinungsbildung, Auffindbarkeit durch Suchmaschinen) steht auf einem anderen Blatt und wäre separat zu untersuchen. Und: Ich behaupte, dass es einige automatisch generierte Angebote gibt, die auf einen (eventuellen) Besucher einen sehr spammigen Eindruck machen und ein häufiges Auftauchen eines Unternehmens in einem solchem Umfeld womöglich kontraproduktiv ist. Ähnliches gilt bekanntlich für manche Presseportale.
  • Selbst wenn man Resonanz in positiv, neutral und negativ differenziert, sagt dies nichts über das Erreichen von Kommunikationszielen aus. Sprich: Ob mit einer Veröffentlichung die gewünschte Zielgruppe erreicht wurde und welche Meinung sich diese bildet, ist ebenfalls ein eigenes Thema.
  • Unklar ist auch, welche Rolle die Push-Kommunikation spielt. Denn es ist durchaus denkbar, dass die hier untersuchten Resonanzen zumindest teilweise entstanden sind, weil die Meldungen auch per Presseverteiler aktiv versandt wurden.

Klar ist, dass die von mir aufgeworfenen weitergehenden Fragestellungen von außen nicht bearbeitet werden können, hierzu bräuchte man detaillierte Informationen der Absender der Presseinfos. Dennoch beantwortet die Untersuchung einige wichtige und aktuelle Fragen und gibt hierauf erste Antworten. Interessant wäre unter anderem, die selbe Untersuchung zum Vergleich mit Meldungen bekannter Marken bzw. Unternehmen/Institutionen durchzuführen.

Schweiger, Wolfgang / Jungnickel, Katrin (2011): Pressemitteilungen 2.0 – eine Resonanzanalyse im Internet. In: Publizistik, Heft 4, S. 399 – 422.

6 Kommentare

  1. Tu mir mit Aggregatoren bzw. Nennungen in diesen ebenfalls schwer. Keine Ahnung welche Relevanz das hat. Google mal ausgenommen. Und es gibt zahlreiche Dienste, bei denen ich mit frage, welchen Zweck sie verfolgen. Für meine Reports und die darin zu treffenden qualitativen Aussagen nutzen mir die Nennungen in Aggregatoren wenig bis gar nicht. Für mich ist es so wie du schreibst, weil das ganze bei mir nicht selten einen SPAM-Eindruck hinterlässt. Und welche Unternehmen wollen schon in einem solchen Umfeld aufscheinen? Aktuell hab ich mich mit einem Auftraggeber gerade darauf geeinigt, die Treffer aus Aggregatoren aus der Bewertung raus zu nehmen um das Ergebnis damit nicht unnötig zu verfälschen.

    Generell finde ich die Studie extrem interessant. Ich denke, dass sie einige jener Fragen beantwortet, die die Branche ganz dringend benötigt. Viel wird vom Bürgerjournalisten gesprochen, davon, dass die Mainsteam-Medien umgangen werden (wiewohl sie auch für Onliner eine wichtige Rolle spielen wenn man bedenkt, dass ein bedeutender Teil der über FB & Co geteilten Inhalte professionellen, sprich journalistischen Ursprunges ist). Da sind Ergebnisse dieser Art für mich besonders wertvoll, da sie Fakten liefern auf denen man Content Strategien neu bewerten kann oder besser muss. Wer nix weiß muss bekanntlich alles glauben. Und viele Content Strategien von Unternehmen folgen genau diesem Blindflug.

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