So eine Blogparade hat einen besonderen Charme: Wenn’s klappt, gibt es viele Perspektiven und Ideen zu einem gemeinsamen Thema. Da mich das aktuell von Ed Wohlfahrt gesetzte Thema Zukunft der Online-PR als Ausbilder direkt betrifft, mache ich gern mit. Allerdings mit einer Gegenposition, die vielleicht nicht allen gefällt. Ich frage mich: Brauchen wir wirklich mehr PR für Online-PR? Ich halte den Begriff heute noch für notwendig, würde ihn morgen aber lieber durch Onlinekommunikation ersetzen und langfristig von Kommunikation sprechen. In diesem Sinne denken wir auch neue Studiengangskonzepte.

Dies klingt auf ersten Blick vielleicht irritierend, wo alle davon reden, wie wichtig Social Media für die PR seien. Daraus könnte man ja ableiten, dass mit dieser Entwicklung – die begleitet wird durch einen Bedeutungsverlust der Pressearbeit (dies allerdings von einem sehr hohen Niveau) – eine großartige Zukunft der Online-PR eingeläutet wird. Und ja, viele Social Media Manager haben einen PR-Hintergrund. Es macht mich ja auch stolz, wenn unsere Absolventen solche Jobs machen.
Marketing und PR: Wir müssen voneinander lernen
Aber schauen wir uns das Ganze ein kleines bisschen genauer an. Sind Social Media exklusive Spielwiesen der PR? Beileibe nicht. Und so ist die Social Media Managerin selbstverständlich Mittlerin zwischen Interessen und Abteilungen, de facto zwischen Disziplinen. Es ist ja schön, dass wir PR-Leute uns einbilden, diese Aufgabe besonders gut übernehmen zu können, weil wir eben nicht nur Kunden im Blick haben, sondern auch die interne Kommunikation, die gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmens („license to operate“ ) oder auch die Beziehungen im Lokalen (Community Relations). Und auch Issues Monitoring, Reputationsmanagement oder Krisenkommunikation sind Fähigkeiten, die aus der PR kommen. Dennoch ist das Silodenken – vor allem zwischen Marketing und PR- ein Hemmschuh, gerade wenn wir über Onlinekommunikation sprechen.
Ich will zwei ganz kleine Beispiele nennen:
- Die Krisenkommunikation von BP zur Katastrophe der Deepwater Horizon. Hier wurde unter anderem intensiv mit Google AdWords gearbeitet, um möglichst viele User auf die von der Corporate Website losgelöste Krisenwebsite zu lotsen und natürlich, um Suchbegriffe zu besetzen. Ganz klar eine Strategie, die im Online-Marketing gang und gäbe ist.
- Facebook: Hier bediene ich mich der Argumentation von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, der neulich sehr gut auf den Punkt gebracht hat, dass Facebook mittlerweile die uns schon bekannten unterschiedlichen Möglichkeiten bietet – von der Kommunikation mit Multiplikatoren, über Werbung bis zu Advertorials. Entscheidend dabei sei, dass jede seriöse Beratung diese drei Elemente zusammen denken (und beherrschen!) müsse.
Was bedeutet das? Ich denke, statt über Abteilungen und Disziplinen in Unternehmen und deren Grenzziehungen und Dominanzen zu streiten, müssen wir viel stärker die Perspektive der Stakeholder einnehmen. Sie sind mal Kunden, mal Anwohner, sie sind potenzielle Bewerber oder Regulierer, Shareholder oder Mitarbeiter. Und das in beliebigen Kombinationen, denken wir rollenbasiert. Das ist ein Verständnis, für das beispielsweise seit langem David Meerman Scott steht. Ganz ähnlich argumentiert Meike Leopold in dieser Blogparade. Und ich glaube ausdrücklich nicht daran, dass es uns hilft, den einzelnen Begriff Online-PR auf’s Podest zu stellen, um eine „Marketing- und Kommunikations-Sauce“ zu vermeiden.
Vielmehr scheint es mir wichtiger, voneinander zu lernen und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Die beiden kleinen Beispiele oben zeigen aus meiner Sicht, dass wir künftig in der Onlinekommunikation Kenntnisse benötigen, die nicht klassisch aus der Online-PR kommen, sondern eher aus dem Online-Marketing. SEO, Insights, AdWords, Search Engine Marketing, Landing Pages sind nur ein paar Buzzwords dazu. Umgekehrt könnte man zugespitzt formulieren, lernen die Marketing-Leute gerade den Wert von Content, von Stories und Personen, die diese erzählen, kennen. Meine Schlussfolgerung hieraus ist deshalb, dass wir mittelfristig statt von Online-PR und Online-Marketing von Onlinekommunikation sprechen sollten (womit ich mich zumindest auf mittlere Sicht auch gegen den Begriff Social Media Management wende).
