Lesetipps zum Wochenende (kw 9)

via BellaRain

Nach den vielen Posts und Anmerkungen zu Pinterest in letzter Zeit wird’s höchste Zeit, auf wichtigere Plattformen einzugehen. Außerdem im Wochenrückblick etwas politische Kommunikation und Datenhandel.

Facebook: Eines der intensiv diskutierten Themen der vergangenen Tage war die neue Timeline von Facebook für Unternehmensseiten. Besonders kritisch sieht Markus Hübner die Sache und betrachtet die neuen Unternehmensseiten „als Anfang vom Ende für Facebook“, da die Neuerung eine Rückkehr zum „digitalen Narzissmus“ nach sich ziehe – also die Abkehr vom Dialog zugunsten althergebrachter Unternehmensbotschaften. Zurückhaltend argumentiert Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, denn ihm fehlen für ein abschließendes Urteil der Neuerungen noch die Erfahrungen. Klar ist, dass sich Unternehmen bzw. Betreiber von Seiten in einiger Hinsicht umstellen müssen. Während die Nutzerkommentare künftig stärker an den Rand gedrängt und Shitstorm-Risiken vielleicht etwas gemildert werden, sieht jeder Fan auf ersten Blick die Aktivitäten seiner Freunde auf der Seite. Da Peers bzw. Netzwerkpartner einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung haben, ist dies eine wichtige Funktion, die Facebook hier zur Verfügung stellt. Ebenso die Möglichkeit, einem Unternehmen private Nachrichten zu schicken. Ed Wohlfahrt argumentiert, dass Facebook hierdurch als ein günstiges CRM-System genutzt werden kann. In eine ähnliche Richtung denkt Mirko Lange, der zu diesem Thema eine kleine Präsi gebastelt hat:

Dazu passt, dass Facebook für seine Seiten mehrere Admin-Levels angekündigt. hat. Und schließlich, so wiederum Ed Wohlfahrt in einem weiteren Beitrag, unterstützt die Chronik auf den Unternehmensseiten das Storytelling, beispielsweise durch die Pflege des Gründungsmythos eines Unternehmens oder einer Marke.

Politische Kommunikation: Daniel Rehn hat sich angeschaut, wie geschickt das Kommunikationsteam von Barack Obama Facebook und Tumblr verknüpft:

„Mit dem tumblr-Blog “Barack My Timeline!” stellt man allen Unterstützern 1:1 auf die Größenverhältnisse des Timeline-Headers zugeschnittene Bilder zur Verfügung, die man liebend gern herunterladen und dann im eigenen Profil einfügen soll. Nicht umsonst ist der Untertitel des Blogs als direkte Botschaft verfasst, die da sagt “Show your support for President Obama with your Facebook timeline’s cover photo!“.“

Ein lesenswerter Debattenbeitrag stammt von Eli Pariser, ehemaliger Leiter der Plattform MoveOn, der sich bei SpOn mit den Filtermechanismen von Facebook und andere sozialen Netzwerken beschäftigt. Er sieht langfristig eine Gefahr für die Demokratie, wenn bestimmte Themen nicht mehr ins Bewusstsein dringen, weil sie entweder nicht ins Umfeld passen oder im eigenen sozialen Netzwerk nicht stattfinden:

„Ein beunruhigender Nebeneffekt des Nette-Welt-Syndroms besteht darin, dass wichtige öffentliche Probleme verschwinden. Nur wenige Menschen suchen nach Informationen zur Obdachlosigkeit und leiten diese weiter. Trockene, schwierige, zähe Probleme – viele wirklich wichtige Themen – schaffen es nicht in den Vordergrund. Während wir uns früher auf menschliche Redakteure verließen, die uns auf diese wesentlichen Probleme aufmerksam machten, sinkt deren Einfluss immer mehr.“

Und die taz berichtet vom datengesteuerten Wahlkampf in den USA: Dort wird massiv in die Datenbanken investiert, die möglichst detaillierte Informationen zu den Wählern enthalten. Ziel ist ein möglichst exaktes Targeting, um Wahlkampfwerbung möglichst exakt zuzuschneiden und am besten „alle alleinerziehenden Mütter über 30 mit einer Vorliebe für Schokoriegel, die im Norden von New Mexiko leben“ zu erreichen, wie ein Dienstleister zitiert wird. Gesammelt werden diese Daten unter anderem durch Cookies. Abgesehen davon, dass höchst zweifelhaft ist, Wähler und ihre Interessen detailliert zu kartieren, wird im Artikel auch das Risiko betont, dass sich die Kandidaten gar keine Gedanken mehr machen, wie sie Nichtwähler erreichen können und statt dessen für jede aktive Gruppierung eine passende Botschaft zurechtzimmern.

Datenschutz: Thematisch nahtlos schließt sich hier ein Artikel von Richard Gutjahr an, der sich mit den Adressdatenhändlern in Deutschland beschäftigt hat und die Bürger als „verraten und verkauft“ sieht. Dies zeigt er am Beispeil des OTTO-Versandes, der Adressen seiner Kunden vermietet (O-Ton OTTO) und dabei sogar weitergeben dürfe, welche Produkte ein Kunde gekauft hat (Bahn, Telekom und Post handelten genauso). Mit über 50 Millionen privaten Kundenprofilen ist aber die Firma Schober einer der größten Adressdealer, der mit bis zu 300 Kriterien zu diesen Adressen wirbt und den Marketing-Abteilungen ein traumhaftes Targeting ermöglicht. Genutzt würden solche Adressen, so Richard Gutjahr, intensiv auch von Verlagen und Medienhäusern, weshalb er vermutet, dass hier kein großes Interesse an Berichterstattung besteht. Demgegenüber erweise sich das Auskunftsrecht der Konsumenten als Farce – die Datendealer ignorierten Anfragen häufig und Kunden ahnten gar nicht, wer mit ihren Daten handelt, so dass auch Nachfragen kaum sinnvoll möglich sein.