Verbinden statt trennen: Onlinekommunikation als Studiengang
Da wir in Hessen die politische Vorgabe haben, dass die Fachhochschulen in den nächsten Jahren deutlich wachsen sollen, haben wir im Moment die Chance, neue Studienangebote zu schaffen (und nicht nur mehr Studenten in bestehende zu stecken wie es in der Vergangenheit war). Vor diesem Hintergrund denken wir sehr intensiv über einen neuen Studiengang Onlinekommunikation nach – für den wir dann hoffentlich auch die notwendigen Ressourcen erhalten. Die Idee: Bisher sind Online-PR und Online-Marketing an unserer Hochschule Studienschwerpunkte in unterschiedlichen Studiengängen. Nun möchten wir beide Gebiete in einem gemeinsamen Studiengang integrieren. Zudem haben wir einen dritten Baustein vorgesehen: Dieser soll die Studierenden dazu befähigen, Online-Kompetenz im Unternehmen kontinuierlich zu fördern – also die Rolle des Enablers in Bezug auf Onlinekommunikation einnehmen, weshalb wir zum Beispiel schon bisher versuchen, unsere Studenten zu befähigen, Schulungen oder Workshops durchzuführen.
Mir ist klar, dass ein solches Konzept nicht ohne Risiko ist – auch, weil eben der Begriff Onlinekommunikation recht weit ist und dieser teilweise wiederum auch von anderen Kollegen reklamiert wird, beispielsweise jenen mit Designhintergrund. Und natürlich ist das Etikett eines Absolventen im ersten Moment nicht so anknüpfungsfähig wie Online-PR oder Online-Marketing. Da sich Arbeitgeber in Zeiten von Bologna aber ohnehin genauer anschauen müssen, was im Studiengang eines konkreten Bewerbers genau drin steckt – und dies auch sehr transparent ist – scheint mir das Loslassen von Begriffen, die ich mittelfristig nicht für hilfreich halte, gerechtfertigt.
Wie genau ein Studiengang Onlinekommunikation aussehen wird, ist natürlich noch längst nicht festgezurrt, auch ist seine Einrichtung noch nicht durch die Hochschulgremien verabschiedet. Wir gehen zunächst von der erwähnten Hypothese aus, die drei genannten Gebiete Online-PR, Online-Marketing und Medientraining zusammen zu bringen. Notwendige Fundamente sind sicher ein grundsätzliches Verständnis von öffentlicher Kommunikation, der Onlinekommunikation, von Unternehmen und grundlegendem didaktischem Wissen. Jenseits der Fundamente, so meine ich, müssen wir nicht statische Studiengangsschwerpunkte vorzeichnen, sondern sollten den Studierenden erlauben, eigene Profile zu entwickeln. Aber Hypothesen müssen getestet werden. Insofern freue ich mich jetzt schon auf Rückmeldungen hier im Blog und in den nächsten Monaten in Gesprächen, die wir mit Praktikern wie mit Kollegen aus Hochschulen führen möchten.
Bleibt am Ende dieses Beitrags noch eine Frage offen: Warum soll dann irgendwann der noch weitere Begriff „Kommunikation“ verwendet werden? Mein Eindruck ist: Wir haben in vielen Unternehmen zunächst einen riesigen Bedarf an Leuten, die Onlinekommunikation verstehen, laufend dazu lernen, ausprobieren und nicht von den bisher üblichen analogen Kommunikationsmustern ausgehen. Deshalb sehe ich Onlinekommunikation als nächsten Leitbegriff. Auf längere Sicht werden wir aber nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden, wir werden einfach für Unternehmen kommunizieren. Oder für NGOs. Dann sprechen wir wohl wieder von Unternehmenskommunikation und Nonprofit-Kommunikation. Hatten wir schon mal, nicht wahr?
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Das Ganze hat aber doch weiterhin einen Fokus auf professionelle, organisationale Kommunikation, wenn Sie von Marketing, PR und Medientraining sprechen, die Sie kombinieren wollen. Würde sich dann nicht eher ein Name wie ‚Online-Organisationskommunikation‘ anbieten. Oder für einen rein unternehmerischen Kontext ‚Online-Unternehmenskommunikation‘?
‚Onlinekommunikation‘ bezieht sich ja auch auf nicht-organisationale Kommunikation, also auch auf private/nicht-öffentliche Kommunikation, womit wir bei der Kommunikationswissenschaft wären – und kommunikationswissenschaftliche Studiengänge gibt es ja wie Sand am Meer.
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Danke für Ihre hilfreiche Rückmeldung! Sie sehen die Grundidee vollkommen richtig. Ihre Vorschläge zur Bezeichnung des Ganzen nehme ich sehr gern auf. Ehrlich gesagt haben wir beide auch in der Diskussion – ganz überzeugt bin ich jedoch noch nicht:
– Organisationskommunikation ist nach meinem Eindruck ziemlich soziologisch geprägt und meint dort die Kommunikation _in Organisationen
– da ich auch die Nonprofit-Kommunikation für sehr wichtig halte bzw. als Berufsperspektive für unsere Absolventen offen halten möchte, konnte ich mich zur Unternehmenskommunikation noch nicht klar bekennen ;)
Aber wir werden an dieser Ecke weiter diskutieren müssen, dass der Begriff Online-Kommunikation ebenfalls Schwächen hat, sehe ich ähnlich…
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Danke für den Artikel!
Ich seh’s auch so, dass es grundsätzlich um Kommunikation geht. Online Kommunikation ist lediglich ein weiterer Kanal, der seine eigenen Bedingungen (Tonalität, Timeline, Reach, etc.) stellt aber genau gleich nach Kompetenz der eigentlichen Ressorts (Marketing, Public Affairs, Medien, Investor Relations, Corp. Comm., und wie sie alle heissen) verlangt. Ich glaube nicht, dass es in Zukunft Ressorts Online Kommunikation geben wird, die sämtliche Kommunikationsfelder einer Unternehmung abdecken.
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